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Ausgabe:

1898

Spalte:

611-613

Autor/Hrsg.:

Pastor, Ludwig

Titel/Untertitel:

Zur Beurtheilung Savonarolas. Kritische Streifzüge 1898

Rezensent:

Benrath, Karl

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6u Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 23. 612

Eirene geweiht ift. Der hl. Eirene waren früher 2 oder 3
Kirchen gewidmet. Man hat daraus fchliefsen wollen,

Commer im XI.Jahrgange des von ihm herausgegebenen
Jahrbuches für Philofophie und fpeculative Theologie'.

dafs St. Georg mit einer der Eirenenkirchen identifch : Es gelingt da P. leicht, deffen Kritik einige lapsus in
fei. Der Verfaffer weift durch ein Chryfobull des Kaifers Dingen nachzuweifen, welche dem Blicke des gefchulten
Andronikos II. von 1303 nach, dafs dies nicht der Fall l Hiftorikers fofort klarer find, als dem der nicht Fachmann
fein kann. Nach dem Falle von Conftantinopel war St. ! ift. Im übrigen wird Commer's Aeufserung über ,Das
Georg, wohl immer eine katholifche Kirche, im Befitz der | fchöne Buch P.'s', dem ,wir gern unfere Bewunderung
Brüderfchaft der hl. Anna. Im Jahre 1660 brannte die j ausfprechen' acceptirt und S. 9 reproducirt. Ob und wie-
Kirche ab. Nur durch die Bemühungen des franzöfifchen fern C. principiellen Widerfpruch erhoben und begründet
ßotfchafters Nointel, wurde das Grundftück, das von den | hat, entzieht fich unterer Kenntnifs, da P. dies nicht erTürken
als Wakuf confiscirt war, den Capuzinern gegen kennen läfst und C.'s Anzeige felbft uns nicht zugänglich

einen bedeutenden Preis zurückgegeben. Diefe erbauten
die jetzige Kirche um 1675. Sie hat noch öfters ihren
Befitzer gewechfelt. Seit 1882 ift fie im Befitz der Laza

war. Was die beiden Italiener, die Profefforen Ferretti
und Luotto, von denen der erftere dem Orden der
Dominikaner angehört, zu ihren Veröffentlichungen mit

riften. Ihrer Geftalt nach bildet fie ein längliches Viereck ausdrücklicher Wendung gegen P. veranlafst hat, ift das
mit drei Schiffen. Die Seitenfchiffe tragen Kreuzbogen- Folgende. Italien hat es von jeher geliebt, feine grofsen
gewölbe. Vier gemauerte Säulen ftützen eine Kuppel in Männer weniger zu ihren Lebzeiten als bei ihren Cen-
der Mitte der Kirche (S. 9). Alterthümer find nicht er- tenarien zu feiern. Damit nun nicht gelegentlich des
halten. Immerhin find die Grabdenkmäler vom Ende ; 4. Centenariums feines Todes (23. Mai 1898) die böfen

des 17. Jahrhunderts an ganz intereffant.

Hannover. Ph. Meyer.

Pastor, Ludwig, Zur Beurtheilung Savonarolas (f 1498).
Kritifche Streifzüge. Freiburg i. B., Herder, 1898.
(79 S. 8.) M. 1.—

Ulimann rechnete, an Rudelbach fich anfchliefsend,
den Florentiner Dominikaner unbedenklich unter die Vorbereiter
der Reformation (Allg. Einleitung zu den „Reformatoren
vor der Reformation' I, S. 13 [Gotha, 1866]).
Thut man das heutzutage, fo mufs man gewärtig fein,
als Ignorant angefehen zu werden, weil inzwifchen darauf
aufmerkfam gemacht worden ift, dafs dogmengefchicht-

lich betrachtet Savonarola wie fo ziemlich alle jene ,Vor- : weife nicht allzu hoch normiren darf. Aber der Vor

Ketzer fich Savonarola's bemächtigen follten, die ja allerdings
nach P. ein gewiffes Anrecht auf ihn wegen feines
Ungehorfams zu haben fchienen, hat Ferretti in einer
Schrift ,Per la causa di Fra. G. S.1, Mailand 1897 Einzelheiten
in P.'s Aufftellungen angegriffen; dann aber hat
Luotto, ,11 vero S. ed il S. di L. Pastor1-, Florenz 1897,
geffützt auf ein 22jähriges Studium der Schriften des
grofsen Dominikaners nachzuweifen gefucht, dafs P. den
von ihm fo hart beurtheilten Mann gar nicht aus eigenem
Studium feiner Werke kenne, und dafs die Dominikaner
recht thun, wenn fie bei der Verehrung desfelben verbleiben
. Nun fcheint allerdings der erftere Vorwurf bis
zu einem gewiffen, ja ziemlich hohen Grade begründet
— obwohl man, da P. keine Monographie über S. geliefert
hat, nach diefer Seite die Anforderungen billiger-

reformatoren' noch auf katholifchem Boden ftehen. Und 1 wurf ift unbegründet, dafs P. kein ,guter Katholik' fei —
in der That hat, obwohl Rudelbach den Begriff der Re- 1 denn das ift er ficher auch in dem fpecififchen Sinne,

