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Ausgabe:

1898 Nr. 3

Spalte:

81-84

Autor/Hrsg.:

Moeller, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Lehrbuch der Kirchengeschichte. Erster Band. Die alte Kirche. 1. Abteilung. 2., neubearb. Aufl 1898

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 3.

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ftanden Seltener wird fchon im ,wiffenfchaftlichen' Theil, I ganz anders lieht es doch, wenn nicht der Autor als
z B S 237r,ff. auf ein für die praktifche Auslegung 1 folcher, fondern der Dienft, den er einft der Wiffenschaft
brauchbares' Moment gewiefen, häufiger im praktifchen j geleiftet hat, aufs Neue dargeboten werden foll. Und fo
Theil werthvolle Ergänzungen zu dem früheren geboten, | ift es bei jedem Lehrbuch, das Lehrbuch bleiben foll.
z B S c 11 f. der für Mt. 21,28ff. grundwichtige Gedanke i Ift es nicht unverkennbar, dafs es viel mehr das buchhändle-

rifche Intereffe als die Pietät für den erften Verfaffer ift, dadurch
in folchem Falle die Anlehnung an das ältere Buch
empfohlen wird? Drum ift da Neubearbeitung Pflicht, und

eingefchärft, dafs die 2 Söhne dort nicht die gefammte
Menfchheit zu umfaffen brauchen, und der factifche Un-
gehorfam des Einen nicht definitiv, wie der Gehorfam

des Anderen, fcheinbar Ungehorfamen, nicht unerfchütter- m. E. hat in diefem Falle nur eine folche Neubearbeitung
lieh zu fein braucht.

In diefen praktifchen Abfchnitten fehe ich den werth

Recht, bei welcher ganz allein der Bearbeiter die Verantwortung
trägt. Was von dem Bearbeiter beffer ge-

vollften Theil von St.'s Buch; er leitet da unter Heran- sagt werden kann als von dem erften Verfaffer, darf nicht
Ziehung hervorragender keinenfalls zu zahlreicher Pre- j flehen bleiben: es ehrt keinen Todten, wenn man auf ihn
diger wie Luther, W. Hoffmann, AI. Schweizer, Theremin, j zurückgreifen mufs, um Unebenheiten und Mängel in einer
aus denen er oft gröfsere Abfchnitte citirt, in würdiger fpäteren Bearbeitung feines Buches zu erklären. Eine
Weife an zur homiletifchen Ausnützung der parabolifchen j von buchhändlerifchem Intereffe gewünfehte Neubear-
Gedanken vor einer heutigen Gemeinde, fchlägt bisweilen I beitung eines älteren Buches darf fich ihrer Art nach
Thema und Dispofition einer Predigt vor und macht auf | von einem neuen, gleich abgezweckten Buche über den

naheliegende Abwege aufmerkfam. Auch wo ich mir
aus exegetifchen oder religiöfen Gründen das von St.
Gefagte nicht aneignen konnte, bin ich diefen feinen Ausfelben
Gegenftand m. E. nur dadurch unterfcheiden, dafs
fie berechtigt ift, in einer Weife, die fonft Plagiat wäre, die
ältere Arbeit fo viel fie will zu benutzen. Nur fo er-

führungen mit Genufs gefolgt, und die gefchmackvolle, leichtert die ältere Arbeit die neue; andernfalls eralles
Hafchen nach Geiftreichigkeit meidende, ftill an- fchwert fie fie — niemandem zu Lob und niemandem
regende Art, wie hier die Reichthümer der Gleichnifsreden zu Nutz. — Wenn dies richtig ift, fo wird man v. Schubert
Jefu für Prediger und Gemeinden bequem zugänglich bitten dürfen, fich mehr vor allzugrofser vermeintlicher
gemacht werden follen, hat etwas fo Gewinnendes, dafs Pietät als vor vermeintlicher Rückfichtslofigkeit zu hüten,
man fich im Grunde fcheut folch einer reifen Frucht Denn die Bearbeitung liegt bei ihm in guter Hand,
eines in treuer Arbeit verbrachten Lebens gegenüber Das zeigt fich zunächft darin, dafs, wie billig, die

überhaupt die Miene eines Richters anzunehmen. Fortfehritte der Forfchung in den letzten acht Jahren

Marburg Ad. Jülicher. berückfichtigt find Mir ift beirn Lefen kein einziges

& nennenswerthes Beifpiel für das Gegentheil aufgefallen,

| und v. Schubert's Stellungnahme zu den noch ftrittigen
Moeller. 7 Prof. Dr. Wilh., Lehrbuch der Kirchengeschichte. Fragen verdient das Lob zurückhaltender Behutfamkeit,
I. Bd. Die alte Kirche. 1. Abth. 2. Aufl., neubearbeitet das Harnack fchon der I.Auflage gefpendet hat. Dankens-
von Prof. Dr. Hans von Schubert. Freiburg iß., werther noch als diefe Ergänzungen, weil nicht fo felbft-

verftandheh, ift es, dafs v. Schubert im Einzelnen und
auch im Grofsen die Stoffanordnung zweckmäfsiger, über-
fichtlicher und der gefchichtlichen Verknüpfung der
Dinge entfprechender geftaltet hat. Einzelne fpröde

