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Ausgabe:

1898 Nr. 18

Spalte:

487-489

Autor/Hrsg.:

Kampers, Franz

Titel/Untertitel:

Die Lehninsche Weissagung über das Haus Hohenzollern 1898

Rezensent:

Deutsch, Samuel Martin

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 18.

488

maafsen haltbare Grund, ihn für einen Reformpapft zu
erklären, denn dafs irgendwelche Beziehungen zu Männern
der Reform dazu noch nicht berechtigen, ift ebenfalls
fchon von Hauck S. 527 A. 8 richtig gezeigt worden.
Der Beweisführung Hauck's hat der Verf. in cap. 9 eine
etwas weitere Ausführung gegeben, die Abficht feiner
ganzen Arbeit aber ift nicht grade auf diefen Punkt gerichtet
, fondern auf eine erneute zufammenfaffende Darfteilung
des Lebens und Wirkens Benedikt's. Es ift nun
freilich feltfam, wenn der Verf. glaubt, Benedikt fei bisher
in der Gefchichte deshalb ziemlich mangelhaft behandelt
worden, weil man die Thatfache verkannte, dafs
er kein Reformpapft fei, indeffen ift das nebenfächlich;
eine eigene eingehendere Darftellung der päpftlichen Regierung
Benedikt's, von dem meift nur in gröfserem ge-
fchichtlichen Zufammenhange gehandelt worden ift, war
immerhin zu wünfchen. Als folche ift die vorliegende
Schrift nicht nur ein specimen ernditionis, fondern auch
eine für das gefchichtliche Studium nützliche Arbeit.

Berlin. S. M. Deutfch.

Kampers, Bibüoth.-Affift. Dr. Frz., Die Lehninsche Weissagung
über das Haus Hohenzollern. Gefchichte, Charakter
und Quellen der Fälfchung. Münfter i. W.
Regensberg, 1897. (IV, 47 S. gr. 8.) M. 1.20

Nach den gefchichtlichen Vorbemerkungen, in denen
fich der Verf. hauptfächlich an die Schrift von G. Sello
,Lehnin, Beiträge zur Gefchichte von Klofter und Amt
L. 1881' anfchliefst, jedoch nicht ohne Einiges aus eigner
Forfchung beizubringen, folgt der Text des Vaticinium
Lehninense wie er nach einem Mfcr. der Göttinger Bibliothek
hist. No. 519 von Hans Schneider (Progr. d.
Gymn. z. grauen Klofter in Berlin 1890 S. 4 ff.) herausgegeben
worden ift. Darauf enthält der erfte Theil
,Aeufsere Kritik der Weisfagung' eine Ueberficht über
die Hdfchrr., über die Behandlung der Weisfagung in
der Literatur und über die äufseren Kennzeichen der
Fälfchung — Alles gelehrt und intereffant zu lefen, aber
fehr kurz, z. Th. nur fragmentarifch. In dem zweiten
Theile .Innere Kritik' fucht der Verf. zunächft der Weisfagung
ihre Stelle in der langen Reihe der apokalyp-
tifchen Prophetieen anzuweifen, die fich aus dem Mittelalter
in die neuere Zeit hinüberzieht, wobei fie natürlich
bei Proteftanten und Katholiken eine entgegengefetzte
Richtung erhalten. Als fpätes Glied fchliefst fich das
Lehninense den Weisfagungen über den grofsen Monarchen
und den heiligen Papft an ,der durch den Proteftantismus
vergiftete Stamm der Hohenzollern wird elf Fürften hervorbringen
, deren letzter.....antichriftlichen Charakter

befitzt und von dem grofsen deutfchen Monarchen be-
fiegt wird, welcher im Verein mit dem heil. Papfte die
Sabbatzeit der Welt heraufführt' S. 37. In der Hauptfache
hat der Verf. wohl recht, nur ift das eschatolo-
gifche Element in den angeführten Worten ftärker ausgedrückt
als in dem Lehninenfe felbft. Diefes denkt ge-
mäfs feinem von dem Verf. S. 38 f. nachgewiefenen verweltlichten
Charakter auch hier nicht an ein taufend-
jähriges Reich, fondern an die Rückkehr von Zuftänden
wie fie unter den von ihm fo hoch gepriefenen Askaniern
gewefen find ,et veteri more clerus splendcscit honore'.

