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Ausgabe: | 1898 Nr. 16 |
Spalte: | 444 |
Autor/Hrsg.: | Peters, Emil |
Titel/Untertitel: | Der griechische Physiologus und seine orientalischen Uebersetzungen 1898 |
Rezensent: | Nestle, Eberhard |
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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 16.
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bildung in gewöhnlichen Gebrauch zu nehmen. In ihrem I
weiteren Verlauf liefs die Scholaftik folche Rückfichten
fallen. — Der zweite Punkt findet fich S. 61 f., wo es von
Wiklif heifst: jetzt wendet er fich vor allem gegen die
Bettelorden .... die ,vier Sekten', die fich im Namen des
Teufels in die Kirche eingefchlichen haben u. f. w. Allerdings
bezeichnet W. in der Schrift De fundacione sec-
tarum cp. 4, Buddens. 26,13 die Bettelorden als iste
quatuor secte fratrum, und die Angabe ift alfo wörtlich
richtig, aber ganz überwiegend find ihm die vier neuen
Secten, denen er die einzig berechtigte secta Christi
gegenüberftellt, nicht die vier Bettelorden, die zufammen
nur die letzte unter ihnen bilden, fondern die Prälaten,
die Canoniker, die Mönche und die fratres, fo De tripl.
vinculo amoris cp. 4 Budd. 173,11; De Christo et
adv. s. a. cp. 2 Budd. 656,5 sunt autem iste secte
quatuor ut sepe dictum est clerus caesarcus, mo-
nachi, canonici atque fratres, vgl. die Schriften De
nova prevaricancia mandatorum und De quatuor
sectis novellis. Die in dem Namen ,die vier neuen
Secten' enthaltene Cenfur greift alfo — und hierin liegt
die Bedeutung der richtigen Beziehung des Ausdrucks
— nicht blofs die Bettelmönche an, fondern trifft die
ganze Kirche in ihrer dermaligen Organifation.
Zuletzt drängt es den Ref. eine Bitte auszufprechen,
die fich zugleich an die Adreffe des Herrn Verlegers
richtet. In dem Vorwort zu diefem Hefte wird in Ausficht
geftellt, dafs der noch übrige Theil des zweiten
Bandes, mit dem das Werk feinen Abfchlufs finden foll,
höchftens den doppelten Umfang diefes Heftes haben
werde. Wir wünfchen dringend, dafs dies nicht eingehalten
werden möchte. Dafs der Zeit feit Beginn der
Reformation noch nicht die Hälfte des Raumes zufällt,
der der Zeit bis dahin gewidmet ift, ift offenbar kein
richtiges Verhältnifs. So fehr M. die Gabe befitzt, mit
wenigen Worten viel zu fagen, fo ftellt die Fülle des
Stoffes doch unabweisbare Forderungen an den Umfang,
und die Gefchichte der neueren Zeit, zufammengedrängt
auf den doppelten Raum diefes Heftes, müfste fo fum-
marifch gehalten werden, dafs fie den Lefer, der von der
reichen Belehrung des vorliegenden Abfchnittes herkommt
, nicht befriedigen könnte. Möchte alfo die Abficht,
den urfprünglich für das Buch in Ausficht genommenen
Umfang nicht oder nicht erheblich zu überfchreiten, aufgegeben
werden! Es ift dies um fo wichtiger, als es fich
hier nicht um ein gewöhnliches Lehrbuch handelt, fondern
um ein Werk, dem durch feine Auffaffung und Darfteilung
der gefchichtlichen Verhältnifse eine hervorragende wiffen-
fchaftliche Bedeutung zukommt.
Berlin. S. M. Deutfch.
Holzhey, Dr. C., Die Abhängigkeit der syrischen Didaskalia
von der Didache. (Compte rendu du quatrieme congres
scientifique international des Catholiques, tenu ä Fri-
bourg (Suisse) du 16 au 20 aoüt 1897.) Fribourg
(Suisse), 1898. (München, J. J. Lentner.) (31 S. gr. 8.) |
Die Abhängigkeit der fyrifchen Didaskalia von der
Didache, die von Bryennios behauptet und von Funk
bewiefen wurde, wird von Holzhey durch zahlreiche Parallelen
(S. 4—24) ans Licht geftellt. Beide Schriften ci-
tirt er in deutfcher Ueberfetzung; die der Didaskalia hat 1
er felbft hergeftellt. Er führt alles auf, was irgendwie
als Anklang gelten kann; feine Darlegung würde vielleicht
wirkfamer gewefen fein, wenn er fich auf einige
Hauptftellen befchränkt, diefe aber ausführlicher behandelt
hätte. Die Schlufsformulirung, dafs die Didaskalia |
eine erweiterte, vermehrte und verbefferte Ausgabe der [
Didache fei, ift misverftändlich, weil fie fo verftanden
werden kann, als ob der Verfaffer der Didaskalia fich
durch die Didache in der Anlage feines Werkes beftimmen
liefse, während er doch in Wahrheit, foviel wir vviffen,
eine felbftftändige und eigenartige Arbeit liefert, auch
wenn er die Didache gelefen hat.
