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Ausgabe:

1898 Nr. 3

Spalte:

70-73

Autor/Hrsg.:

Gerber, W. J.

Titel/Untertitel:

Die hebräischen Verba denominativa 1898

Rezensent:

Philippi, Fr.

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 3.

70

gebnifse diefer vermeintlichen Unterfuchung nichts weiter
fein können, als der deutlicher entfaltete Inhalt der
religiöfen Ueberzeugung, alfo fchliefslich des religiöfen
Erlebnifses. So wird hier der Unterfchied mifsachtet,
ohne den fich niemand in den menfchlichen Dingen
zurechtfinden wird, nämlich der zwifchen dem nachweisbar
Wirklichen und dem nur Erlebbaren, der Welt
der perfönlichen Ueberzeugung. Von Keinem mehr als
von dem Hiftoriker mufs man diefe Einficht verlangen.
Die modernen Hiftoriker in der Theologie, die fich felbft
mit ihrer Wiffenfchaft fo gefährlich vorkommen, müfsten
doch vor Allem einen klaren Begriff von Wiffenfchaft
befitzen. Wenn fie, wie B. nach dem Vorgang von !
Lagarde und Duhm, es wagen, die Grenzen der
Wiffenfchaft fo zu erweitern, dafs fie ihr das Unfafsbare
als Object zuweifen, fo follte ihnen nichts nothwendiger
erfcheinen als eine ernfte Auseinanderfetzung mit Kant.
Dazu aber kommt es bei ihnen nicht. Denn fie pflegen
fchon über die Kinderfragen zu ftolpern, z. B. wie man fich j
Goethe'fches Naturgefühl bewahren könne, wenn Kant's
transcendentale Aefthetik im Recht fei.

Noch weniger als mit B.'s Wiffenfchaftslehre kann
ich mich mit feinem Begriff von der Kirche befreunden.
Nach feiner Meinung gehört die Kirche nicht zur Exiftenz j
der chriftlichen Religion felbft. Sie fei mit ihrem Ziel
einer äufseren Beherrfchung der Welt wefentlich katho-
lifch. Im Chriftenthum müffe man nicht Kirche und |
Recht gegenüberftellen, fondern Religion und Kirche.
Uns Dogmatiker weift er diefer Kirche als Diener zu.
Wir follen uns gegen die frei forfchende Wiffenfchaft
fo weit abfperren, dafs wir für die Exiftenz der Kirche |
Raum fchaffen, und von den Ergebnifsen der Wiffenfchaft
fo viel aufnehmen, als für die Kirche verwendbar 1
ift. Die meiften meiner Kollegen werden mit mir erklären
, dafs wir einer folchen Kirche nicht dienen, fondern
fie ruiniren wollen. Denn eine Kirche, die nicht
aus der Religion flammt und die Wiffenfchaft nicht verträgt
, ift für uns ,der alt böfe Feind'. Die Kirche, der
wir dienen wollen, fehlt nie und nirgends wo chriftlicher
Glaube ift. Ihr Anfang ift in dem Glauben jedes einzelnen
Chriften infofern vorhanden, als in ihm die dankbare
und fehnfüchtige Erinnerung an Jünger Jefu und das Verlangen
lebt, überall wo folche fich finden, Gemeinfchaft
anzuknüpfen. Sie ift als eine wunderbare Macht vorhanden
, wo fich eine Anzahl Jünger in dem Bewufstfein
des gleichen religiöfen Erlebnifses zufammengefunden
haben. Diefe coiitmunio sanetorutn, die den Sinnen verborgen
, aber dem Glauben offenbar ift, ift für uns die
Kirche im eigentlichen Sinne, ohne die wir als Chriften
nicht leben können. Auf diefe Kirche pafst das Alles |
nicht, was B. von der Kirche zu fagen weifs, der die j
.wiffenfehaftlichen Theologen' entfremdet feien. Denn
offenbar gehört zu ihr auch von diefen ein jeder, der
fich fagen kann, dafs in der geiftigen Welt, in die er
hineinwachfen möchte, nichts ihm fo wichtig ift, wie die I
Perfon Jefu. Nun wiffen wir freilich, dafs noch etwas
ganz Anderes Kirche genannt wird, nämlich der von
Menfchen bereitete Apparat zur Verbreitung des Evangeliums
von Chriftus und zur Förderung der Gemeinfchaft
des Glaubens. Aber alle diefe Dinge follen be-
ltändig normirt werden durch ihren Urfprung aus der
freien Ueberzeugung des Glaubens. Dann mufs alles,
was der Verbreitung des Evangeliums dient, von den
höchften Spitzen der Theologie bis zum Volksunterricht
von dem Vertrauen auf die widerftandslofe geiftige Macht
der Perfon Jefu öurchftrömt fein. Dann müffen aber
die niederen Stufen des Unterrichts, wo die Ausdrucksformen
durch die Gewohnheit benimmt, und nach dem
Faffungsvermögen abgemeffen find, in geiftiger Verbindung
ftehen mit einer Theologie, die an keinem Punkte,
auch bei der Perfon Jefu nicht, die methodifche Forfchung
nach der Wahrheit um des Glaubens willen einfehränkt,
fondern im Gegentheil unabläffig eine folche F'orfchung an- j

