Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1898 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Duhm, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die Entstehung des Alten Testaments. Rede 1898

Rezensent:

Siegfried, Carl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

37

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 2.

38

1 S io.öff. ,auf gut ein Jahrhundert aus dem Leben Israels Familienüberlieferungen und der alten Gefetze, je weiter
wieder verfchwinden fehen' (vgl. S. 125), was ihnen nicht , hin, defto maffenhafter anfchwellend, immer wieder ver-
fchwer werden konnte, da fie überhaupt noch gar nicht ; ändert, vermehrt, umgearbeitet von jedem der Luft hatte,
da gewefen waren. Zur ,Philifterzeit'(f. S. 127) konnten dadieVorftellungeineslitterarifchenEigenthumsunbekannt
verzückte Redner nicht viel helfen, da waren Leute wie I war. In diefer Weife bildeten fich die älteren Beftand-
Simfon am Platze, die nicht viel redeten, fondern drein- ! theile der Litteratur des A. T.'s, von denen uns die
fchlugen. Dafs der Nebiismus eine deutliche Uebertragung | Ueberlieferung nichts authentifch, nichts vollftändig er-
kanaanitifcher Religionsgebräuche auf die israelitifche 1 halten hat. Die Blüthe der Litteratur wurde in diefem
Religion bildeten, zeigt 1 K. 18,20—29. Diefe fand ftatt, Volke der Religion herbeigeführt durch die Propheten,
als Israels Religion unter Ahab in Gefahr gerieth. Da ' deren Grundfätze eine abfchliefsende Zufammenfaffung im
bildeten fich die Geheimbünde zur Erhaltung der alten Deuteronomium fanden. Die Religion wurde hier zur Lehre
Religion, die wir überall in Israel blitzartig auftauchen | und an diefes religiöfe Lehrbuch fchlofs fich eine weitere
fehen 2 K 2,3ff. — Auch die Vermifchung des Nafiräer- [ gefchichtliche und gefetzliche Litteratur an, deren Zu-
thums mit dem Nebiismus (S. 136, 176h) halten wir nicht , fammenfaffung den Pentateuch bildete. Diefer ward die
für richtig. In Am 2,11 wird beides beftimmt gefchieden. 1 Grundlage der litterarifchen Sammlungen religiöfen
Beachtenswerth ift aber was der Verf. S. 132 über Jofef | Schriftthums, an die fich fpäter folche von prophetifchen
den Nafiräer (Gn 49,20) beibringt. — j Schriften und anderen vermifchten Inhalts anfchloffen.

Der 2. Haupttheil S. 137—314 hat die Ueberfchrift: So ift das Corpus der von uns A. T. genannten
Die profetifche Reaction gegen die Verweltlichung des , Litteratur recht menfchlich entftanden. Das ift aber die
Volkes. Art, welche Gott gefällt, um auf Menlchen einzuwirken.

Die Schilderung der feit Salomo veränderten äufseren ' Die Ausfüllung diefer Skizze mit reichem trefflich
Lebensverhältniffe und Lebensideale müfsen wir nun wieder 1 ausgewählten Stoff und die Kunft des Aufbaues in der
nach den oben erwähnten 13 Rubriken an uns vorüber- Darfteilung deffelben kann man nur aus dem Lefen des
ziehen fehen. Doch ift das Bild, das der Verf. hier, aller- , Vortrags felbft gewinnen, wozu wir hierdurch aufgefordert
dings auf vortreffliche Vorarbeiten fich ftützend, entwirft, | haben wollen.

ein farbenreich und anziehend gezeichnetes. Man lieft es Jena. C Siegfried

mit Vergnügen. Zu 1 K 5,12. 13 (S. 153 f.) ift wohl die

Analogie der arabifchen Schakal- Fuchs- und Blumen- Baentsch Priv.-Doc. Lic.Dr. Bruno, Geschichtsconstruction

fabeln heranzuziehen. — Auf S. 156—166 wird der durch iuL>,.,.«i.»« * -p- mt t w a- r -u

den weltlicher werdenden Sinn des Volkes herbeigeführte | ^Aer Wissenschaft? Ein Wort zur Verftandigung über

religiöfe Umfchwung, die Veräufserlichung von Religion j die Wellhaufen'fche Gefchichtsauffaffung m. befonderer

und Cultus und der Abfall zu fremden Göttern behandelt, Beziehung auf die vorprophetifche Stufe der Religion

fowie die dagegen fich erhebende Reaction der älteren Israels und die religionsgefchichtliche Stellung Davids

Propheten und der Rechabiter und die tiefere Gegen- i «r__.__ , , . v .c „ _ ,, ,, ,

• 1 j c 1 -<v 14. 1 r lu tj- u^; ;n Vortrag, gehalten im Kreife von Paftoren. Halle, 1.

