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Ausgabe:

1898 Nr. 3

Spalte:

87-88

Autor/Hrsg.:

Martens, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Beleuchtung der neuesten Controversen über die römische Frage unter Pippin und Karl dem Grossen 1898

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 3.

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bietenden Aufgaben keineswegs erlofchen, vielmehr im men echt. Das gilt auch von Ottos des Erften Sehen-
Steigen begriffen ift. Gregor von Nyffa ift dabei nicht kung; doch ift nur ihr erfter Theil am 13. Februar 962,
zu kurz gekommen. In einer griechifch gefchriebenen der zweite erft am 9. December 963 ausgefertigt worden.
Differtation verglich A. Akylas Gregor's Lehre von der Mühlbacher hat in den Nachträgen zu feiner deut-

Unfterblichkeit der Seele mit der platonifchen (1889). fchen Gefchichte unter den Karolingern Lindner's Auf-
A. Krampf fchrieb über den Urzuftand des Menfchen faffung als anfprechend bezeichnet, während Kehr in
nach der Lehre des hl. Gregor von Nyffa (1889). Fr. den Gott. Gel. Anzeigen (1896, 2, 128—139) die Arbeit
Hilt flehte feine Lehre vom Menfchen fyftematifch dar ,von allen Arbeiten über die ,römifche Frage' ihrem
(1890). W. Meyer behandelte die Gotteslehre (1894), i inneren Werthe nach die dürftigfle, nach ihrem äufseren
und demfelben Thema widmete Franz Diekamp eine Auftreten die anmafsendfte' nennt. Ich bin nicht genug
fehr eingehende Unterfuchung, deren erfter Theil im 1 in die Literatur über den Gegenftand eingeweiht, um
vorigen Jahr erfchien (1896). Und neben der Vollert- diefesUrtheil direct abweifen zu können. Aber es fcheint
fchen brachte uns das Jahr 1897 die Arbeit von A.Reiche mir übertrieben. Lindner hat freilich einen gewiffen
über die künftlerifchen Elemente in der Welt- und Lebens- Anlafs gegeben, den Unmuth feiner Lefer zu reizen,
anfehauung Gregor's (vgl. diefe Zeitung 1897, Sp. 305). Er will fich, da in der ,Allgemeinen Gefchichte feit der
Nicht alle diefe Arbeiten find von gleichem Werth. Völkerwanderung', mit der er fich befchäftigt, für der-
Meyer's nicht fchlechte, aber doch dürftige Differtation ' artige kritifche Unterfuchungen kein Raum fei, in befon-
z. B. wird durch Diekamp's auf breiter Grundlage fich ' derer Schrift an die Fachgenoffen wenden und fagt:
erhebende Darftellung antiquirt. Vollert's Arbeit, wie ,Ich thue es nach meiner Gewohnheit, indem ich den
manche andere auf Eucken's Anregung zurückgehend Ballaft früherer Unterfuchungen liegen laffe'. Das ift nicht
und diefen Einflufs nicht verleugnend, würde entfehieden nur hochmüthig, fondern auch gefährlich. Im vorliegengewonnen
haben, hätte derVerfaffer vonHilt's eingehen- den Falle erneuert L. mit feiner Hypothefe über Pippins
der, auf genauem Quellenftudium beruhender, dabei im Ur- , Schenkung thatfächlich nur, was Oelsner vor langen
theil unbefangener Darfteilung derfelben Themata Kennt- | Jahren ausgeführt hat. Und wird er felber wollen, dafs
nifs genommen. Ich finde feine Schrift nach Hilt ziemlich ! man feine Schrift in kurzem zu dem Ballaft rechnet, mit
überflüffig; Manches, z.B. die Lehre von der Überwindung dem man fich nicht gerne befchwert? Dann hätte er
des Böfen, insbefondere die Lehre von der Apokata- lieber nicht fchreiben follen, wenigftens nicht eine für
ftafis bei Gregor, tritt bei Hilt in viel fchärfere Be- Fachgenoffen beftimmte Arbeit. Was nun fein Reful-
leuchtung. Dabei will ich nicht geleugnet haben, dafs tat betrifft, fo fcheint es mir nach wie vor nicht ausge-
auch in der Darfteilung Vollert's alles Wefentliche be- j fchloffen, dafs die Pippin'fche Urkunde beftimmtere Anrührt
ift und dafs die Arbeit auf fleifsigen Studien ruht, j gaben enthalten habe als L. zugeben will. Dagegen
Dennoch wird man zur Orientirung beffer zu Hilt möchte ich, wenn es richtig ift, dafs die geographifchen
greifen, fchon weil die Quellenftellen hier im griechifchen j Angaben der Vita Hadriani echt find (was mir übrigens
Wortlaut unter dem Text angeführt find und weil die Lite- nicht fo zweifellos ift wie Lindner, Kehr, Schnürer
ratur fortlaufend berückfichtigt ift. Dafs Vollert nach j u. A.), doch meinen, dafs der Ausdruck ad instar im
Oehler citirt, ift an fich nicht verwerflich; doch wäre 1 Sinn des Schreibers nicht fowohl die materielle und
es zweckmäfsiger gewefen, die Citate auf Migne einzu- formelle Identität der Promiffionen von 754 und 774
richten, wie jetzt mit Recht allgemeiner Brauch ge- ! ausfagen will (fo Kehr), als vielmehr darauf hindeuten
worden ift. j foll, dafs Karl die Vorlage Pippins zum Mufter nahm