J. C. B. Mohr, 1897. (XII, 272 S. gr. 8.) M. 6.

Die erfte Auflage diefes Lehrbuchs ift von Harnack
in diefer Zeitung (1889, Sp. 644 ff.) fo anerkennend be

fprochen worden, dafs mir für die Neubearbeitung keine t Blöcke find freilich liegen geblieben: der Abfchnitt über
Steigerung der Anerkennung mehr übrig bliebe, wenn j die apoftolifchen Väter nimmt fich aus wie ein Kapitel
ich dasUrtheil Harnack's mir ganz anzueignen vermöchte. | einer Literaturgefchichte, und die 32 Seiten, die von
Doch wird es keine Pietätlofigkeit gegen den allfeitig j der Gnofis handeln, erinnern auch noch bei v. Schubert
hochgefchätzten verftorbenen Collegen fein, wenn ich die daran, dafs Moeller eine Kosmologie der Griechen ge-
Verbefferungsfähigkeit auch des erften Bandes der Moeller- { fchrieben hat. Allein unverkennbar hat doch das Moeller'
fchen Kirchengefchichte, die ich fchon bei Lebzeiten l fche Lehrbuch in v. Schubert's Bearbeitung an Lebendig-
Moeller's in der Befprechung des zweiten Bandes ange- keit, Verftändlichkeit und Gefchloffenheit gewonnen. Da
deutet habe (Jahrgang 1891, Sp. 45 diefer Zeitung), hier K. Müller's durch Sorgfalt und eindringende geiftige
ausdrücklicher ausfpreche, als Harnack's pietätvolle An- Verarbeitung des Stoffes ausgezeichneter Grundrifs für
zeige es als berechtigt erfcheinen laffen könnte. Ohne die alte Kirchengefchichte mir zu knapp und zu fchwer
dies wäre v. Schubert's Arbeit gar nicht zu würdigen. J für die Studenten erfcheint, begrüfse ich den ,neuen
Denn v. Schubert hat die Herausgeber-Rolle (vgl. die 1 Moeller' mit dankbarer Freude. Freilich liegt noch nicht
,Anm. des Herausgebers' S. 7), in der er die neue Auf- einmal die Hälfte des Ganzen vor: die erfchienene erfte
läge zu drucken begann, nicht feilzuhalten vermocht. Abtheilung bricht bei den römifchen Monarchianern
Nur die erften 4—5 Bogen bieten wefentlich Moeller'fchen j (1. Aufl. S. 238, Z. 16 v. u.) mitten in einem Worte ab;
Text. Von da ab hat v. Schubert fich in wachfendem | doch ift, was vorliegt, ein Specimen und ein Angeld des
Maafse freier zu der erften Auflage geftellt; die letzten j neuen Ganzen. Möge die zweite Abtheilung, die nach
hundert Seiten fchon diefer erften Abtheilung find trotz der Vorrede noch im Jahre 1897 folgen follte, nicht allzu

der gefliffentlichen und umfaffenden Verwerthung Moeller'

lange auf fich warten laffen!

fchen Materials und Moeller'fcher Sätze wefentlich Die dankbare Anerkennung, mit welcher der neue

v. Schubert's Eigenthum. Ich kann diefe freier gewordene | Moeller zu begrüfsen ift, fchliefst nicht aus, dafs das
Art der Neubearbeitung nur billigen. Wer fich die Mühe ! Buch, auch abgesehen von den Abfchnitten über die
macht, die erften 60 Seiten der neuen Auflage mit der 1 apoftolifchen Väter und über die Gnofis, für Defiderien
erften Auflage zu vergleichen, mufs anerkennen, dafs die Raum läfst. Ich vermiffe z. B. eine ausdrückliche Be-
auf diefen erften 60 Seiten befolgte Methode der Ver- j handlung der Stellung Roms im zweiten Jahrhundert; ich
befferung (durch Aenderungen im Satzbau, durch Um- empfinde die Einreihung der Doketen und der Enkratiten
Heilungen, durch Mehrung der Abfätze und Anwendung j in das Capitel über die Gnofis als einen Hinweis darauf,
von Fettdruck, endlich durch kleine Einfügungen) nichts dafs trotz desAbfatzes über die Disciplin auf S. 133 und
andres ift als eine unberechtigte und relativ unfruchtbare der allgemeinen Bemerkungen über die Chriftologie auf
Quälerei für den ,Herausgeber'. Einem Standard-work S. 129 die Gefichtspunkte zu kurz gekommen find, die
wie Mommsen's Römifcher Gefchichte gegenüber würde es 1 eine richtigere Unterbringung beider zur Folge gehabt
Unrecht fein, wenn ein fpäterer Herausgeber Mommsen's , hätten; ich kann mich endlich des Eindrucks nicht erText
irgendwo für den Lefer unerkennbar machte. Allein ; wehren, dafs der dogmengefchichtliche Stoff vielfach