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Ausgabe:

1898 Nr. 15

Spalte:

412-414

Autor/Hrsg.:

Stapfer, Edmund

Titel/Untertitel:

Jésus-Christ, sa personne, son autorité, son oeuvre. Tome III: La mort et la résurrection de Jésus-Christ 1898

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 15.

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und kümmmerlich gerathen fei, gelangt der Verf. zu
dem Schluffe, dafs diefe oft fo farbenreichen und dramatischen
Erzählungen der Bb. Ri Sa u. Koe nichts
anderes feien als Localfagen, die in der nachexilifchen
Zeit in Bezug auf die Trümmer der Grabmäler und
anderer Monumente umliefen, welche damals noch den
Boden Paläftina's bedeckten. Diefe localen Legenden
hätten die Soferim des 2. Tempels {les docteurs juifs de
la Restauration) gefammelt und bei der Redaction ihres
Gefchichtswerks {dans la trame de leur compositiori) eingefügt
. Dafs wir hier locale Legenden haben, die fich
an alte Heiligthümer knüpften, hat der Verf. fehr wahr-
fcheinlich gemacht; dafs fie aber erft in der nachexilifchen
Zeit fich gebildet haben, dafür ift er den Beweis fchuldig
geblieben. — An einer Anzahl gut gewählter und ge-
fchickt benutzter Beifpiele veranfchaulicht der Verf. feine
Thefe. —

Die Simfonsfage knüpfte an das mahane Dan Ri
13, 25, von welcher Oertlichheit wir 16, 31 erfahren, dafs
fie als Grabmal des Manoah, Simfons Vater, wie des
Simfon felbft galt. Die Legende vom Kinnbacken
fchliefst fich an das Quellenheiligthum von Ramat Lehi,
das in Erinnerung an eine Gebetserhörung den Namen
Quelle des Rufers (en haqqore) führte Ri 15, u—19. Alfo
keine Grabmalslegende. Die Gideonslegende fchlofs fich
an das Grabmal des Gideon und feines Vaters Ioas zu
Ofra Ri 8, 32, an das Heiligthum der Terebinthe da-
felbft Ri 6, 11 und an deffen Opferftein v. 19—21 fowie an
den Altar des Jahve salöm dort v. 24, über welche Dinge
fpäter eine feindfelige Legende der früheren panegyri-
fchen nachfolgte 8, 24—27. — Dafs der profane Abi-
melech in diefe Lifte der frommen Richter Aufnahme
fand, verdankt er nur dem Heiligthum von Sichern,
dem des Bundesbaal Ri 9, 9 f. und feiner heiligen Eiche
v. 6 Jos 24, 25—27. Nach der fpringenden Art feiner
Kritik will der Verf. den Abimelech der erften Königszeit
von Saul bis Salomo zufchreiben (S. 10 u. 33).
Die Sagen von Deborah hefteten fich an die Terebinthe
von Sa a nim Ri 4, n Scianannim Jos 19, 33, an die De-
borahpalme Ri 4,5 und das dortige Grabmal der Deborah,
daher Klageeiche {'allon baküt) Gn. 35, s. Der Verf.
will auch in der Eiche von Thabor I S. 10, 3 die der Deborah
mit Hülfe einer Buchftabenvertaufchung finden und
die Schlacht am Thabor Ri 4, 12. 14 auf diefe Verwechfe-
lung zurückführen (S. 16). — Die Jephthagefchichte ift
aus der Sitte von Ri 11,40 herausgefponnen. — Zahlreiche
Richterperfönlichkeiten verdanken blos Grabmäler-
fagen ihre Exiftenz innerhalb der Ueberlieferung: Tola
10,2. Jair 10,5. Ibzan 12,10. Elon v. 12. Abdon v. 15;
auch andere Ahnen der Vorzeit wie Jofef Gn 33, 19
vgl. Jos 24,32, Rahel Gn 35,20 etc. — Die Stammfagen über
Dan., feine Wanderung, feine Gründung des Heiligthums
von Dan beruhen auf dem Simfonsgrabe mahane Dan 16,31.
Ueber das Heiligthum felbft flehen zwei entgegengefetzte
Ueberlieferungen nebeneinander, eine fchmähende über
das geraubte Bild Ri. 18, uff. und eine panegyrifche über
den vornehmen altadligen Priener dort v. 30, wo der
Verf. richtig nCÜ aus ruOTn emendirt. — Die Erzählung
von Ri. 19 fei eine Schmähung Gibea's in Benjamin. —
Die Heiligthümer von Silo, von Beth schemesch, von
Kirgat Jearim u. A. rühmen fich des zeitweiligen Befitzes
der Bundeslade. Daraus find die Legenden von der
Wanderung derfelben entftanden. — Die Samuelfage
entftand bei den Heiligthümern von Rama, Bethel, Gil-
gal, Mispat, Eben'ezer. — Die Saulfage knüpft an die
Grabdenkmale von Jabes 1 S 31, sff. und Zela 2 S 2l,u.
Nach dem Verf. hat es überhaupt kein Sauls-Königthum
in Gibea, fondern nur ein folches in Jabes gegeben, wo
auch Isboseth refidirte. David habe nie zu Saul in Beziehung
geftanden, fondern fei Begründer eines judäifchen
Reichs in Hebron gewefen. Hier vermifst man aber
eine Ausführung darüber, wie die Legende dazu gekommen
ift, die Saul-Davidperiode in der vorliegenden |

| Weife auszufpinnen. — Im Allgemeinen ift zwar des
Verf's. Idee von den Grabmälerlegenden als eine fruchtbare
zu bezeichnen; aber ihre Verwerthung follte vor-
fichtiger gefchehen.

