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Ausgabe:

1898 Nr. 2

Spalte:

42-43

Titel/Untertitel:

Archäologischen Studien zum christlichen Alterthum und Mittelalter 1898

Rezensent:

Dopffel, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 2.

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authority. Es ift dringend zu wünfehen, dafs über Eng- I Arbeit vorgenommene Claffificirung der im Chnftenprocefs
land oder Amerika zuverläfiige Mittheilung über das ' in Betracht kommenden Strafthaten bezw. Strafgefetze,
textliche Material einer Ausgabe bekannt würde, die aber wirklich Neues habe ich doch auch hier kaum ge-
vorderhand noch die einzig wirklich zu brauchende ift. i funden. Die Ausführungen über die Religionspohzei (u/s
Noch vielmehr aber ift es nöthig, dafs der Vorgang von coercendi) legen den von Mommfen feftgeftellten That-
Barnes Nachfolge finde und mit allem Nachdruck möchten beftand noch klarer und deutlicher dar. Die Auffaffung
wir den Wink unterftützen, den die ThLZ in Nr. 20 von ; der Pliniuskorrefpondenz (Note 77) ift treffend. Dem
Schulthefs gebracht hat. Von ihrer Ausftattung abge- Chriftenprocefs wegen Inceftes und Kindermordes räumt
fehen liefert die Arbeit von Barnes das befte Vorbild. , der Verf. einen auffallend grofsen Platz ein. Er habe in
Als nicht vorbildlich betrachten wir z. B., dafs für die I der erften Hälfte des zweiten Jahrhunderts vielleicht im

bisherigen 4 Druckausgaben, wo fie übereinftimmen, nicht
das eine hergebrachte Sigel für den textus reeeptus t, gewählt
ift, fondern jedesmal GWLU dem Auge fich entgegendrängen
. Wenn die Collationsarbeit organifirt
würde (etwa in den Beiheften zu Stade's ZatW) könnte
binnen kurzem das Material für eine fo dringend nöthige

Vordergrunde geftanden. ,Wenn die zweite Hälfte doch
wohl fchon erkennen läfst, dafs neben dem Fortwuchern
des Aberglaubens (der nach dem Verf. gerade in der erften
Hälfte des 2. Jahrh. auch in den Kreifen der Gebildeten
geblüht hat) auch die beffere Erkenntnifs oder wenigftens
der Zweifel an der Begründetheit der Befchuldigungen.

kritifche Ausgabe des fyrifchen A. T. beifammen fein. , zunächft natürlich in den Kreifen der Gebildeten, zum
Barnes hat feine Ausgabe überfchrieben: in p/am memo- ' Durchbruch gelangt ift, fo werden auch die Anklagen und
riam Briani Walton domüs divini Petri olim soeii. Wollte Verurtheilungen allmählich feltener geworden fein'(S. 41).

er in diefer Hinficht nicht der Brian Walton des ausgehenden
19. Jahrhunderts werden?

Ulm. Eb. Nestle.

Aber gerade bei Athenagoras und im Brief der Gemeinden
von Lugdunum und Vienna, alfo in Schriftftücken der
zweiten Hälfte des Jahrh., begegnet uns die Rückficht-
nahme auf jene Anklagen in ihrer befonderen Form, und
Conrat (Cohn) Prof. Dr. Max, Die Christenverfolgungen im eben in diefer Form ift von den Anklagen früher nicht
m , . „ . . . 11 j 1 • x t • i die Rede, fondern man mufs erft den Ausdruck nasritia

Romischen Reiche vom Standpunkte des Jur.sten. Leipzig, I (Tacitus Plinius) entfprechend deuten. Andererfeits haben
J. C. Hinrichs, 1S97. (80 S. gr. 8.) M. 2. j wjr für ^en procefs Wegen majestas doch aus früher Zeit

/Wenn ich mir die Chriftenverfolgungen im alten Beifpiele genug. Richtig find, um das nicht unerwähnt
römifchen Reiche zum Gegenftand diefer Erörterung ge- j zu laffen, Conrat's Bemerkungen über die Neronifche
wählt habe, fo follen diefelben nach der rechtlichen Seite Verfolgung. Auch er hält es für felbftverftändlich, dafs
gewürdigt werden. Das erfcheint dann freilich angefichts als Object des fateri nur das crimen incendii gelten kann,
des immenfen Intereffes, welches diefe Vorgänge in fo j was merkwürdiger Weife neuerdings von v. Schubert
vielen anderen Hinfichten darbieten, ein nicht gerade I (Möller, Kirchengefchichte 12, 73 N.) als ,nach Grammatik
bedeutendes Unternehmen, zudem aber auch wenig ge- 1 und Sinn durch den Zufammenhang geradezu auseignet
, über die Kreife der juriftifchen Fachleute hinaus gefchloffen' bezeichnet wird. Nach Grammatik? Ich
die Aufmerkfamkeit zu feifein.' (S. 4). Warum, mufs , dächte doch, Arnold's Ausführungen über diefen Punkt
man fragen. Hat je eine Arbeit aus juriftifcher F'eder in , wären bisher nicht widerlegt worden. Nach Sinn? Aber
den Kreifen der Religions- und Kirchenhiftoriker gröfseres was war denn der Zweck Nero's oder feines Polizei-

