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Ausgabe:

1898 Nr. 3

Spalte:

78-81

Autor/Hrsg.:

Stockmeyer, Immanuel

Titel/Untertitel:

Exegetische und praktische Erklärung ausgewählter Gleichnisse Jesu 1898

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 3.

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Richter aus und behandelt erft danach die des göttlichen Stockmeyer, weil. Antiftes Prof. Dr. Immanuel, Exegetische

Richters, da diefe erft durch jene ihre rechte Beleuchtung
empfängt. In dem Gefetze Israels, fo führt er aus, und
zwar fowohl in deffen ältefter Sammlung, dem Bundesbuche
(Ex. 23 g—9), als auch im Deuteronomium (Dt. iöis. 20,
cf. 1 iiif.) und im Prieftercodex (Lev. 1915) ift es die Idee

und praktische Erklärung ausgewählter Gleichnisse Jesu.

Vorlefungen. Hrsg. v. Ffr. Karl Stockmeyer. Basel,
R. Reich, 1897. (X, 537 S. gr. 8.).
Der vorliegende ftattliche Band enthält ein Opus

der Vergeltung die den Begriff der Gerechtigkeit des postlummm des vor 3 Jahren verdorbenen Bafeler Antiftes
Richters beftimmt. ,Der Freizufprechende ift der Gerechte,
der Zuverurteilende der Gottlofe' (S. 9). Anders dagegen
in der Prophetie und Pfalmdichtung, wo diefe fich mit
dem Königtume in Israel befchäftigen. Hier geht die Gerechtigkeit
', die fo häufig bei dem derzeitigen Könige
vermifst und dafür von dem endzeitlichen in um fo
reicherem Mafse erwartet wurde, darin auf, dafs diefer
fich des Armen und Schutzlofen annimmt und ihn gegen
feinen Bedrücker befchützt (Jes. iisff.; 165; Jer. 23513
Sach. 99; Ps. 72 u. a.), und was hier vom Könige aus-
gefagt wird, das gilt im Hiob- und Spruchbuche allgemein
von jedem Gerechten. Das gerechte Handeln wird hier
alfo nicht für den Schuldlofen, fondern für den Elenden
und Bedürftigen in Anfpruch genommen, ,obwohl natür

und Theologie - Profeffors J. Stockmeyer und zwar wie
die 1895 erfchienene Homiletik einen Abdruck feiner Vor-
lefungshefte. Einige Mängel des Buches werden durch
diefe Entftehungsweife entfchuldigt. Die fehr zahlreichen
Druckfehler, von denen nur die Zahlen beinahe frei zu
fein fcheinen, befchränken fich doch nicht blofs auf
griechifche Wörter und Interpunktionszeichen; einzelne
darunter find ftörend wie S. 17 ,des Infinitivum absoln/iiiu',
S. 15i,g, zu'ftatt ,zwifchen', S. 392,26,Knechte' ftatt,Rechte':
öfters haben wir es da wohl mit einem Lefefehler des
Herausgebers zu thun, wie 233,1 ,der jth]Qcöv rov vofiov'
ftatt xhv vöpov. Dafür, dafs ein hebräifches Wort immer
mit lateinifchen Typen Rea wiedergegeben wird, dürfte
die Druckerei allein die Verantwortung tragen, und ein-

lich vorausgefetzt ift, dafs ihre Sache eine gerechte ist' | zelne Steifheiten des Ausdrucks, z. B. Precaution S. 239
(S. 11 f.). Die Idee der Vergeltung findet hier keine Be- j oder S. 399 Anm.: ,Wir müffen können den uns liebften
rückfichtigung; der Gerechte wird nicht belohnt, der j Menfchen fo wehe thun' wären von dem Verfaffer, der
Gottlofe nicht beftraft, fondern nur der Bedrängte von j fonft fehr klar und frifch fchreibt, wohl beim Druck entfeinem
Bedränger erlöft. Der Begriff der Gerechtigkeit j fernt worden, die häfsliche Wörtlichkeit der Ueberfetzungen
geht fomit in den der Barmherzigkeit über. So ift er ! wie S. 467,2: ,Herbeigekommen aber die erften meinten
fchliefslich auch da angewendet worden, wo nicht zwei
ftreitende Parteien waren, fondern es fich nur darum
handelte, einem Bedrängten zu helfen. Zwifchen Gerechtigkeit
und Güte, Gnade, Herablaffung ift dann kaum

beruht allerdings auf Äblicht, war aber eine Zeit lang Mode.
Eine Anzahl in dem Collegheft vielleicht fogar unentbehrlicher
Wiederholungen ift flehen geblieben; ein Stück
auf S. 7 f. z. B. begegnet S. 242 aufs Neue, vgl. S. 223,28fr.
noch eine Grenze wahrzunehmen. mit 227,1fr. Den Satz auf S. 6 hat ja gewifs nur ein Ver-

