Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1898 Nr. 2

Spalte:

57-58

Autor/Hrsg.:

Jalaguier, P. F.

Titel/Untertitel:

Introduction à la dogmatique 1898

Rezensent:

Lobstein, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

57

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 2.

58

den Socinianern berührt, aber auf einem völlig andern leitung in die Dogmatik der Oeffentlichkeit übergeben
Boden als jene geflanden haben dürfte, nämlich dem der werden, findet feine hinreichende Erklärung nicht in dem

theofophifchen Myftik. Wenn Ritfehl a. a. O. das Hohn
fteinifche Gefangbuch von Dippel beeinflufst fein läfst,
fo wird fich die Sache nach Meyer's Darfteilung etwas
anders verhalten. Dippel und Damius waren beide von

inneren Werthe des hier dargebotenen Werkes. Selbft
die begeiftertften Schüler Jalaguier's müffen zugeben, dafs
der von ihnen hochgefchätzte Lehrer fich niemals durch
Originalität der Gedanken ausgezeichnet hat. Sein breit

Huthmann's Focdus Novutn 1696 beherrfcht, während der j angelegtes, fehr weitläufiges Buch ift eine geiftvolle, durch
Verfaffer des ,Apoftolifchen Wegweifers zur wahren Ge- , den Hauch religiöfer Wärme getragene, aber ganz in dem
rechtigkeit Gottes im Wefen des neuen Geiftes' (1700), j Geleife der Tradition fich bewegende Apologie der land-
der fich Democritus Christianus nennt, offenbar unter [ läufigen Orthodoxie; der Verfaffer ift durch keinerlei
Einwirkung des Christianus Democritus, d. h. Dippel's, j Kritik angekränkelt und bleibt vor dem fchädlichen Ein-
ftand. Unter dem Pfeudonym des Democritus Christianus i flufs der von ihm befonders perhorrescirten deutfehen
aber verbirgt fich nach Meyer der Ofteroder General- 1 Theologie durch Unkenntnifs der deutfehen Sprache ge-
fuoerintendent Knorn fchützt; feine Ausführungen über Religion und Offen

e . .... « i -i t.t ___<•_..»_ ____r.:- .:i___j:_ a ..4.1___4.:~ j:_ i_r_:___ ____1 j-_ a

Von einer wichtigen Arbeit Kayfer's, welche für
einen Theil Niederfachfens einen ähnlichen Werth haben
dürfte, wie die Konftanzer Steuerbücher für das Bisthum
Konftanz, erhalten wir erft die Einleitung mit wichtigen
Vorfragen. Es ift die Arbeit über das ,Registrum sub-
sidii ex praeposituris Nörten et Einbeck1, das hoffentlich
der nächfte Band in feinem Wortlaut und mit den nö-
thigen Erläuterungen giebt. Allerdings flammt diefes
Steuerbuch erft aus dem Jahr 1519 und giebt die Beiträge
der Gemeinden zu den Kotten der Wahl Karl's V., während
die Konftanzer Steuerbücher fchon 1275 beginnen. Aber
jenes ift auf ältere Steuerregifter gegründet, und in feiner

barung, über die Authentie, die Infpiration und das An-
fehen der heiligen Schrift folgen durchaus der Spur des
Intellectualismus der alten Schulen. Dem Lefer drängt
fich daher die Frage auf, ob es fich lohnte, die vergilbten
Papiere des längft verftorbenen Profeffors zu exhumiren
und ans Licht zu fördern. Aus der fehr intereffanten
Einleitung, in welcher Pfarrer Decoppet ein überaus anziehendes
Charakterbild feines ehemaligen Lehrers fchil-
dert, ergiebt fich, dafs durch die Veröffentlichung der
prächtig ausgeftatteten Jntroduction a la dogtnatique1 dem
Andenken des geliebten und verehrten Lehrers ein bleibendes
Denkmal gefetzt werden follte. Frägt man aber

Vorlage von dem erzbifchöflichem Commiffär Joh. Bruns 1 weiter, warum die Treue und Ergebenheit der Jünger

felbft angelegt. Jetzt lernt man die kirchliche Einthei- fo lange gewartet hat, um dem Verftorbenen den fchul-

lung jenes nördlichften, fchon von Karl dem Grofsen i digen Tribut dankbarer Anerkennung zu bezahlen, fo

chriftianifirten Bruchftücks der Erzdiöcefe Mainz, das : ftöfst man auf ein andres Motiv, das zum erften hineigenartig
in die unter Karl gegründeten Bisthümer Niederfachfens
eingefprengt ift, mit feinem Apparat von
Pfarreien, Vicariaten, Commenden, den Kirchenheiligen,
den Stiftern, den Pfründen und ihren Inhabern, wie ihre
Steuerkraft kennen. Sehr wichtig ift, was Kayfer befonders
betont, dafs die Kirchen der Erzpriefter die äl-
teften Kirchen des Archidiaconats Nörten, das an Umfang