und feinem Schriftftück einen entfprechenden Inhalt gab
(fo Lindner). Uebrigens ift diefe ,römifche Frage' eine

Giefsen. G. Krüger.

Vexirfrage wie wenige und ein allfeitig befriedigendes
Lindner, Tbdr., Die sogenannten Schenkungen Pippins. Karls Refultat ift dabei fchwerlich zu erhoffen.

des Grossen und Ottos I. an die Päpste. Stuttgart, J. G. j 2- Das hat fich mir auf's Neue beftätigt, als ich, nach-
„ VT , , _ e . c A dem vorltehende Anzeige bereits in die Druckerei ge-»

Cotta Nachf., 1896. (99 S. gr. 8.) M. 2.— geben waf( Martens> jungrte Schrift zur römifchen Frage

Martens, Regens a. D. D. Dr. Wilh., Beleuchtung der in die Hand bekam. Der Verfaffer hat fich mehrmals,

neuesten Controversen über die römische Frage unter zuletzt 1886 in einem Auffatz der Tübinger Theologifchen

Pippin und Karl dem Grossen. München, C. H. Beck, I Quartalfchrift, zu Ungunfien der Echtheit der drei in Rede

a a /wriT o iwr flehenden Capitel der Vita Hadrians geaufsert. Er ver-

1898. (V1U, 158 S. 8.) M. 3.50. j wirft auch jetzt noch> und zwar mit Emphafe, alle ent-

1. Lindner fafst feine Unterfuchung der verwickelten i gegenflehenden Anflehten, insbefondere auch alle An-
Frage nach den verfchiedenen Schenkungen fränkifcher nahmen von Interpolationen. ,Ich lege den drei Kapiteln
und deutfeher Könige und Kaifer etwa in folgenden Sätzen keine gröfsere Bedeutung bei, als etwa der Krönungs-
zufammen: die von der Schenkung Pippins und Karls gefchichte Benzo's oder der von Lambert von Hersfeld
berichtenden Stellen im Lider poniificalis find vollkom- ; colportierten Fabel über das Gottesurtheil von Canoffa'.
men echt, und ohne Zwang ergiebt fich die völlige Ueber- ! Vielleicht würden feine Ausführungen mehr Lindruck
einftimmung ihrer Angaben mit dem Inhalt der päpft- j machen, wenn nicht zu fehr mit dem X der Perfönlichkeit
liehen Briefe. Alfo braucht nicht gezweifelt zu werden, I Karls operirt würde. Ob diefem ,Verletzung eines heiligen
dafs Pippins Urkunde in Quierzy ausgeheilt wurde. Aber ' Eides, Illoyalität und Zertretung fremder (von ihm felbft
diefe Urkunde enthielt, was immer der König in Pon- ! gewährter) Rechte' zugefchrieben werden können, wird
thion mündlich dem Papfte zugefagt haben mag, nur ein ! fich doch nur auf Grund von Thatfachen feftftellen laffen,
allgemein gehaltenes Verfprechen, die Gerechtfame des ; und eine vorgefafste Meinung von Karl's Charakter kann
heiligen Petrus zurückzubringen. Den Wortlaut herzu- j jedenfalls zur Kritik von Urkunden nicht herangezogen
ftellen, ift kaum möglich. Die genaue Bezeichnung von ! werden. Das wäre nicht anders als wenn man fagen
Oertlichkeiten fehlte, weder der Exarchat noch die Pen- I wollte: ein Mann wie Karl kann das Blutbad von Pader-
tapolis wurden zugefichert. Karl hat 774 Pippins Ur- I born nicht auf dem Gewiffen haben. Warum nicht, wenn

künde beftätigt und nunmehr die Grenzlinie nach Norden
und Süden bezeichnet, innerhalb deren der Papft diejenigen
Gebiete zurückerhalten follte, die früher befeffen zu
haben er zuverläffig nachweifen konnte. Das Privileg
Ludwigs des Frommen von 817 bringt eine ausführliche
Beftätigung der päpftlichen Befitzungen und ift vollkom-

fein Gewiffen fich dadurch nicht befchwert fühlte?
Giefsen. G. Krüger.