Göttingen. Hans Achelis.
Peters, Prof. Dr. Emil, Der griechische Physiologus und
seine orientalischen Uebersetzungen. Berlin, S. Cal-
vary & Co., 1898. (VI, 106 S. gr. 8.) M. 3.—
Wie das einleitende Capitel ,Zur Gefchichte des
Phyfiologus' bemerkt, hat diefe Arbeit den Zweck, ,durch
ihre populäre Form einem gröfseren Leferkreife als es
bisher gefchah, die Kenntnis diefes merkwürdigen und
kulturell hochwichtigen Büchleins zu vermitteln'. Gewährt
es uns doch unter anderem den Schlüffel zum
Verftändnis fo vieler wunderbarer Tiergeftalten in und an
unfern kirchlichen Gebäuden und Geräthen. Diefe Abficht
ift fehr gut, würde aber noch beffer erreicht, wenn das
Heft billiger wäre. Das zweite Blatt trägt die Widmung
,Der Gefellfchaft für deutfche Philologie in Berlin zum
zweiundzwanzigften Jahre ihres Beftehens. Der Feft-
fchriften fünfzehnte.' Für eine Feftfchrift ift die Aus-
ftattung (Papier und Umfchlag) geradezu gering. Aber
auch inhaltlich genügt die Schrift nicht ganz, da fie blofs
die betreffenden griechifchen, bzw. orientalifchen Texte
überfetzt, von jeder fachlichen und fprachlichen Erklärung
aber abfieht. Eine folche ift aber nicht blofs für den
,gröfseren Leferkreis', fondern felbft für die Gelehrten
unentbehrlich. Capitel 43 ift überfchrieben ,der Gerahav'
und beginnt: ,Es giebt einen Vogel, genannt Gerahav'.
Hier mufste doch ficherlich etwas über den Urfprung
diefes Namens gefagt werden. Ebenfo fehlt jede Bemerkung
, wo Citate fich finden, die fich nicht ohne
weiteres als biblifche zu erkennen geben, z. B. in Cap. 1
zweimal: Deswegen ruft der Prophet: ,wehe denen die
ihre Sünde thun', und lafst uns mit dem h. Paulus rufen:
.Steht nicht der Fallende wieder auf. Wenn in C. 21
gefagt ift: ,fo vermochte Judith dem Holofernes zu entfliehen
, Efther dem Artaxerxes, Sufanna den Greifen,
Thekla dem Tamyris', weifs der gröfsere Leferkreis,
dafs dies aus den Paulusacten flammt? Oder C. 44: wie
gefchrieben fleht: ,auf feinen Flügeln wandere; Licht-
fpender, gib der Welt Licht'? Vgl. dazu jetzt die Baruch-
apokalypfe in den Cambridger Texts and StudiesV, 1(89,14):
<PcoToööza öbg reo xööuco rb <ptyjoq. Ein vollftändiger
fprachlicher und fachlicher Commentar zu diefen Texten
wird allerdings die Kräfte jedes einzelnen überfteigen;
aber er mufs unternommen werden, um nur einmal das
ans Licht zu (teilen, was zur Gefchichte der Bibelexegefe
in ihnen enthalten ift. Bei Dillmann erfahren wir z. B. zu
Gen 3, dafs der Paradiefesbaum für einen Apfelbaum,
Oelbaum, Weinftock oder Feige gehalten wurde; dafs er
S. 59 als Mandragora gilt, ift doch viel bezeichnender.
Wie die dreizehnte Sibylle, die Königin von Saba, bei
den Arabern einen Efelsfufs, im Abendland einen Gansoder
Entenfufs hat, welch letzterer noch bis in die Familie
Carls des Grofsen hereinreicht: hier wird dasfelbe von
der Sirene erzählt. Derlei Beifpiele könnten gehäuft
werden. Carl Cohn hat in zwei Berliner Realfchulpro-
grammen (1896 u. 97) von der literarifchen Gefchichte
des Einhorns gehandelt. Wie wäre es, wenn in einer
unferer Doctorenfabriken der Reihe nach die Capitel des
Phyfiologus zu wirklich wiffenfehaftlicher Bearbeitung
aufgegeben würden? Einftweilen find wir dem Bearbeiter
auch fchon dafür dankbar, dafs er durch feine Ueberfetzung
den Stoff näher gebracht hat; dafs S. 3 der
Bibliothecar des Papftes Sixtus V nur, ein gewiffer Sirletus'
heifst, befremdet, vgl. des Unterzeichneten Septuaginta-
ftudien (I) u. II S. 11.
Ulm. Eb. Neftle.