Wie bei den Menfchen, fo kennt nun das Alte Tefta- [ fehen des Herausgebers im Buche belaffen: ,Ich gedenke
ment auch bei Gott nach D. eine zwiefache Gerechtig- j zunächft die beiden Gruppen zu behandeln ... Matth. 13

keit, eine vergeltende, kraft deren er dem Schuldigen
feine That auf's Haupt giebt und den Gerechten rechtfertigt
(1 Kg. 832; Ps. 7; Jes. 51c 1O22), und eine rettende
und erlöfende. Die letztere wird namentlich bei Deutero-
jefaia in den Vordergrund geftellt und hat als ihr Object

und Luc. 15. Bleibt uns dann noch Zeit, fo foll die
weitere Auswahl zum Ausgangspunkte nehmen teils die
praktifche Wichtigkeit, die allgemeine Beliebtheit eines
Gleichniffes, teils aber die Schwierigkeit der Auslegung'
— höchitens im Vorwort hätte von dem Inhalt diefes Satzes

zumeift Gottes Volk, die Frommen als feine befonderen Gebrauch gemacht werden follen. Nun hat laut V.
Schützlinge, ja theilweife fogar die ganze Erde (Dtjes. 490; der Sohn ,in den exegetifchen Parthien hin- und wieder
4521). Mit der Behauptung der erfteren tritt Dalman Stellen geftrichen, die ihm vorwiegend für Studirende be-
Ritfchl entgegen, der geleugnet hatte, dafs die göttliche rechnet oder fonft entbehrlich fchienen'. Ich glaube, er hätte
Vergeltung jemals in den älteren Büchern des Alten j die beiden Gleichnifse Matth. i8,2iff. und 21,33fr. nicht weg-
TeftamentsaufGottesGerechtigkeitzurückgeführtwerde.— 1 zulaffen brauchen, wenn er in jener Art von Streichungen
Der Umftand, dafs fchliefslich an '2 die Bedeutung Milde confequenter verfahren wäre; für Ausführungen wieS. 238
hängen geblieben ift, während im Rechtsleben die ver- bei Luc. 10,34 über die Reihe der Bedeutungen von xxTjVoz
geltende Gerechtigkeit allein das Feld behauptet hat, j oder S. 391 über die Anwendbarkeit eines deutfchen
erklärt D. zum einen Teil aus dem Einfluffe des Ära- ,fondern' für uXXä Luc. 17,8 werden fich wenige Lefer
mäifchen, das ein Wort '2 in der Bedeutung Milde gehabt ! intereffiren; und wer bedarf einer Begründung für das
haben müffe, — zum andern aus der zunehmenden Aus- feltene Eintreten des 27. Trinitatis-Sonntags (S. 537)?
bildung des Rechts in Israel und einer dadurch bedingten j Was wir jetzt empfangen, ift aufser einer kurzen Einlei-
Verftärkung der formaliftifchen Auffaffung von der Rechts- ; tung über die verfchiedenen Arten von xaQaßolai in den
praxis. Als Zeitpunkt des Bedeutungswandels von '2 Evangelien und über das Verhältnifs von wiffenfchaftlicher

nimmt er + 200 v. Ghr. an.-- j und praktifcher Auslegung der Gleichnifse Jefu — der

Zwei Punkte fpringen fofort in die Augen, wo Dal- Abfchnitt über den Zweck diefer Gleichnifse S. 15—26
man's Aufftellungen anfechtbar find. Der eine ift der hätte beffer hier ftatt mitten in der Behandlung der Säe-
Dualismus, den er in dem Begriffe der '2 von vorn herein mannsparabel feinen Platz gefunden — in 14 Abfchnitten
annimmt und deffen Entftehung er mit keinem Worte 1 die Erklärung von 26 ausgewählten Gleichnifsen; wenn
erklärt, und der andere die von ihm beliebte Scheidung auf Vollftändigkeit verzichtet werden mufste, konnte die
zwifchen Gefetz und Prophetie. Eine fo principielle j Auswahl nicht glücklicher getroffen werden; Mc. 4,28—29
Trennung der Thora von den Prophetenfchriften, wie fieD. ift darunter, 10 (refp. Ii) blofs lucanifche. St. will mit
durchführt, fcheint mir durch Nichts gerechtfertigt; eine i feiner Arbeit in erfter Linie dem Homileten (bezw. Kateausführlichere
Begründung derfelben wäre zum minderten cheten) dienen, aber nur auf dem Grunde einer ge-
am Platze gewefen. Ueberhaupt ift zu bedauern, dafs fich . diegenen wiffenfchaftlichen Exegefe fcheint ihm eine
D. bei feinen Ausführungen auf den engen Raum von ! praktifche Auslegung möglich. Hoffentlich trägt fein
18 Seiten befchränkt hat, die, fo gehaltreich fie auch find, ■ Buch dazu bei, diefe Ueberzeugung in den Kreifen der
doch nicht genügen, das Thema ganz zu erfchöpfen. Lefer zu befeftigen.

Der Begriff CEO* z. B. ift ganz bei Seite gelaffen. Doch j Wir wünfchen ihm folche aufrichtig; denn im Ganzen
foll das nicht hindern, das Gebotene dankbar anzuerkennen : macht das Werk, wie der dahinter flehende Verfaffer mit
und das Schriftchen weiteren Kreifen, namentlich auch feiner nüchternen, ernften, wahrhaftigen und warmen Art
Neuteftamentlern, zu empfehlen. einen recht fympathifchen Eindruck. Allerdings hätte es

Marburg. R. Kraetzschmar. eigentlich 20 oder 25 Jahre früher veröffentlicht werden