Mit der Frage nach der Entftehung befafst fich be-
fonders der Schlufsabfchnitt: Ein älteres Friedrich-Vati-
cinium als Kern des Lehninenfe. Der Verf. weifst hier
zwei andere angebliche Weisfagungen des Hermann v.
Lehnin in Profa nach, die, wie fie vorliegen, fich auf das
18. Jahrh. beziehen, von denen er aber zu zeigen fucht,
dafs die erfte urfprünglich auf Ludwig den Baiern ging
und die zweite einen Kern enthält, der dem 15. Jahrh.
angehört und die beiden erften Kurfürften aus dem
Hohenzollerfchen Haufe betrifft. Es ift nicht zu leugnen,
dafs Manches für die Anficht des Verf. fpricht, aber um

J fie überzeugend zu machen, hätte es einer viel eingehenderen
Unterfuchung bedurft, als die er ihr auf zwei Seiten
I widmet. Weiter glaubt er aber auch aus dem metrifchen
I Lehninenfe durch Ausfcheidung einer Interpolation einen
älteren, dem 16. Jahrh. angehörenden Kern gewinnen zu
können. Er geht von der Bemerkung aus, dafs die vss.
77—79' me auf Friedrich III. zu beziehen find, in einer
unter diefer Vorausfetzung unverftändlichen Weife die
Klage über die Aufhebung des Klofters Lehnin v. 50—55
wieder aufnehmen und die Mönche abermals zum Auswandern
auffordern. Hieraus fchliefst er nun, dafs das
ganze Stück v. 55—76, das die Kurfürften von Joachim
Friedrich bis Friedrich III. betrifft, fpäterer Zufatz fei;
der urfprüngliche Text fei von Joachim II. fogleich auf
den letzten (elften) aus dem vergifteten Stamme übergegangen
, einen Friedrich, deffen glückverheifsender Name
trügt, der antichriftlichen Charakter trägt und dem wahren
Regenten dem Kaifer, unterliegt. Ich mufs geftehen,
mir nicht recht vorftellen zu können, wie die Weisfagung
diefe Gefialt gehabt haben follte. Es würde fich dann
nämlich folgende Reihe von Verfen ergeben

50 Et nunc is prodit gut te Lehnin nimis odit

51 dividit ut culter, atheus scortator adulter

52 ecclesiam vastat bona relligiosa subhastat.

53 ito meus popidus, protector adest tibi nullus

54 hora donec veniet nova qua restitutio fiet.

77 orate fratres, lacrimis nou parcite matres

78 fallit m hoc nomen laeti regiminis omcn

79 nil superesl boni, veteres migrate coloni.

Nun ift doch zweifellos, dafs in v. 78 von derfelben

1 Perfon die Rede ift wie in v. 51—53 (Joachim II.), nicht
aber eine neue Perfon eingeführt wird. Ferner aber,
angenommen, dafs hier wirklich fchon von jenem elften
Fürften die Rede wäre, was thun dann die vss. 80—92,
die von anderen, alfo doch dem letzten vorausgehenden,
Regenten reden. Man müfste diefe vss. nothwendig auch
ftreichen, was der Verf. aber nicht will. Das Erträglichfte,
um die aufgeftellte Hypothefe zu halten, wäre, fie wirk-
lieh zu ftreichen, v. 78 von Joachim II. zu verftehen

! (wobei der Name von guter aber trügender Vorbedeutung
eben Joachim wäre, wegen des von dem Dichter
gepriefenen Joachim I.), und erft mit v. 93 tandein seeptra
gerit gut Stemmatis ullitnus erit, den letzten Regenten
eingeführt zu fehen. Freilich würden auch damit nicht
alle Bedenken gegen die Verkürzung und gegen die Annahme
der Abfaffung diefer kürzeren Form um das
Jahr 1542 gehoben fein, namentlich möchte nicht wahr-

j fcheinlich fein, dafs ein römifch-katholifcher Weisfager
damals dem Abfall eine Dauer von 11 Generationen
follte verheifsen haben, auch fcheint das reeipit Germania
regem jener Zeit nicht angemeffen, in der eine Losfagung
vom König (Kaifer) noch nirgends ftattgefunden hatte.
— Immerhin wird — und in diefer Hinficht ift die vom
Verf. gegebene Anregung anzuerkennen — bei fernerer

! Behandlung des vaticinium auch die Frage nach der ur-
fprünglichen Geftalt defselben Gegenftand der Unterfuchung
fein müffen, denn der jetzt vorliegende Text
erregt, und zwar nicht blofs wegen v. 77—79, den Verdacht
, Veränderungen erfahren zu haben. Nur dürften
diefe nicht fo einfach fein, dafs fich die Urgeftalt durch
blofse Streichungen wieder herltellen liefse. Uebrigens
giebt der Verf. S. 30 f. einen weiteren beachtenswerthen
Fingerzeig über die Richtung, in der fich die F'orfchung
künftig wird zu bewegen haben, nämlich in der F'eft-
ftellung der Quellen, die bei der Anfertigung der Weisfagung
benutzt worden find. Die Beifpiele, die er beibringt
, erwecken in der That die Hoffnung, dafs fich bei
Verfolgung diefes Weges Näheres werde ermitteln laffen.
Wenn der Verf. felbft ferner auf diefem Gebiete zu
arbeiten denkt, für das er durch fo umfaffende Kenntnifs
befonders ausgerüftet ift, fo möchten wir nur den Wunfeh
ausfprechen, dafs er bei Veröffentlichung feiner Ergeb-
nifse das Streben nach Kürze nicht auf Kotten derjenigen