Intereffewachgerufen als Mommfen's berühmter Auffatz
über den Religionsfrevel nach römifchem Recht? Hat er
nicht für die welthiftorifche, die religionsgefchichtliche,
die erbauliche, die moralifche Betrachtungsweife, deren

präfekten, wenn nicht der, den Verdacht der Brand-
ftiftung von fich abzuwälzen? Tacitus fagt das deutlich
genug, und er fagt auch nichts davon, dafs ,die Gefammt-
heit der Angeklagten des Verbrechens der Brandftiftung

unfer Verfaffer neben und offenbar über der juriftifchen j nicht überführt wurde' (fo Weizfäcker, Apoftol. Zeitgedenkt
, aufserordentlich befruchtend gewirkt? Laffen i alter 477, auf den Schubert fich beruft). Er weifs nur

fich denn überhaupt diefe ,Standpunkte' fo von einander
trennen, hat Conrat fie felbft durchweg getrennt, und
ift nicht der juriftifche Standpunkt infofern der wichtigfte
von allen, als ohne genügende Kcnntnifs der rechtlichen
Grundlage der Chriftenproceffe jede gefchichtliche Be-

und deutet es mit dem non perinde — sed kräftig genug
an, dafs die armen Leute in Wirklichkeit (nicht aber
formal-rechtlich) wegen ganz anderer Dinge haben daran
glauben müffen.

Viel zu breit ift der erfte, vorbereitende Theil der

trachtung in der Luft fchwebt, von der moralifchen oder Conrat'fchen Arbeit (S. 1—26); hier hätte alles kürzer

gar der erbaulichen, die überhaupt nicht hierher gehören, j und knapper gefagt werden können. Aber ich halte die

zu fchweigen? Zu guter Letzt fchreibt Conrat felbft in 1 Umftändlichkeit in der Darftellung für einen Fehler der

der Fufsnote auf S. i: ,Die Erörterungen des Juriften 1 Arbeit überhaupt. Die vielfach verfchränkten Sätze, die

werden im Augenblicke einem Intereffe vielleicht nicht ' nicht immer tadelfreie Ausdrucksweife (vgl. gleich den

fowohl bei feinen Fachgenoffen als vielmehr bei den I im Eingang angeführten Satz) erfchweren die Leetüre

Theologen begegnen'. und beleidigen das Stilgefühl.

Conrat's Erwägungen bauen fich, foviel ich erkennen flip^on r v^-,^ar
1 j 1 r »» r , t- i_ -r r t- vjiessen. (j. Krüger,
kann, durchweg aut Mommlen s Ergebnifsen auf. Er -._,___& _

felbft giebt das zu, meint aber dennoch, dem Sach- Studien, archäologische, zum christlichen Alterthum und Mittelkenner
werde es nicht entgehen, dafs er ,in nicht un- alter, hrsg. von Johs. Ficker. 1. Hft. Freiburg i. B.,
S'f" Pu"kte" der Lehre (was heifst: ,der Lehre'? j j Q ß Moh ,g ( g} M. 1.-
hier giebt es doch nur einen Sachverhalt) zu neuen Er- > vi e> )

gebnifsen kommen wollte'. Den guten Willen beftreite Ein Familienbild aus der Priscillakatakombe mit der alterten

ich natürlich nicht, mufs aber wohl ZU wenio- Sachkenner Hochzeitsdarftellung der chriftlichen Kunft. Von Otto Mitius.

fein, um die Bedeutung des Neuen in Conrat's Unter-
Eichungen ganz würdigen zu können. Die auf die Arbeit

(VI, 28 S. m. 3 Abbildgn.).

Die Arbeit von Mitius, deren Befprechung fich zum

verwendete Sorgfalt ift voll anzuerkennen: der Verfaffer Bedauern des Referenten verfpätet hat, bietet den be
hat fich in die Litteratur vollftändig eingearbeitet und ; achtenswerthen, mitUmfichtbegründeten, in anfprechender
verwertet vor Allem die Belegftellen aus den Quellen ; Form dargebotenen Vernich einer neuen Deutung eines be-
auf Grund eigener, gewiffenhafter Lektüre. Die Grup- I kannten Bilds aus der Priscillakatakombe, das, so an-
pirung der uns bekannten Proceffe nach den rechtlichen ziehend es fich dem Befchauer darftellt, doch bis jetzt
Gefichtspunkten (in den Noten) ift erwünfeht und lehr- eine allfeitig befriedigende Erklärung nicht hat finden
reich. Anfprechend auch die in der zweiten Hälfte der | können. Man fieht in der Mitte eine Orantin in reicher

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