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Ausgabe:

1898 Nr. 25

Spalte:

652-657

Autor/Hrsg.:

Faye, Eugène de

Titel/Untertitel:

Clement d‘Alexandrie 1898

Rezensent:

Wendland, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 25.

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Hat es der Herausgeber fo wenig gewagt, Dillmann
nach Dillmann zu corrigiren, fo ift nur natürlich, dafs
er ihn nicht leicht nach Andern corrigirt. Das heifst
nicht, dafs er nicht mit gröfster Gewiffenhaftigkeit die
feit der letzten Auflage erfchienenen Arbeiten Anderer,
felbft fofern fie von Dillmann's Anflehten abweichen, be-
rückfichtigt hätte. Es bezieht fleh lediglich auf die Form
der Einarbeitung, die grofsentheils eine äufserliche geblieben
ift, infofern er ihre Refultate gewöhnlich blofs
referirend in das gefchloffene Ganze Dillmann'fcher Darlegung
einfügt. Damit ift wohl die Einheit Dillmann'fcher
Anfchauung gewahrt, aber Manches fleht unausgeglichen
da. P 528 k z. B. handeln über die Speifegefetze. Ver-
fchiedene Anflehten, u. a. dafs durch fie gegen die
ägyptifche Thiervergötterung proteftirt und Israel von
den Heiden abgefondert werden follte, werden in dem
von Dillmann unverändert übernommenen Texte mit den
Worten abgethan: ,Das Alles bedarf keiner Widerlegung'.
Hintennach folgt, durch eckige Klammern kenntlich gemacht
, eine Weiterführung des behandelten Problems auf
Grund der Arbeiten von R. Smith, Smend und Marti,
worin wir den Satz lefen (und er giebt fleh diesmal nicht
als blofs die Meinung der Genannten ausdrückend): ,Vor
Allem aber liegt auch den Speifeverboten felber mehrfach
der Gegenfatz gegen fremden Cultus zu Grunde.'
Nach dem Gefagten ift nicht verwunderlich, dafs blofs
feiten eine gegentheilige Meinung bewufst gegen Dillmann
verfochten wird (fo z. B. über SSI Lev 517; vgl. auch zu 524).
Im Uebrigen hat Ryffel, abgefehen von vielen kleineren
Punkten, wo es in anonymer Weife gefchehen ift, felbft-
ftändig namentlich eingegriffen im Excurs über das
muthmafsliche Zeitalter des Auszugs der Israeliten aus
Aegypten (zu Ex is) und über die Lage der Städte
Pithom und Ramfes (zu In). In D'SSX (Ex I16), das er
D^SS vocalifiren will, fleht er, auf Plofs (das Weib 2II177 ff.)
fleh berufend ,die beiden Stützen von Ziegelfteinen, welche
bei femitifchen Völkerfchaften die Frauen beim Gebären
verwendeten'. Die Erklärung von t]'"i38 (Ex 2Iis) = Karft
vermag mich nicht zu überzeugen.

Je mehr fleh bei der grofsen Selbftbefchränkung, die
Ryffel fleh auferlegt hat, diefe neue Auflage an die letzte
anlehnt, um fo lieber verweife ich für das, was die eigentlich
Dillmann'fche Arbeit anbelangt, auf die Befprechung
Stade's in diefer Zeitung (1881, p. 369 — 371) zurück, der j
ich mich in allen wefentlichen Punkten anfchliefsen kann.
Wie unhaltbar Dillmann's Annahme der Priorität von E
vor J ift, ift mir wiederholt aus dem Commentare felbft
in auffallender Weife entgegengetreten, z. B., wenn
zu Ex 193—g bemerkt wird: .Trotzdem, dafs fchon hier J
Jlirf1 eintritt, dürften diefe Verfe, wenigftens ihrer Grundlage
nach, doch älter als J fein!' P 146 ift's, als falle
Dillmann felber aus der Rolle, wenn er fagt: ,Während
noch (!) J, wohl im Anfchlufs an das Lied, einen ftarken 1
Oftfturm als Urfache nennt, laffen P und E in Folge des
Ausftreckens der Hand oder des Stabes Mofe's das Meer
fleh fpalten'. Vollends bedenklich aber ift ein Geftänd-
nifs wie das folgende (p. 55): ,Diefe Erzählung (sc.
Ex 424—26) .... mufs aus J flammen. Da fie aber fowohl
durch die zu Grunde liegende Idee der Befchneidung als
durch die kurzen, faft dunkeln Sippora-Worte fleh als
einefehr alterthümliche ausweift, und fonft nicht J fondern
E durch derartige alte Stoffe fleh auszeichnet, fo ift recht |
wohl möglich, dafs auch hier wie fonft oft, J nur einen
von E an einer anderen Stelle gebotenen Stoff aufgenommen
hatte1.

