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Ausgabe:

1898 Nr. 18

Spalte:

483-485

Autor/Hrsg.:

Joly, Henry

Titel/Untertitel:

Psychologie des Saints 1898

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 18.

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der Congregation der Riten vom 8. December 1870 hat
fein Fed zu einem folchen erder Ordnung erhoben. Aber
die Stellung, die er in der himmlifchen Hierarchie einnimmt
, erfcheint feinen Verehrern noch nicht ausreichend.
Sie wünfchen, dafs er in der Liturgie unmittelbar hinter
die Mutter Gottes trete und damit an die Spitze aller
Heiligen gefleht werde. Der Löfung diefer Etikettenfrage
find auch die 510 Seiten des vorliegenden Buches gewidmet
, in dem der Verfaffer, ein professeur de theologie,
die Berechtigung zu einer folchen Rangerhöhung des h.
Jofeph nachzuweifen fich bemüht. Ich mufs geliehen,
dafs ich es trotz redlichen Bestrebens nicht fertig gebracht
habe, das Buch von Anfang bis zu Ende durchzulefen.
Weite Strecken muthen uns an, wie eine Ueberfetzung
eines fcholaftifchen Tractates de primatu Joseplä und
nur gelegentlich errinnert uns ein moderner Name daran,
dafs das Buch eine Erzeugnifs unferes Jahrhunderts ift.
Ich mufs mich daher darauf befchränken, die einzelnen
Abfchnitte in die der Verfaffer feinen Stoff getheilt hat,
hier namhaft zu machen; aber ich hoffe, dafs die Lefer
diefer Zeitfchrift fchon daran genug haben und von mir
kein opus supererogationis verlangen werden. Primaute
de S, J. d'apres Vepiscopat [actes conciliaires, actes extra-
conciliaires, actes du pontife Romain). Primaute de S. J.
d'apres la theologie. I. Paternite de S. jf. (fünf Titel feiner
Vaterfchaft); 2. N. J. epoux de Marie. 3. Le ministire
de S. y. est-il dans Vordre de Vunion hypostatique? 4. Dig-
nite de S. y. 5. Saintete de S. y. (geftützt auf 10 Be-
weife; eine befondere Erörterung ift der Frage gewidmet,
ob nicht nach Mt. 11,it Johannes der Täufer über Jofeph
zu (teilen fei S. 404—446, was aber auf Grund zahlreicher
Stellen aus Kirchenvätern und Doctoren abgelehnt
wird), 7. Ctilte de S. y. Das Buch hat nach p. 499
den Zweck fl'eclairer la piete des fideles; il tend aussi ä
preparer les voies au plein developpement du culte de S. y.'
Da auch die Proteftanten gelegentlich ein paar gefalzene
Hiebe abbekommen (z.B. S. 456 f. 480 f.), fleht die Aufrichtigkeit
der Gefinnung des Verf. aufser Zweifel. Sonft
könnte man das Buch fall für eine Perfiflage auf den
Betrieb der Theologie in gewiffen katholifchen Kreifen
halten.

Darmftadt. Erwin Preufchen.

Kurth, G., Sainte Clotilde. Paris, V. Lecoffre, 1897.

(180 S. 8.) Fr. 2.—

Hatzfeld, Ad., Saint Augustin. Paris, V. Lecoffre, 1897.

(XV, 183 S. 8.) Fr. 2.—

Flornoy, E., Le bienheureux Bernardin de Feltre. Paris,

V. Lecoffre, 1897. (192 S. 8.) Fr. 2.—

Brou, R. P, S. J., St. Augustin de Canterbury et ses com-

pagnons. Paris, V. Lecoffre, 1897. (XI, 210 S. 8.)

Fr. 2.—

Joly, Henry, Psychologie des Saints. Paris, V. Lecoffre, 1897.
(V, 201 S. 8.) Fr. 2.—

Welche Fortfehritte politifch der Klerikalismus in
Frankreich, geftützt auf die Militärpartei, gemacht hat,
ift aus dem jüngften Procefs gegen den Verf. von Lourdes
und Rome offenkundig geworden. Aber es fehlt auch
fonft nicht an Anzeichen dafür, mit welchem Eifer die
katholifche Kirche das Ländergebiet des weiland aller-
chriltlichlten Königs zurückzuerobern fucht. In den Dienft
diefer Beftrebungen hat fich der rührige Parifer Verleger
Lecoffre geftellt und ihr dient im Wefentlichen auch die
Sammlung knapper und volksthümlicher Biographien
kirchengefchichtlich hervorragender Perfönlichkeiten, die
unter dem Gefammttitel Les Samts feit vorigem Jahre
erfcheint. Leiter der Sammlung ift H. Joly, der in der
oben sub Nr. 5 genannten Schrift gewiffermafsen eine
Einleitung dazu gefchrieben hat. Er will unterfuchen