Jena. C. Siegfried.

Stapf er, Prof. Edm., Jesus-Christ, sa personne, son autorite,
son oeuvre. Tome III: La mort et la resurrection de
Jesus-Christ. Paris, Fischbacher, 1898. (X, 343 8.).

Fr. 3,50

Diefer Band bringt das früher in diefem Blatt (1897,
Nr. 15) angezeigte Werk zu würdigem Abfchlufs. Charakter,
Geilt und Methode find aus den zwei erften Bänden bekannt
. Indeffen berührt fich die hier gegebene Darfteilung
viel näher als die frühere mit der Aufgabe eines eigentlichen
Lebens Jefu; denn während die beiden erften Theile
es vor allem auf die Zeichnung eines Charakterbildes Jefu
abgefehen und darauf verzichtet hatten, alle einzelnen
Worte und Erzählungen der Evangelien an einem Faden
zu einem grofsen hiftorifchen Gemälde aufzureihen, verfährt
hier St. mehr biographifch, indem er es verfucht, den
inneren Zufammenhang der Reden und Thatfachen auf
Grund der Quellen wiederzugeben. In fünfzehn Capiteln
bringt er den reichen Gegenftand zur Darfteilung: I. Le
dernier hiver. — II. Complot contre Jesus. — III. La derniere
predication duRoyaume.—IV. Dentree a Jerusalem.—V. Les
dcrniers jours. — VI. La derniere soiree. — VII. La Salute-
Cene.—Jlll.D arrestation.—lX.Le jugement.—X.L' execjttion.

— XI. Les recits de la Resurrection {Recits des Evangiles).

— XII. Les recits de la Resurrection (Recit de Saint Paul).

— XIII. La verite sur la Resurrection. — XIV. Le certi-
tude de la Resurrection. — XV. La foi en la Resurrection.
Conclusion. Selbftverftändlich fleht das Bild Jefu im Mittelpunkt
, und das Beftreben des Verf.'s geht dahin, das
innere Leben und die wechfelnde Stimmung des Helden
der Paffion pfychologifch zu vermitteln und zu erklären.
Stapfer hebt ein Doppeltes hervor: die mit neigender
Evidenz fich dem von den Hierarchen Verworfenen aufdrängende
Gewifsheit von der Nothwendigkeit feines
Leidens und Sterbens, und andererfeits die unerfchütter-
liche Zuverficht und das höchstens einen Augenblick am
Kreuz getrübte CS. 217.337) Vertrauen zu dem ihn fenden-
den und beglaubigenden Vater. Im Einzelnen liefse fich
über Manches rechten. Ob die Ueberrafchung Jefu durch
die Ereignifse eine fo völlige gewefen fei, wie St. es annimmt
, möchte ich nicht behaupten. (97-98). Im Uebri-
gen hat diefer Verfuch einer pfychologifchen Eiklä-
rung, wie zart und geiftvoll er fein mag, mit welch'
feinem Verftändnifs er auch unternommen fei, den Ref.
alle Bedenken und Einwürfe Kähler's gegen die Wiffen-
fchaft vom Leben Jefu recht lebhaft ins Gedächtnifs
zurückgerufen, und der Verf. felbft hat mehr als einmal
fich hierüber eben fo offen als befcheiden ausgefprochen:
man lefe z. B. fein Schlufsbekenntnifs: ,Au moment de
poser la plume, feprouve profondement ce que tout historien
de Jesus a eprouve, apres avoir essaye de le decrire, de
raconter sa vie, de lire dans son ante: un grand decourage-
ment. . . J'avais eu une vision; la vision subsiste derriere
la representation imparfaite que fai tracee. Je savais, dail-
leurs, que la deception que feprouve etait inevitable; je latten-
dais: eile s'est sans cesse renouvelee dans le cours de l'histoire
pour quiconque a essaye de fixer l'image de Jesus. Mais
cette deception est utile, eile est necessaire; je dirai meme,
eile est heureuse et benie, car fest a eile que se comprend
et se mesure Vincomparable grandeur du Fils de FHomme'
(325—6). — Für den Theologen, der fich mit den hier
behandelten Problemen wiffenfchaftlich befchäftigt hat,
liegt ein Hauptintereffe des Stapfer'fchen Bandes in dem
Verfuch, fich mit der johanneifchen Tradition über die
Leidensgefchichte auseinanderzufetzen. Eine folche Tradi
tion findet nämlich der Verf. im vierten Evangelium, das