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Ausgabe:

1898 Nr. 20

Spalte:

548

Autor/Hrsg.:

Warneck, D. G.

Titel/Untertitel:

Abriss einer Geschichte der protestantischen Missionen von der Reformation bis auf die Gegenwart 1898

Rezensent:

Wurm, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 20.

548

des Uebermenfchen), zu denen dann die verbindenden 1 Warneck, Prof. D. G., Abriss einer Geschichte des protestan-

gemeinfamen Züge herausgehoben werden. Ob aber die
allzeit gährende Maffe des N.'fchen Denkens es überhaupt
verträgt, unter den Maafsftab irgend einer Art von Entwicklungsgedanken
geftellt zu werden?

Eine Anzahl wünfchenswerther Erweiterungen hat
die Darftellung der aufserdeutfchen Philofophie erfahren.
Die der italienifchen ift durch die Heranziehung der nam-
hafteften Vertreter des Thomismus und Pofitivismns ergänzt
worden (456); zu A. Comte (458) find die Anknüpfungspunkte
, die für ihn bei St. Simon vorliegen,
und unter denen fich auch das bekannte Gefetz der drei
Stadien (Theologie, Metaphyfik, Pofitivismus) befindet,
hervorgehoben. Zur Charakterifierung feines praktifchen
Ideals übernimmt der Verfaffer (464 Anm.) die treffende
Bezeichung von Seiten Huxley's: ,KatholifcheOrganifation
ohne die katholifche Lehre, Katholizismus minus Chriften-
thum'. Die Ueberficht der neben und nach Comte in Frankreich
hervorgetretenen Richtungen (467 f.) ift mehr lite-
arifche Nomenclatur. — Der Abfchnitt über die Engländer
orientirt zunächft etwas genauer über Hamilton.
Bentham ift von feiner früheren Stelle (am Ende des
vorigen Jahrhunderts) in den Zufammenhang diefes Ca-
pitels hereingenommen. Zu St. Mill ifl eine gedrängte
Ueberficht feiner Lehren von der Induction, fowie der
Grundbeftimmungen feiner Ethik hinzugefügt. Wefentlich
erweitert ift auch die Ueberficht des Syltem's von
H. Spencer, durch Angaben der Hauptpofitionen feiner
Biologie, Pfychologie und Ethik. Gegenüber Sp.'s Standpunkt
überhaupt befleht der Verfaffer fchliefslich auf der
Einficht, dafs die organifche und erft recht die feelifche
Welt höhere Gefetze haben, als die der mechanifchen
Ausgleichung. Hieran fchliefst fich eine Charakterifirung
des englifchen Agnofticismus, wie er namentlich durch
Huxley vertreten ift, fowie der .neukantifchen und neu-
hegelfchen Bewegung bei Thomas Hill Green u. a. Unter
denjenigenDenkern.die lediglich mit einer ehrenvollen Nennung
abgefunden werden, befindet fich unbilliger Weife
auchTh. Carlyle. S. 483 f. wird eine Anzahl amerikanifcher
Philofophen der Gegenwart namhaft gemacht; ebenfo
S. 486 die dänifchen. Unter diefen hätte wohl S. Kierkegaard
eine eingehendere Berückfichtigung beanfpruchen
dürfen, deffen Perfönlichkeit und Lehre gerade gegenwärtig
in Deutfchland vieler Orten lebhaftem Intereffe
begegnet, jedenfalls mehr, als es mit den Anflehten des
holländifchen Denkers Opzoomer der Fall ift, die auf
der folgenden Seite fkizzirt find.

Den Abfchlufs des Ganzen (489 f.) bildet ,die deutfehe
Philofophie feit Hegel's Tode'. Als aus deffen Schule
hervorgegangen, werden (496 f.) jetzt auch die geiftigen
Führer der Socialdemokratie, Laffalle und K. Marx erwähnt
. In die bisherige Darftellung des Neukantianismus
eingefügt ift (515) der Hinweis auf die Differenz der ! Dennis, Rev. James S., D.D., Christian Missions and Social
Richtungen, die fich knüpft an die Frage, ob als, ,Aus- Progress. A. Sociological study of foreign missions.
über der apriorifchen Functionen das Einzel-Ich oder In two volumes_ Vo]- j Chicago, F. H. Revell Com
ein tranfscendentales Bewufstfein anzulehen ler. — Dals

tischen Missionen von der Reformation bis auf die
Gegenwart. Ein Beitrag zur neueren Kirchengefchichte.
4. Auflage. Berlin, M. Warneck, 1898. (VI, 331 S.
gr. 8.) M. 5. —; geb. M. 6. —

Noch ehe von der dritten Auflage diefes Werkes
die zweite Abtheilung erfchienen war, wird eine vierte
Auflage der erften Abtheilung nöthig, fo dafs nun beide
Abtheilungen unter dem Titel: 4. Auflage, vereinigt find;
von der zweiten Abtheilung ift es aber in Wirklichkeit
die dritte Auflage.