regt. Sobald im kirchlichen Intereffe die Theologie gebundenwird
, ift dieKirche nicht mehr im Stande, im Glauben
alfo in Gottes Offenbarung ihren Urfprung zu finden.
Sie wird dann Menfchenwerk, alfo katholifche Kirche.
Auf den Fufs eines folchen Gebildes, einer ftrammen Be-
kenntnifskirche, die durch ihre Gewaltacte den Welt-
menfehen imponiren kann, möchte B. die evangelifche
Kirche gebracht fehen. Grob ausgedrückt lautet fein
Vorfchlag: die Kirche den Pfaffen, daneben eine, , wiffen -
fchaftliche' Theologie, deren Vertreter für fich die Kirche
nicht brauchen, aber den Pfaffen freundlich gefinnt find
und der kirchlichen Bearbeitung des Volkes nichts in
den Weg legen wollen. Man wird dabei an Erasmus
erinnert. Es klingt nach einem Humanismus, dem rö-
mifches Kirchenwefen, wenn es nicht gar zu barbarifch
ift, grade recht ift, weil es ihm die Ruhe feiner Studir-
ftube zu fichern fcheint.

Mein lebhafter Widerfpruch möge dem Verf. bezeugen
, dafs fein Buch mich kräftig angeregt hat. Wir
müffen ihm dankbar fein, dafs er ein Problem, das
fchon zu lange in Ruhe war und uns im Stillen quält,
wieder in Bewegung gebracht hat. Jeder, der das Buch
lieft, wird den Eindruck empfangen, dafs wir viel von
dem Verf. zu erwarten haben, wenn er die grofse Sache
im Auge behält und fich die Möglichkeit fchafft, fie in
dem richtigen Umfange zu behandeln, in einer gründlichen
erkenntnifskritifchen Unterfuchung.

Marburg. W. Herrmann.

Gerber, Prof. D. W. J., Die hebräischen Verba denomina-
tiva insbefondere im theologifchen Sprachgebrauch
des Alten Teftamentes. Eine lexikographifche Studie
. Gedruckt mit Unterftützung der Gesellfchaft
zur Förderung deutfeher Wiffenschaft, Kunft und
Litteratur in Böhmen. Leipzig, Hinrichs, 1896. (IV,
250 S. gr. 8.) M. 7. 50

Ueber die Grundbedeutungen refp. die Grundformen
der hier behandelten Wörter giebt dies Buch kaum neue
Auffchlüffe. In Anfetzung derfelben beruft fich der Verf.
meift auf irgend eine Autorität. Bisweilen nennt er übrigens
keinen Namen, obwohl ein folcher exiftirt. So z. B.
nicht bei bm (p. 178), deffen eigentliche Grundform
nach Bahrt, dem fich Buhl anfchliefst Jje^ wäre. Auch
in der häufigen Aenderung der Lesart einer Stelle ift er
nur feiten felbftftändig (fo z. B. p. 184 Anm. **) und folgt
zumeift einer anderen Autorität. Das Alles bezieht fich
aber nicht auf die Hauptfache des Buches, das den deno-
minativen Charakter der vorgeführten Verba erweifen
will. Das ift eine dankenswerthe Aufgabe, die der Verf.
auch zum Theil gelöft hat. Den denom. Charakter hat
er meines Erachtens erwiefen bei den Verbis: jnn im
Hitpa. (p. 51), -rji im Hitpa. (p. 52), DD: im Hitpa (ib.)
etc., nbn Kai u. Pi. (p. 69) etc., D:J in Kai, Niph., Pi.,
Pu. (p. 191) etc., oder doch fehr wahrfcheinlich gemacht
bei den Verbis: in Kai (p. 17), m« in Niph. (p. 21),
Tjy in Pi. (p. 31), yitj in Pi. (p. 33), bm in Kai. u. Niph.
(P- 53)> '5Dn ebenfo ib. etc. Auch was er über die in-
trans. Hiph. vorbringt, ift fehr beachtenswerth. Die
Grundbedeutung des Hiph. ift ja caufativ. Die intrans.
Hiph. find nur innere Causative d.h. machen, bewirken
ein Adject. oder Subftant, das fich aus dem Grundbegriff
eines Wortes herausgebildet hat. Dahin gehören z. B.

a*vm (p. 36), yiDxn ib., -Fa>n (P. 37). -vam von nnST5{
aus ib., -ii»yn (p. 44), svpnn (p. 47), b-oirn (ib.), z-z-c-

(p. 49) etc., "fifJrl Hiph. und darnach auch Niph. (p. 107)
etc., "pabn Hiph. und darnach auch Hitp. (p. 145) etc.,
•plfi nur im Hiph. vgl. J>| im Sinne von klar fein,'
kaum aber in Kai, Niph., Pi. u. Hitp. (p. 231) etc. D*HÄrl
heifst demnach Rothe annehmen, alfo ift hier wie in
dem als Parallele längft hergezogenen robur facere ein
Subftantiv als Object des Bewirkens gedacht etc.

*