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Ausgabe:

1898 Nr. 4

Spalte:

102-103

Autor/Hrsg.:

Renesse, Emil

Titel/Untertitel:

Die Lehre der zwölf Apostel 1898

Rezensent:

Achelis, Hans

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IOI

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 4.

102

Schürer alle hierbei in Betracht kommenden Momente
ausreichend gewerthet und verwerthet. Zur Ergänzung
verweife ich noch auf J. Plew (Quellenunterfuchungen
zur Gefchichte des Kaifers Hadrian, Strafsburg 1890,
S. 57). Der Epitomator des Dio nimmt hiernach bei
feinem Reifebericht die Bauthätigkeit Hadrian's zum leitenden
Gefichtspunkt, daher die Weglaffung anderer
Momente nicht auffallen kann. Da aber Dio wie Spar-
tian (diefer durch Vermittlung von Marius Maximus s.
Plew S. 11 ff.) auf die Autobiographie des Kaifers zurückgehen
, fo werden die beiden von Schürer feftgehaltenen
Pofitionen: ,Die Gründung von Aelia und das Be-
fchneidungsverbot waren Anlafs zum Krieg' trotz Sehl.8
heftiger Befireitung nicht anzuzweifeln fein. Für die An-
wefenheit Hadrian's beim Feldzug fpricht fich (gegen
Gregorovius) auch Plew aus und führt als fchlagendes
Argument einen Bericht des Architekten Apollodor an
den Kaifer an, der allerdings vorausfetzt, dafs der Kaifer
felbft an Ort und Stelle jienl rmv pruav^parmv Maafs-
nahmen traf (Plew. S. 95). Indefs die wichtigsten Beweifs-
mittel, die die fchwere Laft des jerufalemifchen Tempels
mit feinem ganzen prunkvollen Cult und noch manches
andere tragen follen, findet Schi, bei den Rabbinen.
Leider habe ich nirgends feine kühnen Aufftellungen bewährt
gefunden, häufig hat mich die Willkür feiner Behauptungen
in peinliches Erftaunen verfetzt. Eine grofse
Anzahl feiner mit grofsem Fleifs gefammelten Belegstellen
find fchon von Grätz, Derenbourg und Büchler an die
richtige Stelle gerückt. Grofse Verwirrung richten vor
allem die Leitfätze Schl.'s an, dafs alle die zu Threm
2,2 angeführten Schläge (es ift u. A. von Sacharja's Ermordung
, von Nebusaradan und Jeremia die Rede) auf
die Hadrianifche Zeit gehen, und dafs Frevel und Strafe
einander auf dem Fufs folgen müffen. So fiel nach der
a. St. die Feste Barkochba's 52 Jahre nach der Zerftörung
des Heiligthums — gemeint ift alfo die Zerftörung durch
Titus—, weil fie damals in Bittir illuminirten. Schi, ftreicht
die Zahl oder die 50 und bekommt nun eine Zerftörung
des Heiligthums durch Hadrian. Wie es fonft noch Schi,
gelingt, die oben aufgezählten Refultate durch kritifche
Exegefe aus den ,Erzeugnifsen einer kranken Rethorik'
als ,foliden Grundstock' herauszufchälen, mufs man bei
ihm felbft nachlefen; ich verweife namentlich auf das
Beifpiel mit den abgehackten Fingern S.ßöf. Die Tosefta
erzählt bei zwei Hohenpriestern, wie viel Geld fie an
ihr Feftgewand gelegt; der eine ift Ismael b. Phabi, der
andere Eleafar b. (n) niDin. Da ein R. Eleafar Char-
fana (jedoch mit einem Fragezeichen) unter den Märtyrern
der Hadrianifchen Zeit genannt wird, fo findet Schi,
hier den Hohenpriefter der Barkochba-Zeit, den Priefter
E. der Münzen. [Da der Nachfolger Ismael's Eleafar b.
Ananos heifst, fo ift entweder rTWl zu lefen und "1 zu ftrei-
chen, oder es liegt eine der häufigen Verwechfelungen vor.
Vgl. übrigens syr. rriD-in raucitas (vocis), S50"in piscis saxa-
Ulis (cf. Columella 8, 16). Mit Schi, ein nach der Ka-
taftrophe gemünztes Schimpfwort ,krätzig' anzunehmen,
halte ich für gefucht. Bei den Tagen des (o?)D1D"in
möchte ich an Craffus denken]. Dafs Sacharja ben Eu-
kolos (cblpaS; — Schi, macht unnöthigerweife Euptolemos
daraus — in dem S. ben 'AfiffJxaXot; (= Dblp^ast, wie
auch gelefen wird) B. J. IV, 4, I und vielleicht Xxüp
und N272p -Q in dem Köfixpoc bar Kopxpoq Vita 9 bei
Jofephus, alfo in Vespafians Zeit, fich wiederfinden, be- I
achtet Schi, nicht.