Was wir bei der Befprechung der erften Abtheilung
(in Nr. 11 S. 314) bemerkt haben, dafs fie gegen den
Schlufs etwas flüchtig gearbeitet fei, das gilt auch von
diefer neuen Auflage troz einzelnen Zufätzen. Es hätte
doch z. B. ein mifsverftändlicher Satz verbeffert werden
follen, S. 124: ,Noch ehe die niederländifche Flagge
wieder in Batavia wehte, war Jofeph Kam im Einver-
ftändnis mit der Kolonialregierung, die ihn befoldete, nach
Indien gegangen'. Kam wurde allerding auf Amboina
von der Kolonialregierung befoldet, aber als er 1812 von
Holland über Hamburg nach England gefchmuggelt
werden mufste, exiftirte diefe Kolonialregierung noch nicht.

Die zweite Abtheilung giebtnun eine treffliche Ueberficht
über die evangelifchen Miffionsgebiete, nicht ein
trockenes Gerippe, fondern eine kurze, feine Charakte-
riftik der verfchiedenen Gebiete und Arbeiten, und dann
das nothwendigfte ftatiftifche Material. Am fchwierigften
ift wohl diefe Ueberficht bei Oftindien mit feinen vielen
Sprachen, Religionsformen u. Miffionsgefellfchaften, und
wenn es da dem Verf. nicht gelungen ift alles klar dar-
zuftellen, ift es zu entfchuldigen; denn die Namen der
englifchen Provinzen können einen in bezug auf die
Sprache zuweilen geradezu irreführen z. B. in Süd-Kanara
ift die Volksfprache nicht Kanarefifch fondern Tulu,
in Süd-Mahratta dagegen nicht Mahratti fonder Kanarefifch
. — Trefflich ift namentlich auch die Entwicklung
der evangelifchen Miffion in Japan und die Gegenftrömung
dargeftellt

Warneck giebt im Vorwort die Gründe an, weshalb er
zu diefer Auflage keine ftatifchen Tabelle beigeben habe.
Aber manche Lefer, welche in dem Buch nachfchlagen
wollen, werden auch noch etwas anderes vermiffen: ein
Reg ift er. Deshalb ift als Nachfchlagebuch das um einige
Jahre ältere Buch: „Gundert, die evangelifche Miffion,
ihre Länder, Völker und Arbeiten'' noch nicht entbehrlich,
während Warneck mehr zur fortlaufende Lektüre fich
eignet.

Echterdingen. P. Wurm.

der ,Empiriokriticismus' von Avenarius (516) mit zehn
Zeilen erledigt wird, dürfte manchem Lefer, der über die
augenblicklich einflufsreicheren Richtungen in Deutfchland
fich zu orientiren wünfeht, eine Enttäufchung bereiten,
ebenfo wie die präcife, aber doch zu aphoriftifche Be-

pany, 1897. (XVI, 468 S. gr. 8.) $ 2.50

Das Thema, welches Warneck in feiner „Miffion und
Kultur" behandelt hat, wird hier von einem amerikani-
fchen Profeffor in weiterer Ausdehnung wiffenfehaftlich
begründet, in geiftvoller Weife, wenn auch zuweilen zu

handlung von W. Wundt (523). Vielfach erwünfeht ift rhetorifch, ausgeführt und mit einer reichen Fülle von

dagegen jedenfalls die Charakterifirung (521 f.) der Grund
anfehauungen von Eucken, Class und Liebmann. 523 f.
endlich bringt eine ausgiebige Literaturüberficht der
,philofopifchen Einzelwiffenfchaften' in der Gegenwart.

Giessen. H. Siebeck.

Beifpielen belegt. Die fociale Hebung der Völker durch
das Chriftenthum ift für alte Zeiten eine unwiderfprochene
Thatfache. Es foll nun der Beweis geliefert werden, dafs
auch unferem heutigen Chriftenthum trotz feinen mannigfaltigen
Mängeln noch diefelbe göttliche Lebenskraft
innewohnt, und dafs die bisherige Miffionsarbeit die Völker
in fozialer Beziehung wirklich gehoben hat, und es hat
diefse Beweisführung einen apologetifchen Werth.

Der vorliegende erfte Band enthält als erften Abfchnitt
das fociologifche Ziel der chriftlichen
Miffion. Obgleich im Anfang der Miffionsarbeit nur