Dafs fleh im Einzelnen, zumal bei einer wefentlich
verfchiedenen Auffaffung der Entwickelung der atl. Religion
eine Fülle von Einwendungen erheben liefsen, ift
felbftverftändlich. Ich nenne nur Sätze wie die, Hef (4033)
habe das Sündopfergefetz des P gekannt (p. 455); das
von Gemeinde wegen Abends und Morgens zu bringende
tägliche Brandopfer fcheine in älterer Zeit das gewöhn-
lichfte und hauptfächlichfte Brandopfer gewefen zu fein

I (482); für die hiftorifche Zeit finde fleh keinerlei Spur
dafür, dafs im Jahwedienft Menfchenopfer gefordert
worden feien (269) u. f. w. Die ganze Auseinander-
fetzung mit den modernen Anfchauungen von der Entwickelung
der atl. Cultusgefchichte (p. 424 fr.) verräth
| im Grunde nur die Schwachheit der gegentheiligen
Pofltion. Ebenfo ungenügend ift der Satz über das Alter
! des Dekalogs (p. 226). Woher wiffen ferner Knobel und
Dillmann, dafs Ex 21,20.32 blofs auf nichthebräifche Sklaven
gehen? Falfch ift meines Erachtens z. B. die Deutung
von C^Bbsb (Ex 200) auf den .weiten Kreis von um den
einen her lebenden Menfchentaufenden, auf welche um
feinetwillen Gott Huld und Segen ausftrömen läfst'.
Warum in folchen Fällen nicht der Erklärung der älteften
Exegeten (Dtn 79) folgen?

Das Alles vermindert aber das Verdienft, das fleh
| Ryffel durch die Beforgung diefer Neuauflage erworben
j hat, keineswegs. Man ftaunt immer wieder über die gewaltige
Fülle gediegenfter Arbeit, die in diefem Buche
vereinigt ift, und die es zur unentbehrlichen Fundgrube
macht für jeden, der fleh mit Ex und Lev befaffen will.
Was für einen Werth haben nicht fchon die noch von
Knobel flammenden Parallelen aus Gefetzen und Sitten
anderer Völker! Man möchte nur eine Fortführung diefer
der vergleichenden Religionswiffenfchaft fo fehr zu Statten
kommenden Arbeit wünfehen auch über den von Ryffel
ausfchliefslich berückfichtigten Kreis der femitifchen
Völker hinaus. — Wie forgfältig der Herausgeber zu
Werk gegangen ift, läfst fleh fchon aus der muftergültigen
äufsern Correctur des Buches ermeffen. Vereinzelte Druckfehler
, wie z. B. p. 256 Z. 23 v. u.: Lev 2441 ft. 2544; p. 444
Z. 7 v. o: Ex 43 ft. Ez 43 u. a. kommen dagegen nicht in
Betracht.

Wenn ich mit zwei Defiderien fchliefsen darf, fo ift
es einmal der Wunfeh, es möchte bei einem fo umfangreichen
Werke das Verhältnifs von Ueber- und Unterordnung
feiner einzelnen Beftandtheile auch äufserlich
deutlicher hervorgehoben werden, am eheften durch die
Verwendung verfchiedener Typen, wie dies z. B. im neu
erfcheinenden International Criiical Commentary in vorbildlicher
Weife gefchieht. Es wäre fo vielleicht auch
die Vermehrung diefer neuen Auflage nicht bis auf
3V2 B°gen gediehen, und das wäre um fo wünfehens-
werther gewefen, als die Berechtigung zweifelhaft geworden
ift, einen Commentar zu Ex Lev, der ganze 696
ziemlich enggedruckte Seiten umfafst, noch ein ,kurzge-
fafstes' exegetifches Handbuch zu nennen. Der zweite
Wunfeh ift der, es möchten dem Lefer darin nicht allzu
hieroglyphifche Abkürzungen zugemuthet werden. Dafs
Wl. Wellhaufen bedeutet, lernt man errathen; was aber
SBLP (zu in p. 9) oder gar PGFQSt (in den Nachträgen
zu p. 7) fei, verräth leider das Verzeichnis der Abkürzungen
(p. XI) nicht.

Bafel. Alfred Bertholet.

Faye, Eugene de, Clement d'Alexandrie. Etüde sur les
rapports du Christianisme et de la philosophie grecque
au IIe siecle. (Bibliotheque de l'ecole des hautes
etudes, Sciences religieuses, vol. XII). Paris, Leroux,
1898. (IV, 320 S. gr. 8.)

Der Verf. berührt zuerft kurz das Verhältnifs des
Staates zur Kirche in der Zeit des Clemens, fchildert dann
in grofsen Zügen die drei maafsgebenden, durch charak-
teriftifche Merkmale gegen einander abgegrenzte, ihren
Einflufs auf immer weitere Dependenzen ausdehnenden
Kirchen, die kleinafiatifche, römifche, alexandrinifche,
die, weniger gebunden durch fefte Lehr- und Ver-
faffungsnormen, durch ihre die Wiffenfchaft für die Kirche
rettende Theologie zeitweilig fall das Uebergewicht
gewinnt.