zugetreten ift und für die Veröffentlichung des Buches
den Ausfchlag gegeben hat. Wie in den fünfziger Jahren
Jalaguier mit Tapferkeit und Gefchick gegen die von Co-
lani und Scherer vertretene moderne Theologie gekämpft
hatte, fo wird nun auch fein Schatten heraufbefchworen,
damit er als Schutzengel der Ueberlieferung gegen die
Heterodoxie der befonders in der Parifer theologifchen

dem Bisthum Paderborn ziemlich gleichkommt, und im . Facultät verkörperten ,Nouvelle ecolc' feine ehemals mit
elften Jahrhundert fchon Synodalkirchen find, fowie dafs Virtuofität und Pathos übernommene Rolle weiterführe:
diefe Kirchen alle dem fränkifchen Nationalheiligen J es gilt die Gemüther zu beruhigen und den wachfenden
Martin geweiht find, woraus Kayfer mit Recht auf ein Einflufs des fideisme, des symbolisme critique, des evolu-

hohes Älter und auf Errichtung von gleicher Stelle und
zu gleicher Zeit fchliefst. Kayfer berührt fich hier mit
den Anfchauungen des Ref. über die Miffion der Franken
könige in Schwaben. Vgl. die Anfänge des Chriftenthums

tionisme religieux zu brechen. Es ift indeffen zu erwarten
, dafs die Abfichten und Hoffnungen der Herausgeber
durch den thatfächlichen Erfolg getäufcht werden.
Ohne der Pietät, die fie dem würdigen Manne erweifen,

in Württemberg und Württb. Kirchengefchichte (Stutt- i zu nahe treten zu wollen, werden wir fagen müffen, dafs
gart u. Calw, 1893) S. 16. Den Schlufs des Bandes bilden ; Jalaguier's bereits vor 50 Jahren beinahe völlig antiq'uirtes
Analecten und Miscellen, unter denen die römifchen 1 Werk nicht geeignet ift, irgendwie in die gegenwärtig
Berichte über die evangelifche Bewegung im Jahre 1542 ■ zur Discuffion flehenden Fragen einzugreifen. Eine
und 1543 aus Acten des Vaticanifchen Archivs und die 1 Theologie, die zwar Schleiermacher's Namen im Munde
ungedruckten Briefe aus der Reformationszeit von Corvin, j führt, für welche derfelbe aber fo gut wie nicht exiftirt
Mörlin und A. und befonders der Melanchthon's vom 1 hat, eine Theologie, die das Autoritätsprincip in einer
25. April 1547, dem Tag nach der Schlacht auf der der evangelifchen Glaubenspofition durchaus widerfpre-
Lochauer Heide, welche beide Stücke Kayfer zu ver- chenden Weife aufftellt und zur Anwendung bringt, —
danken find, und die Beiträge zur Biographie des Ant. welche in voller Unbefangenheit h. Schrift und Offen-
Corvinus von Tfchackert hervorragen. Jene Beiträge 1 barung identificirt und zwifchen dem evangelifchen Heils-
möchte Ref. gerne als Angeld für eine neue Biographie | glauben und dem P'ürwahrhalten der biblifchen Berichte
des Corvinus betrachten, die nicht minder Bedürfnifs ift, 1 keinen principiellen Unterfchied ftatuirt,—eine Theologie,
wie die Sutel's. die fchliefslich die Schwierigkeiten durch Bangemachen aus
Nabern G. Boffert. der Weltvzu fchaffen fucht, und in letzter Inftanz zur
___._____1_ 1 Frage: ,ou cela nous menerait-ilr ou irions-nous F ihre Zuflucht
nimmt, — eine folche Theologie ift den Aufgaben
der Gegenwart nicht gewachfen, und verdiente es nicht,
aus der Grabesruhe, in welcher fie feit einigen Decennien
fchlummerte, geweckt zu werden. Wir hoffen daher, dafs
man von einer Fortfetzung der Veröffentlichung der Dog-

Jalaguier, P. F., Introduction ä la dogmatique. Publide par
Paul Jalaguier. Avec une PreTace de M. le Pasteur
A. Decoppet. (Oeuvres posthumes de P. F. J.) Paris,
Fischbacher, 1897. (XXIII, 673 S. 8.) Fr. 10.—

Das Werk das ich hier zur Anzeige bringe, ift ein matik von Jalaguier Abftand nehmen wird: diefe Ver
opus posthumum. P. F. Jalaguier, i795 in Südfrankreich I offentlichung gereicht zwar der Dankbarkeit und der
geboren, war zuerft 14 Jahre Pfarrer in Sancerre und , Pietät der Herausgeber zur Ehre fie vermag aber weder
wirkte dann von 1834 bis zu feinem 1864 erfolgten Tode ; dem wüfenfehafthehen Ruhme des Verfaffers zu dienen

als Profeffor der Dogmatik an der theologifchen Facultät
zu Montauban. Der Umftand, dafs 33 Jahre nach dem
Hinfeheiden Jalaguier's, die Hefte deffelben über die Ein-

noch den Bedürfnifsen und Pflichten der Theologie und
der Kirche unferer Tage irgendwie zu genügen.
Strafsburg i. E. P. Lobftein.