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Ausgabe:

1898

Spalte:

667-668

Autor/Hrsg.:

Fauth, Franz

Titel/Untertitel:

Das Gedächtnis 1898

Rezensent:

Knoke, Karl

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Seite 1

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667

668

Um fie richtig zu verftehen, mufs man fich ftets vergegen- j dritten Abfchnitte S. 25—49 über ,das Gedächtnifs des

wärtigen, dafs wir es nicht mit eigentlichen Cultusreden ! Bewufstfeins'. In diefem dritten Abfchnitte verdienen

zu thun haben. Der Verf. wendet fich an die Zweifelnden j befondere Beachtung die Ausführungen S. 46—49 über

und Suchenden unter den Gebildeten und verfucht es, i ,die Sprache und das Gedächtnifs', weil fie pfychologifche

ihre Vorurtheile zu zerftreuen, ihren Einwürfen zu be- | Thatfachen erwähnen, welche bei der Pädagogik im all-

gegnen, ihre oft ebenfo unklaren als dreiften Anfprüche i gemeinen viel zu wenig beachtet zu werden pflegen. —

zu entkräften; er unternimmt es zu zeigen, dafs keine Im Anfchlufs an diefe drei erften Hauptabfchnitte, welche

Nöthigung zum Aufgeben der religiöfen Weltanfchauung die phyfiologifch - pfychologifche Grundlage des Ganzen

aus wirklicher Wiffenfchaft folgen kann (cf. bef. VII), dafs bilden und von denen der Verf. fagt, es werde nicht

das Wefen des Evangeliums nicht mit dem überlieferten
Dogma oder mit dem kirchlichen Inftitut fleht und fällt
(I—IV), dafs der Zug Gottes zu Chriftus auch in dem
allgemeinen Vernunftleben des Menfchen wirkfam und
nachweisbar ift (VI), dafs das Evangelium aber die
höchfle, in feinem innerften Wefen unüberfchreitbare Stufe
der religiöfen Entwickelung der Menfchheit darfteilt.— Zu
diefer apologetifchen Aufgabe ift der Lehrer der Parifer
Hochfchule in ausgezeichneter Weife befähigt. Seine
umfaffenden religionsgefchichtlichen Kenntnifse kommen
ihm dabei nicht weniger als feine pfychologifche Begabung

überall leicht fein, fich in fie einzuarbeiten, giebt er dann
im letzten Theile S. 50—88 feine Anflehten über die
,Verwerthung des Gedächtnifses in der Schule' wieder.
Hier merkt man überall den erfahrenen und befonnenen
Pädagogen, der uns den Ertrag feiner Beobachtungen
und erzieherifchen Beftrebungen in anfprechender und
überzeugender Darftellung vorführt. Dabei intereffieren
den aufserhalb der Gymnafialarbeit flehenden Pädagogen
namentlich auch die gelegentlichen Urtheile, welche der
Verf. über die neuen Lehrpläne ausfpricht. Er ftimmt
der Tendenz diefer Pläne in der Hauptfache zu, nament-

und fein religiöfes Verftändnifs zu gut. Nicht feiten er- j lieh auch nach der Seite hin, dafs der Umfang des
fahren feine Ausführungen durch vergleichende Heran- I blofsen Memorierftoffes in der Schule angemeffen ein-
ziehung hiftorifcher Thatfachen oder Gedanken eine oft j zufchränken fei. Er hat aber auch ein offenes Auge für
überrafchende, zuweilen überzeugende Beleuchtung, j die Mängel der fich daraus nur zu oft ergebenden Me-

Dogmatifch ängftliche oder befchränkte Lefer werden
durch folche Streifzüge auf dem Gebiete der aufser-
chriftlichen, aufserbiblichen Religionen vielleicht beunruhigt
werden; fie werden fich fragen, ob der absolute
Charakter der chriftlichen Religion durch den, allen
religiöfen Kundgebungen des menfehlichen Geiftes
laufchenden Redner nicht beeinträchtigt wird; fie werden
vor Allem in der überaus einfachen und verkürzten
Dogmatik desfelben manche Lehrftücke, auch manche
Schlagwörter vermifsen. Und doch wird es auch diefen

thode der blofs induetiven Behandlung der Unterrichts-
gegenftände. ,Ich erwarte nicht zu viel von diefer Methode1
, fagt er S. 65 und bemerkt S. 62: ,Ich habe bei
den alten Lehrbüchern für die Grammatik (der lateinifchen
Sprache) entfehieden günftigere Refultate gefehn'. Was
das Letztere betrifft, fo haben wir an der Univerfität
nur zu oft aus unferem wiffenfehaftlichen Verkehre mit
den Studierenden Gelegenheit, die Richtigkeit diefer
Thatfache zu beftätigen; es fehlt der Mehrzahl der jetzt
vom Gymnafium abgehenden jungen Männer dasjenige