,en quelque Sorte experimentalemcnt comment se developpe
et vit tarne du saint dans ce quelle a conserve de sem-
blable a la nötre1" (S. 43). Dabei (teilt er fich durchaus
auf den Standpunkt des correcten Katholiken, der, wenn
auch verdeckt und ohne zu poltern, wie andere Gegner
es thaten, auch ohne den Namen zu nennen, den tüchtig-
den Gelehrten, den das moderne katholifche Frankreich
befitzt, Duchesne wegen zu weitgehender kritifcher Gelüde
tadelt (S. 3). In gefchickter Weife werden die Ergeb-
nifse moderner Pfychiatrie zur Erklärung des wunderhaften
Elementes in dem Leben der Heiligen herangezogen
(S. 69 ss.), auch fond die Pleiligen aus dem Weihrauch-
fchleier kultifcher Verehrung hervorgeholt und in das
Leben hineingedellt. Für nichtfranzöfifche Lefer höchd
beludigend id der Hinweis darauf (S. 34 s), dafs die Heiligen
, wie die Mönchsorden erd dann zu Bedeutung gelangt
wären, fobald fie mitFrankreich in Berührung getreten feien.
Doch mag eine folche Betrachtungsweife den Franzofen
das Studium der Heiligenleben wohl ganz befonders empfehlen
. Man erkennt, wem nach der Abficht des Leiters
das Unternehmen dienen foll: nicht der Erkenntnifs von der
Art, in der das chridliche Lebensideal zu verfchiedener Zeit
und an verfchiedenen Orten in verfchiedenen Perfönlichkeiten
Gedalt gewonnen hat, fondern der Verherrlichung
der Kirche, die dets und überall diefelbe zu fein meint.
Dafs damit der an fich gar nicht hoch genug anzufchlagende
Nutzen, den ein folches Unternehmen haben könnte,
wefentliche Einfchränkungen erfährt, wenn er nicht fogar
zum Theil ganz aufgehoben wird, bedarf keines Nach-
weifes. Es kommt daher auch gar nicht darauf an, dafs
die Bearbeiter der einzelnen Lebensbilder den Stoff wirklich
vollkommen beherrfchen, und mit dem kritifchen
Materiale vertraut, wie in der kritifchen Methode geübt
find, fondern nur darauf kommt es an, dafs de die feinen
Grenzlinien zu bewahren wifsen, durch deren Ueberfchreiten
jener letzte Zweck des Unternehmens zerftört würde, ohne
dafs doch die Erzählung auf den Ton der Legenda aurea
abgeftimmt und dadurch für den modernen Lefer ungenießbar
gemacht würde. Die bisher erfchienenen Bändchen
zeigen, wie fchwierig ein folches Programm durchzuführen
ift. K urth, der Verf. des Lebens der Chrotechildis,
hat fich durch verfchiedene Arbeiten auf dem betreffenden
Gebiete bekannt gemacht [histoire poetique des Mero-
vingiens; Clovis). Aber feine Schilderung des Uebertritts
der Franken zur katholifchen Kirche, in deren Mittelpunkt

I er die Geftalt der hl. Clotilde hineingedellt hat, beweid,
dafs man die Gefchichte doch fehr verrenken mufs, wenn
man von feinem Standpunkt die Weltgefchichte als Heiligenlegende
fchreiben will. Dafselbe gilt in noch höherem
Mafse von der durch Hatzfeld bearbeiteten Biographie
Augudins, der, wie man S. XIII mit Erdaunen erfährt,
ein franzöfifcher Heiliger id, ,puisqu' Hippone etait autre-
fois dans cette partie de VAfrique, qui est aujourd'hüi de-
venue francaise'. Schon die Worte der Vorrede S. VIII:
,assurement il n'estpas de saint dont l'histoire noffre aux
chretiens un vif interet et un precieux enseig nement: il
semble toute fois que la vie de ceux qui ont ete de grands
pecheurs, avant d'elre de grands saints: nous tauche plus
directement' zeigen, dafs die Biographie fich durchweg in
den altbekannten, ausgefahrenen Geleifen bewegt. Und
der fchwierigen Aufgabe, die Theologie Augudin's dar-
zudellen, id der Verf. in einer Weife gerecht geworden
(S. 93 ss), die ficherlich des alten Bossuet Billigung gefunden
haben würde. Die folidede Arbeit, die in der
Sammlung bis jetzt erfchienen id, id die von Brou über

i Augudin von Canterbury.

Ueber den Nutzen eines derartigen Unternehmens
id kein Wort zu verlieren; nur mufs es in einem anderen
Geide geleitet und mit anderer Sorgfalt gearbeitet werden.
Dafs wir in Deutfchland nichts dem an die Seite zu fetzen

j haben, id zu beklagen. Man kann die Gefchichte nicht
lebensvoller dudiren, als in der Biographie. Und wie
Noth thäte weiten Kreifen ein wenig Kenntnifs von der