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Ausgabe:

1898

Spalte:

113-116

Autor/Hrsg.:

Sägmüller, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Die Thätigkeit und Stellung der Cardinäle bis Papst Bonifaz VIII 1898

Rezensent:

Wenck, Karl

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der Copten enthält, als einen verbefferten und be- lieh und oberflächlich benutzt. S. ift oft in überrafchen-
reicherten nachdrücklich zu empfehlen. Was man fich j der Weife vorübergegangen an dem, was ihn zu einer
ohne diefes Werk mühfam zufammenfuchen mufs, wird | Vertiefung feiner Forfchungen führen konnte. Wir
hier in überfichtlicher Ordnung dargeboten, und ein fehr würden das verftehen, wenn der Verfaffer als treuer
forgfältig gearbeitetes Regifter erleichtert den Gebrauch. Curialift grundfätzlich die Augen verfchloffen hätte gegen
Ueber den nächften Zweck hinaus empfängt man aber die oligarchifchen Heftrebungen 'des Cardinalcollegs —
auch in Bezug auf viele Thatfachen der neueften römifch- ! aber auf den letzten Seiten, im Ausblick auf die folgenden
orientalifchen0 Kirchengefchichte Belehrung, ferner exqui- ! Jahrhunderte, erkennt er an, dafs diefe Beftrebungen gefite
Quellen- und Literaturnachweife, die dem Symbo- i wiffe grofse Erfolge errungen haben. Er verweilt; auf

liker und Liturgie-Hiftoriker fehr nützlich find. Mit be-
fonderem Intereffe habe ich die ganz neu gearbeiteten
Darftellungen der verfchiedenen Kirchenjahre der Orientalen
und den Abfchnitt ,dc festis propriis popularibus
dalo-gravcis' (p. 547 ff.) durchgefehen. Es ift eine überaus
mühfame und aufopferungsvolle Arbeit, der fich der verdiente
Verfaffer zum zweiten Male unterzogen hat; aber
er hat dafür die Genugthuung, dafs ihm Dank in allen
Zungen gefpendet wird, und dafs er ein Werk vollendet

die Wahlcapitulation von 1352, auf die Doppelwahl von
1378 und auf das Pifaner Conzil von 1409 — er fcheint
felbft gewillt, die Unterfuchung und Darltellung fpäterhin
auf diefe Zeiten auszudehnen. Demgegenüber ift es
fchwer begreiflich, wie behende der Verfaffer (S. 234)
über die Gefchichte der Parteiungen des Cardinalcollegs
im 12. und 13. Jahrhundert hinweghüpft, wie er nichts
zu wiffen fcheint von den intimen, die Einheit der päpft-
lichen Centrairegierung auflöfenden Beziehungen, welche

hat, welches jedem Theologen nicht nur jitriusque1, 1 nicht nur von den grofsen Gegnern der Hierarchie, einem
fondern ,Ctäusque ecclesiae' nützlich ift. j Friedrich II. und Philipp dem Schönen, fondern von

„ ,. a Harnack a"en möglichen grofsen nnd kleinen Mächten mit diefem

1 und jenem Cardinal als dem regelmäfsigen mehr oder
minder gut bezahlten Anwalt ihrer Intereffen unterhalten
wurden. Es ift nicht fchwer, diefe Verbändelung der einzelnen
Cardinäle für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts
vielfältig zu belegen, und fie erfcheint um fo be-
deutfamer, als der Einflufs jedes einzelnen Cardinais hoch
gefteigert war durch die überaus auffällige Verminderung
der Glieder des heiligen Collegs auf eine fehr geringe
Zahl. S. hat uns gefagt, welche Maximalzahlen für Car-

Sägmüller. Prof. Dr. J. B., Die Thätigkeit und Stellung der
Cardinäle bis Papst Bonifaz VIII. hiftorifch-canoniflifch
unterfucht und dargellellt. Freiburg i. B., Herder, 1896.
(VIII, 262 S. gr. 8.) M. 5.—

Wir wufsten längft, wieviel uns zur Würdigung des
Papftthums mindeftens für die Zeit vom 12. bis 16. Jahrhundert
noch fehlt, fo lange wir eine quellenmäfsige Ge- : dinalpresbyter und Cardinaldiakonen zu Anfang des 12

fchichte des Cardinalcollegs entbehren müffen, aber unter
Kundigen war auch kein Zweifel, dafs, wer diefe Lücke
auszufüllen unternähme, nicht nur das canoniftifche, das