fchwer fein, fich der Wirkung des Buches zu entziehen, j pofitive Wiffen aus der Grammatik, welches fie zur
Reville gehört nicht zu denen, die — wie Luther fagt — I ficheren Beherrfchung der lateinifchen Sprache befähigt,
,Brei in den Mund nehmen und mum mum machen', aber j wie fie für die wiffenfehaftliche Benutzung der einfchläg-
die rückfichtslofe, jeder furchtfamen Accommodation ab- liehen Quellenfchriften erforderlich ift. Es wird Zeit,

holde Offenheit feiner Sprache ift in die religiöfe Wärme
einer tief innerlichen Perfönlichkeit eingetaucht, fo dafs
der theologifch vielleicht Widerftrebende schliefslich doch
immer wieder religiös verföhnt und pofitiv erbaut wird.
In diefer Beziehung dürfte z. B. die vierte Rede typifch
fein: Le Chriß qui demeure et /es Chrißs qui passent;
hier geht die Kühnheit des Gedankens mit der Kraft
und Tiefe der Empfindung Hand in Hand, und ich
müfste den Lefer bedauern, deffen dogmatifche Bedenken
nicht durch das grofsartige ergreifende religiöfe Schlufs-
bekenntnifs zum Schweigen gebracht würden. — Die
Schrift fei auch den deutfehen Lefern aufs Wärmfte
empfohlen.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Fauth, Prof. Franz, Das Gedächtnis. (Sammlung von
Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagogifchen
Psychologie und Phyfiologie, herausgegeben von
H. Schiller und Th. Ziehen. L Band. 5. Heft.) Berlin,
Reuther & Reichard, 1898. (IV, 88 S. gr. 8.) M. 1.80.

Der Verf. hat fich bereits im Jahre 1888 durch eine
fehr beachtenswerthe Arbeit über das Gedächtnifs in
denjenigen Kreifen vortheilhaft eingeführt, welche fich
mit den Fragen der pädagogifchen Pfychologie eingehender
befchäftigen. Den Standpunkt Lotze's, den er
in den entfeheidenden metaphyfifchen und pfychologifchen
Fragen in jener Schrift vertrat, hat er auch in diefer ! Köstlin, Frdr., Leitfaden zum Unterricht im Neuen Testament
vorliegenden neuen Arbeit feftgehalten. In ihr giebt er für höhere Schulen. 2. verbefferte Aufl. Freiburg i. B.,

dafs man fich am Gymnafium daran erinnert, dafs die
Vorbedingung für die Gewinnung eines eigenen wiffenfehaftlichen
Standpunktes, wie ihn die Univerfität geben
foll, der Befitz eines nicht geringen pofitiven Wiffens ift,
den das Gymnafium zu vermitteln hat. Diefen Befitz
kann fich der Schüler jedoch nicht erwerben, ohne dafs
er auch mit dem Gedächtnifsegeiftig zu arbeiten gelernthat.
F*auth giebt in feinem Buche vortreffliche Winke, wie
man den Schüler anleiten und anhalten mufs, um zu
diefem Erwerbe geiftiger Gedächtnifsarbeit zu gelangen.
Deswegen ift die Veröffentlichung desfelben mit be-
fonderer Freude zu begrüfsen, und es kann dies umfo
uneingefchränkter gefchehen, als der Verf. bei aller Be-
ftimmtheit, mit welcher er feine Meinung vertritt, fich
doch von apodictifchen Behauptungen fernhält. Er
fchliefst fein Buch mit folgendem Selbfturtheile: ,Eine
Löfung des Geheimnifses vom Gedächtnifs und eine
Univerfalmethode habe ich in der vorliegenden Arbeit
nicht geben können und wollen'. Ich meinerfeits möchte
fagen: das, was er gefagt hat, ift in jeder Beziehung
anregend, um den praktifchen Lehrer zu veranlaffen,
über feine Aufgabe hinfichtlich der Ausbildung des
Gedächtnifses feiner Schüler nachzudenken und ihm die
Wege zu zeigen, auf denen er zu einem felbftftändigen
Urtheile über diefe Materie gelangen kann.

Göttingen. K. Knoke.

zunächft einen Ueberblick, über den heutigen Stand der
FTage S. 2—15, wobei er fich namentlich mit den von
Th. Ziehen vertretenen Anflehten auseinanderfetzt. Sodann
fpricht er in einem zweiten Abfchnitte S. 16—25
über ,das unbewufst wirkende Gedächtnifs' und in einem

J. C. B. Mohr, 1897. (VIII, 134 S. gr. 8.)

M. 2.—; geb. M. 2.50.

In zweiter, verbeffertcr Auflage liegt diefer Leitfaden
zum Unterrichte im Neuen Teftamente für höhere Schulen