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Ausgabe:

1898 Nr. 4

Spalte:

99

Autor/Hrsg.:

Chable, Florenz

Titel/Untertitel:

Die Wunder Jesu 1898

Rezensent:

Lobstein, Paul

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99

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 4.

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den Proben von Interpretationskund, wie fie die vorliegende
Schrift giebt, dürfte die Archäologie für ihn
ein fehr gefährliches Gebiet fein.

Halle a. S. Gerhard Ficker.

Chable, weil. Priefter D. Florenz, Die Wunder Jesu in ihrem
inneren Zufammenhange betrachtet. (Strafsburger
theolog. Studien. Herausgegeben von A. Ehrhard und
E. Müller. 2 Bd. 4 Heft.) Freiburg i. B., Herder, 1897.
(V, VII, 106 S. gr. 8.) M. 2. —

Diefe der Würzburger theologifchen Facultät vorgelegte
Inauguraldiffertation des kurz nach Erlangung des
theologifchen Doctorgrades verdorbenen Religionslehrers
und Pfarrvicars in Oberehnheim (i. E.) will einen Beitrag
zur Apologetik liefern. ,Die chridliche Apologetik wird
hier wiederum mit der Vertheidigung der Wunder beginnen
müden, um den Glauben an die Perfon und die
Lehre Jefu zu begründen'. (S. 8.) Die Unterfuchungen
diefer Studie erdrecken fich auf die Wunderthaten Jefu,
und zwar nach ihrem inneren Werthe und ihrer Stellung
zu feiner Perfon und feiner Aufgabe als Welterlöfer
und Gründer des Gottesreiches. Abdand nehmend von
den üblichen Claffificirungen der Wunder, unterfcheidet
der Verf. vier Gruppen von Wundern: 1) die wunderbaren
Liebeswerke Jefu, in denen der Heiland ganz be-
fonders den naheliegenden erlöfenden Zweck zu verfolgen
fchien, den nämlich, der leidenden Menfchheit zu Hülfe
zu eilen, ohne ausdrücklich auf deren höhere geidige
Heilung hinzuweifen (S. 22—30); 2) die Wunder Jefu zur
pofitiven Gründung feines Gottesreiches, in welcher durch
die Hebung irdifcher Leiden die geidige Heilung, die übernatürliche
Hilfe Chridi zu dem Glauben und der Tugend
des Menfchen als Hauptfache hervortreten (S. 30—44);
3) die Wunder Jefu zur Ueberwindung des Satans und
feines Wirkens (die Teufelaustreibungen, die Todtener-
weckungen) (S. 45—84); 4) die wunderbaren Realweis-
fagungen Jefu (S. 45—102.) — Dafs die Grenzen zwifchen
diefen vier Gruppen fliefsend find und die ganze Claffi-
ficirung eine nicht weniger willkürliche als die, von welcher
der Verf. ,Abdand nimmt', hat demfelben keinerlei
Sorge bereitet. Sein ,Bedreben war in erder Linie darauf
gerichtet, in Chridus den göttlichen Wunderthäter zu
zeigen, der als Gott- und Menfchenfohn nicht eine über-
flüffige Erfcheinung (Hegel), nicht ein blofser Ausdruck
der göttlichen Weisheit im menfchlichen Gemüthe (Spinoza
), nicht ein Schwärmer und Phantad (Dulk) genannt
werden darf, fondern als Menfch gewordenes und unter
den Menfchen lebendes Vorbild für die erlöfungbedürftige
Menfchheit diefer nicht allein mit einem untadelhaften
Lebenswandel vorleuchten (Kant), fondern auch die
Wohlthaten des allein guten Gottes fpenden, ihr phyfifches
und moralifches Uebel heben, ihre Gottähnlichkeit durch
einen hohen und reinen Gottesbegriff geidig wirken und
hierzu eine unter feinem Schutze und in feinem Geide
fortwirkende Kirche gründen . wollte' (S. 103). — Dies der
wefentliche Inhalt der durch umfaffende Belefenheit,
durchaus andändige, fachlich gehaltene Polemik und
lichtvolle Dardellung ausgezeichneten Schrift. Freilich
irgend welche Förderung, fei es des hidorifchen, fei es des
religiöfen Problems, id von derfelben nicht zu erwarten.
Der Verf. bewegt fich in den Spuren eines durch keine
Kritik erfchütterten Supranaturalismus, und feine apolo-
getifchen Bedrebungen bezeichnen den vollendeten Wider-
fpruch zu dem Standpunkte, den die neuere Theologie
von Schleiermacher gelernt hat und welcher ihr, trotz
aller rückläufiger Bewegungen, nicht mehr verloren gehen
wird.

Strafsburg i. E. P. Lobdein.

Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. Herausgegeben
von A. Schlatter und H. Cremer. 1. Jahrgang
1897. 3. Heft. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1897. (gr. 8.)

M. 2.—

Schlatter, Prof. D. A., Die Tage Trajans und Hadrians. —
Fofs, Dr. R., Leben und Schriften Agobards, Erzbifchofs von Lyon.
(V, 144 S.)

Schlatter, der fchon in feinem Buch ,Zur Topographie
Palädinas' fich bemüht hat, die Gefchichte des heil.
Landes und des jüdifchen Alterthums namentlich mit Benutzung
der jüdifchen Tradition aufzuhellen, will hier
das Dunkel lichten, das über den Schickfalen des jüdifchen
Volks und Jerufalems in der Zeit von der Zerdörung
des Tempels durch Titus bis zur Hadrianifchen Verfolgung
liegt, und namentlich den Bar-Kochba-Krieg ver-
dändlich machen. Das fei um fo nöthiger, meint Schi.,
als f. Z. Gregorovius und neuerdings, in bedauerlicher Abhängigkeit
von ihm. Schürer und Harnack, ein ,zerriffenes
und widerfpruchvolles' Bild jener Vorgänge, voll ,lauter
Undenkbarkeiten' gezeichnet hätten. Der Grund ihrer
Mifsgriffe liege vor allem darin, dafs de den berufenden
Berichterdattern, den jüdifchen Zeitgenoffen Hadrian's
und Antonin's nicht Gehör gäben. Was jene Forfcher
trotz alledem etwa Pofitives geleidet haben, davon id bei
Schi, nicht die Rede und ebenfowenig davon, dafs jüdifche
Forfcher wie Rappaport, Grätz, vor allem Derenbourg,
neuerdings Büchler (Die Prieder und der Cultus, Wien
1895) das jüdifche Material eingehend berückfichtigt haben.

Freilich Schi, kennt eine andere Methode der Kritik,
die nicht nur folidere, fondern ganz neue und überrafchen-
dere Refultate zu Tage fördert. Nach 70 war, fo lernen
wir von Schi., Jerufalem nicht nur römifche Garnifons-
dadt; es wohnte dort eine kräftige Judenfchaft, die Handel
und Wandel trieb und in 7 Synagogen ihren Cultus
abhielt; man wallfahrtete regelmäfsig dorthin, ja es gab
dort ein Lehrhaus, ein Synedrium drengder fchammaiti-
fcher Obfervanz, das mit dem vonjamnia wohl concurriren
konnte. Unter Trajan hat in Palädina eine Schilderhebung
dattgefunden — der bekannte Krieg des Quietus

— bei der nicht allein Helden wie Julianus und Pappus,
fondern auch Rabbinen wie R. Tarphon — wie falfch alfo,
ihn mit Judins Tryphon zufammenzubringen — und gar
Gamaliel II. den Märtyrertod erlitten. Hadrian hat dann
nicht etwa unverdändige Verfolgungen angefangen
[nach Schi, haben das Schürer u. A. behauptet; in Wirklichkeit
wird der Bau von Aelia (130) von Schürer durch
Hadrian's Baulud motivirt, das Befchneidungsverbot
mit dem Verbot der Cadration in Verbindung gefetzt],
fondern der Kaifer hat durch fein Entgegenkommen die
Leiden fchaft des Volkes zu furchtbarem Ausbruch gebracht

— was nicht minderunverdändiggewefen wäre. An die Spitze
der Bewegung tritt ein meffianifcher König, felbdverdänd-
lich umgeben von 70 Aelteden. Jerufalem wird wieder aufgebaut
, inmitten der Tempel, zu dem man von allen Seiten
erd Steine, dann Opfergaben herzubringt. Hoherprieder
id Eleafar ben Charfum, der am grofsen Verföhnungstage
in allzufeinem Gewände zum Opferaltar empordeigt.

j Dann id Jerufalem Burg auf Burg eingenommen worden,
Hadrian id vielleicht felbd ins Pleiligtum getreten; über

l die zerdörte Stadt wurde der Pdug gezogen. Damals

I gaben die Rabbinen die Sache auf; gegen ihren Rath
hielt fich Barkochba noch in Bittir, bis auch dies aufgegeben
werden mufste. Es folgen die Hadrianifchen
Edicte gegen Befchneidung und Sabbat; die Verfolgung
und das Morden hat die ganze Welt in Bewegung gefetzt
, auch Korinth, von wo (pvycbv xbv vvv yevofievov
rrbXeftov — eine wunderliche Exegefe der bekannten
Stelle im Dial. c. Tryph. — Tryphon nach Ephefus gekommen
fein foll.

Einige diefer Behauptungen find ja nicht neu und
fie werden z. Th. auch durch die griechifch römifchen

| und chridlichen Quellen nahe gelegt. M. E. hat fchon