Formation fo weit und fo tief fafste, dafs trotzdem feine
Thefis beliehen bleibt, doch der gröfsere Theil der
neueren proteftantifchen Darfteller wie auf Parole fie aufgegeben
, und wenn ein Rietfchel fich jetzt betreffs An

den man heutzutage damit verbindet, ja darin liegt gerade
die Schwäche, welche ihm als Hiftoriker anhaftet. Wie
vieles P. für eine neue Bearbeitung des fraglichen Ab-
fchnittes der Papftgefchichte auch aus Luotto, trotz der

bringung Savonarola's am Lutherdenkmal bei einem diefer : fcharfen Zurückweifung desfelben im Allgemeinen, lernen
Hiftoriker Raths erholen wollte, fo würde der wohl an- i kann, wird ihm felber nicht entgangen fein, obwohl das

ders als Hafe's Rath (vgl. Polemik [1865] S. 88.) ausfallen
. —

Wenn in der obigen Schrift der bekannte katholifche
Hiftoriker P. das Wort nimmt, um feine abfprechende

dickleibige Werk des Italieners alles andere eher als eine
einheitliche gefchloffen vorgehende Arbeit ift. Auf den
rechten Weg auch maafsvoller Form führt der oben angedeutete
zweite Deutfche, nämlich Dr. Jof. Schnitzer

Darftellung von der Perfon und dem Wirken Savonarola's j (Hift.-polit. Blätter 1898 [Heft 7—11]) die Controverfe
(in der ,Gefchichte der Päpfte' III. Bd.) zu vertheidigen, zurück. Schnitzer ftellt feft, dafs es fich in der zweiten
fo hat er es nicht mit proteftantifchen Gegnern zu thun: I und letzten Phafe des Kampfes gegen Alexander VI

aus dem eigenen Lager find fie ihm erwachfen, ein deut-
fcher und zwei italienifche Katholiken legen gleichzeitig
Verwahrung ein, und ihnen gilt die fcbarfe Entgegnung.

thatfächlich um politifche Dinge gehandelt habe (ebd.
S. 720) — und wie auch ,gute Katholiken' dabei über
die Pflicht des Gehorfams gegen den päpftlichen Stuhl

Ja, kaum war fie erfchienen, fo ergriff abermals ein deut- I denken, davon haben wir ja in Deutfchland in der Sep-
fcher katholifcher Gelehrter das Wort zu beachtens- j tennatsfrage f. Z. ein Pröbchen bekommen. Schnitzer

werthem Widerfpruche. Bei dem hohen Intereffe, welches
Savonarola's Geftalt auch in unteren Kreifen unter allen
Umftänden hervorruft, erfcheint es angezeigt, die Lefer
über diefe neuen Controverfen kurz zu unterrichten. Was
den Kernpunkt angeht, um den fich die Beurtheilung der
gewaltigen Erfcheinung Savonarola's dreht, fo ift er ja
allerdings auf unferer Seite weit verfchieden von dem,
was für P. mafsgebend ift. Wenn diefer die abfchliefsende
Frage fo ftellt: war Savonarola noch (in dem Kampfe
gegen Alexander VI.) ein Katholik? — und fie dann mit

mildert auch in vielen anderen Fragen das harte Urtheil
P.'s herab. — Merkwürdig, dafs Schnitzer Savonarola
fogar den Namen eines ,Bahnbrechers der Reformation'
wieder zufpricht — freilich nicht der proteftantifchen,
fondern der ,wahren', wie er als katholifcher Theolog fie
verfteht.

Dafs P. fein Urtheil über Savonarola in Folge des
von diefen Kritikern Dargebotenen modificiren werde,
fcheint nach den Ausführungen der vorliegenden Schrift
zweifelhaft. Noch zweifelhafter freilich, ja unmöglich er-

ftriktem Nein! beantwortet, da der bewiefene Ungehorfam j fcheint es, dafs der Grundfehler feiner Beurtheilung S.'s
die Bejahung ausfchliefse — fo ift das für unfere Werthung j gehoben werde, welchen eben Walter Goetz in der
des Märtyrers als religiöfer Perfönlichkeit nebenfächlich, | ,Hift. Vierteljahrsfchrift' (Leipzig 1898, I S. 136) andeutet,
weil wir wiffen, dafs es auch einen heiligen Ungehorfam | wenn er zur Papftgefchichte III bemerkt: ,Dafs S. nicht
giebt. Aber das literarifche Scharmützel, zu welchem j im Zufammenhang mit dem religiöfen Leben der Zeit
P.'s Darftellung Anlafs gegeben hat, behält fein Intereffe. gefafst ift, hängt wohl damit zufammen, dafs Paftor über-
Der erfte deutfche Gelehrte, welcher in längerer Aus- ; haupt das religiöfe und kirchliche Leben in feltfamer
einanderfetzung gegen P. das Wort ergriff, war Profeffor ! Weife begreift. Er ftrebt darnach, „die Fortdauer