Wirkung der Schriftpropheten dargeftellt. Hierbei ift r qä / c ot r

manche werthvolle Bemerkung befonders bei Erörterung Kraule, 1896. (50 S. gr. 8.) M. 1.—

der biblifch theologifchen Begriffe und in der Befprechung i Eine eindringliche und warmherzige Darlegung der

des neuen Lebensideals der Propheten S. 277—299 ein- I wirklichen Bedeutung und des wiffenfchaftlichen Rechts

geflofsen. Doch es fehlt der Raum hierauf näher und be- ; der heute herrfchenden, vor allem unter Wellhaufen's

fonders auf die Punkte, wo wir von dem Verf. abweichen i Namen gehenden Auffaffung der altteftamentlichen Ge-

müffen, einzugehen. Jedenfalls aber verdient das vor- j fchichte. Was fie dem Gegenftand nach von den meiften

liegende Heft allfeitige Beachtung. anderen unterfcheidet, fagt der Titel. Sie geht auf den

Jena. C. Siegfried.

Inhalt des Pentateuchs, Patriarchengefchichte und Mofaismus
, um die fich der Zank gewöhnlich dreht, gar nicht
näher ein, fondern befafst fich nur mit den Zeiten, von
Duhm, B., Die Entstehung des Alten Testaments. Rede zur denen die Bücher Jofua bis Könige, für die zweite Hälfte
Rektoratsfeier des Jahres 1896 und zur Einweihung der I mit der Parallele der Chronik, reden, ganz befonders mit
neuen Basler Univerfitätsbibliothek am 6. Novbr. ge- | der Erfcheinung David's in der verfchiedenen Beleuch-
halten. Freiburg i. B.,J.C. B. Mohr, 1897. (31 S. gr. 8.) | *ung, die er im A T. erhält Der Verf. fichert fich damit
& 'J M — 6 Vortheil greifbarerer und uberfehbarerer Verhaltnifse

• 0 ! und reicherer Ueberlieferung. So wird es leichter, fichere
Die Aufgabe, wiffenfchaftlich gebildeten Nichttheo- j Schlüffe zu ziehen und überzeugende Gefchichtsbilder zu
logen eine klare Vorftellung von der Entftehung des A. T.'s i zeichnen. Was das Verfahren angeht, fo legt B. gegen-
zu verfchaffen, ift von dem Verf. in einer feinen Weife gelöft '' über dem Gerede von Gefchichtsconftruction, Willkür,
worden. Leuten, die wiffen wie alte Volkslitteraturen Tendenz, naturaliftifcher Entwickelungstheorie mit Recht
fich zu bilden und zu entwickeln pflegen, war es leicht den gröfsten Nachdruck auf die eindringende, ebenfo
darzuthun, dafs von den Anfängen einer folchen in 1 geiftvolle wie peinlich forgfältige hiftorifch-kritifche Ein-
Israel erft die Rede fein konnte, nachdem die Kanaanäifche ' zelarbeit, mit der Wellhaufen begonnen, und auf die er
Sprache Gemeingut des ganzen Volks geworden und > alle feine Ergebniffe aufgebaut hat. Wer nicht diefe Ar

Kenntnifs der Schrift fowie Kunft des Schreibens wenigftens
in weite Kreife deffelben eingedrungen war. Das ift aber
vor Salomo's Zeit nicht der Fall gewefen. Stoffe zwar,
die für eine litterarifche Aufzeichnung und Sammlung
geeignet gewefen wären, hatte man fchon viel früher
genug, aber man war genöthigt, diefelben mündlich fortzupflanzen
und lediglich im Gedächtnifs aufzubewahren.
Erft unter Salomo begegnen uns die früheften Spuren
umfänglicherer fchriftlicher Aufzeichnungen. Die Organi-
fation des Staates, die Einrichtung einer Beamtenfchaft,
die Entwickelung des Gerichtswefens machten das
Schreiben zu einer Sache der Noth. So traten nebeneinander
die Aufzeichnungen der alten Lieder und Volks-
gefchichten, der Heiligthumslegenden, der priefterlichen

beiten, wie fie in dem Buche ,Die Compofition des Hexa-
teuchs und der hiftorifchen Bücher des A.T.' gefammelt
vorliegen, bis in die letzten Einzelheiten nachgearbeitet
und durchgedacht hat, darf fich kein Urtheil über Recht
oder Unrecht der Wellhaufen'fchen Gefchichtsanfchauung
erlauben. Nur fehr wenige unter den neuerlichen
Meiftern Wellhaufen's werden fich diefer Mühe unterzogen
haben, und die es gethan, wie vor allem der Amerikaner
Green, beweifen fonnenklar, dafs ihnen Verftändnifs und
Befähigung dafür verfagt ift, da fie urtheilen, wie der
Blinde von der Farbe. Wir älteren Mitarbeiter, die noch
in der mit grofser Autorität auftretenden wiffenfchaftlichen
Tradition der Ewald-Hupfeld'fchen Theorie grofs-
geworden find, wir können Zeugnifs davon ablegen, wie