Jahrhunderts angenommen wurden, er hat dann fpäter
S. 183 ff. erörtert, dafs die Päpfte fich die Zullimmung
der Cardinäle darüber zu verfenaffen pflegten, ob und

chronikalifche und urkundliche Material auf unmittelbaren wen fie zu Cardinälen erheben follten, aber er ift achtlos
Nachrichtenftoff einer umfaffenden Durchficht zu unter- an der Thatfache vorübergegangen, dafs trotz der grofsen
werfen habe, fondern vor Allem auch als Diplomatiker I Vermehrung der Gefchäfte der zahienmäfsige Bcftand des
dem Urkundenmaterial in mühfamer Einzelprüfung die- j Cardinalcollegs vom Anfang des 12. Jahrhunderts in der
jenigen Fragen vorzulegen habe, welche nur durch Ver- zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durchfehnittlich auf
bindung diplomatifcher und verfaffungsgefchichtlicher I den vierten TheH, von etwa 50 auf 12 zurückgegangen
F'orfchungen gelöft werden können. Von fyftematifcher ; ift. Ich felbft habe in meiner Vortragsfkizze ,Das Car-
Durchforfchung des älteren päpftlichen Urkundenwefens, dinalscollegium' (Preufs. Jahrb. 53 S. 437), die S. wieder-
wie es jetzt in Göttingen unternommen ift, dürfen wir holt anführt, auf diefe merkwürdige Abnahme hingewiefen
Auffchlüffe über die Entwickelung des Rechtes der Car- j und fie aus der oligarchifchen Tendenz des Collegiums
dinäle auf Subfcription, Mitbefiegelung und Confensrecht erklärt. S. hätte durch ftatiftifche Zufammenftellungeu
erwarten. P/rft dann dürfen wir hoffen, die Wirkfamkeit uns die numerifche Entwickelung im Grofsen und im
des Cardinalcollegs als eines wefentlichen Factors der i Einzelnen vorführen follen. Ift es doch für die Eigen-
päpftlichen Centrairegierung feftzulegen. j art des einzelnen Papftes unzweifelhaft bezeichnend,

Sägmüller, der Ficker's lichtvollen Auffatz ,Fürftliche ob er das Bedürfnifs fühlt, fich mit zahlreichen Cardi-
Willebriefe und Mitbefiegelung1 in MIOEG III über j nälen eigener Wahl zu umgeben, und ferner wäre es
analoge Fragen auf dem Gebiete der Reichskanzlei und feine Aufgabe gewefen, uns zu zeigen, aus welchen Na-
des deutfehen Staatsrechts gelegentlich anführt (S. 218 ! tionen, aus welchen italienifchen Landfchaften und Stä-
Anm. 1), der drei Mal (S. 67, 70 u. 216) auf das Confens- j dben fich das Collegium recrutirte, wieviel Theologen,
recht zu fprechen kommt, hat doch, wie es fcheint, keine wieviel Juriften es in feinen Reihen zählte. Es wäre
Ahnung, dafs hier die Vorbedingungen für die Löfung | uns intereffant zu erfahren, in welchem Maafse die Forder
von ihm geftellten Aufgabe erft noch zu erfüllen find, derung des heiligen Bernhard, dafs nicht greifenhafte
Und ebenfo unerfreulich ift der Eindruck, wenn wir uns , Schwächlinge, fondern thatkräftige Männer in verhältnifs-
das von ihm beigebrachte Material anfehen, das er im- mäfsig jungen Jahren zum Cardinalat berufen werden
mittelbar den Quellen entnehmen konnte. Wenn wir möchten, befolgt worden ift. Wir erhalten durch die
gern anerkennen wollen, dafs S. als Canonift fo manchen ! Vita Alberti episcopi Leod. (M. G. SS. XXV, 145, 15
willkommenen Quellenbeitrag liefert, fo bleibt er doch zum Jahre 1192, S. führt S. 188 eine andere Stelle der-
felbftauf demBoden derkirchenpolitifchen Quellenliteratur felben Quelle an) eine fehr merkwürdige Nachricht von
hinter befcheidenen Anforderungen zurück — beifpiels- , dem Gegeneinander verfchiedener Strömungen im Car-
weife fuchen wir faft ganz vergeblich nach einem Ge- dinalscolleg, einer gröfseren Actionspartei und einer
brauch der Schriften Gerhoh's von Reichersberg und kleineren durch Heinrich VI. verängftigten Partei, da
Johann's von Salisbury. Für feine Benutzung des ur- wäre es doch werthvoll zu wiffen, ob das Collegium da-
kundlichen und chronikalifchen Materials dürfte in weitem mals noch mehr fo jugendliche Männer wie Lothar von
Umfange mafsgebend fein, ob S. in der von ihm heran- Segni — den fpäteren Innocenz III. — in feinen Reihen
gezogenen Literatur bezügliche Hinweife fand. So zählte, und welchem der vorausgegangenen kurzlebigen
wird es fich erklären, dafs er fich die werthvollften Bei- Päpfte verfchiedener Färbung Lothar's Gefinnungsgenoffen
träge diefer und jener Quelle entgehen liefs, die ganz in den Cardinalshut verdankten? Ich kann zufammenfaffen:
der Nähe der von ihm benutzten Stellen (landen, und j S. hätte mit allen Mitteln verfuchen müffen, uns in den
wie die Quellen, fo ift auch die Literatur nur fehr äufser- Reihen der Cardinäle heimifch zu machen, natürlich nicht