Von den mancherlei Mifsgriffen im Einzelnen, die j
mir aufgefallen find, erwähne ich die Ueberfetzung von I
riETin durch .Schändlichkeit, Schandfleck'(S.70). Nicht an
ein Götzenbild, fondern an eine .Blöfse', eine offene Stelle
der Stadt (im Gegenfatz zu ysjlB wohlverwahrte Stelle)
ift zu denken. S. 75: Die vier Rabbinen zerreifsen ihre :
Gewänder nicht nach einem Gefetz, fondern aus Trauer i
und freiwillig. S. 22: Tofefta Sota 13 wird durch die eingetretene
Verwirrung nicht dies verhindert, dafs Juda b.

Baba der heilige Geift zugefprochen wird, fondern dafs
man die Klage erhebt: weh um den Demüthigen, um den
Frommen! Eine Gewaltthat ift die Verwandlung des
DlttTBOISK, des Römers (Poftumus? nach andern Faufti-
nus), der die Gefetzesrolle verbrennt, in ajtoOxäxng=
R. Elifcha b. Abuja "ins. S. 24. Ich bekenne gern, dafs
ich von der Gelehrfamkeit Schlatters auf talmudi-
fchem Gebiet hier und da gelernt habe: ich hebe noch
hervor den wichtigen Hinweis auf die Bedeutung des
Befchneidungsverbots für die Lahmlegung der jüdifchen
Propaganda und den Vortheil, den die Kirche davon hatte.
Im Ganzen aber wird man Schi, gegenüber ruhig an dem
von Gregorovius, Schürcr, Harnack gezeichneten Bilde
fefthalten dürfen.

Bonn. Arnold Meyer.

Renesse, Prof. Emil v., Die Lehre der zwölf Apostel. Text,
Ueberfetzg. u. eingehende Erklärg., nebft Unterfuchgn.
ueb. die rT-ntflehg., fowie die Bearbeitg. der Didache
in den fpäteren Schriften. Giefsen, J. Ricker, 1897.
(VI, 113 S. gr. 8.) M. 5 —

Die Frage, ob eine neue Ausgabe der Didache mit
ausführlichem Commentar und eingehenden Ausführungen
nothwendig war, überlaffe ich gern dem Verfaffer und
feinem Verleger. Die vorliegende Ausgabe zerfällt in
drei Theile, deren erfter (Text, Ueberfetzung und Anmerkungen
) und zweiter (Erörterungen über den Inhalt
und Zweck der Didache) ihrem wefentlichen Inhalt nach
fchon 1891 und 1892 in den Programmen des Gymna-
fiums zu Lauban erfchienen; der dritte Theil (Unter-
fuchungen über Echtheit, Quellen, Zeit und Ort der Ent-
ftehung, fowie die Bearbeitungen der Didache in fpäteren
Schriften) erfcheint hier m. W. zum erften Male. Der
Verfaffer arbeitet an der Hand der bekannteften Literatur,
im befonderen Anfchlufs an Ph. Schaff.

Im Texte der Didache fehlen XVI 4 die Worte
xai äimi-ovoi. — S. 50,29 ,bapt. canon. cap. 5' foll wohl apost.
can. 50 heifsen? — S. 76 wird gefagt: ,Ein Anfang der
Bildung des N. T.-lichen Kanons war zu der Zeit, wo
unfer Verfaffer fchrieb, thatfächlich fchon gemacht, fodafs
diefelbe die allgemeine Verbreitung des Kanons, foweit
er fich damals fchon gebildet hatte, vorausfetzt'; S. 83
dagegen: .Keine Flrwähnung gefchieht eines N. T.-lichen
Kanons' und S. Iii: ,Es gab noch keinen feffgefetzten
Kanon'. — S. 80 wird richtig erwähnt, dafs Funk die
Melker Handfchrift, in der das lateinifche Fragment der
Didache fleht, in der Th. Q. S. 1886 befchrieben habe;
zwei Seiten fpäter wird diefelbe Handfchrift als .leider
verfchwunden' bezeichnet. — S. 85 wird die Stellung der
Didache in der Handfchrift zwifchen den Clemensbriefen
und den .Ignatianifchen Briefen' hervorgehoben als Beleg
dafür, dafs fie auch zeitlich zwifchen beiden Schriften-
gruppen liege; S. 38 war richtig gefagt, dafs an der angegebenen
Stelle die zwölf Pfeudo-Ignatianen flehen. —
In dem Apoflelverzeichnifs der Apoflolifchen Kirchenordnung
fehlt nicht Matthäus, wie S. 89 gefagt wird,
fondern Judas Jakobi. — Bei dem Capitel über die
Apoflolifchen Konflitutionen fehlt die Kenntnifs der
neueren Literatur, felbft des Buches von Funk. — Wenn
einmal die betreffenden Theile der Apoflolifchen Kirchenordnung
und der Apoflolifchen Konflitutionen abgedruckt
wurden, hätten nicht kleine Partien, in denen die Didache
ebenfalls benutzt ift, weggelaffen werden follen; der Lefer
erhält fo ein unvollständiges Bild. — Der Stil ift nicht

ohne Mängel; manche Sätze find kaum zu verliehen. _

Das find die hauptfächlichen Ausftellungen, denen ich
viele kleine hinzufügen könnte.

Als feine Lefer fcheint der Verfaffer fich Schüler
oder Studenten zu denken; in dem erften der genannten
Programme fagt er auch zu Anfang, dafs er an Hollen-
berg's Hülfsbuch für den evangelifchen Religionsunterricht