Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1898 Nr. 14

Spalte:

394-395

Autor/Hrsg.:

Férotin, M.

Titel/Untertitel:

Histoire de l‘abbaye de Silos 1898

Rezensent:

Ficker, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

393

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 14.

394

Dreves, Guido Maria, S. J., Godescalcus Lintpurgensis.
Gottschalk, Mönch von Limburg an der Hardt und Propst
von Aachen, ein Prosator des XI. Jahrhunderts. Fünf
ungedruckte Opuscula mit hiftorifcher Einleitung und
einem Anhange von Sequenzen. (Hymnologifche
Beiträge. 1. Band.) Leipzig, O. R. Reisland, 1897.
(219 S. gr. 8.) M- 7 -

Aehnlich wie die Neue Folge der Texte und Unter-
fuchungen zu den Ausgaben der älteren griechifchen
KirchtnfchriftftcllerfeitensderAcademiederWiffenfchaften
in Berlin verhalten fich die ,Hymnologifchen Beitrage',
deren erfter Band in obengenanntem Werke vorliegt, zu
den Analecta Hymnica, die von Clemens Blume und
Guido M. Dreves veröffentlicht werden. Die Hymno-
logifchen Blätter geben auch Texte und Unterfuchungen
über die Hymnendichter und ihre Krzeugnifse, um beiden
die richtige Stellung in der Gefchichte der lateinifchen
Hymnendicbtung anzuweifen, bezw. zu erobern. Das
fchwierige hifforifche Problem, das mit dem Namen des
Profendichters (Prosator) Gottfchalk bezeichnet ift, hat
in Dreves einen vor allen berufenen Bearbeiter gefunden.
Es ift ein wirklicher Genufs, den verwickelten und doch
fo klaren Unterfuchungen, der ficher gehandhabten hifto-
rifchen Methode des Verfaffers zu folgen und die mit
wünfehenswerther Zuverläffigkeit erreichten Ergebnisse
entftehen zu fehen. Wir befchränken uns auf ein einfaches
Referat.

Es handelt fich um die Perfönlichkeit Gottfchalk's
und um die ihm zuzufchreibenden Profen. Ueber die
Perfönlichkeit Gottfchalk's wiffen die meinen Herausgeber
mittelalterlicher Hymnen und Sequenzen (z. B. H. A. Daniel
, Ph. Wackernagel, Mone u. f. w.) nichts zu berichten
,' E. E. Koch verwechfelt unfern Gottfchalk gar mit
dem Wendenfurften gleiches Namens, Andere, wie
Schubiger, ihm folgend Kehrein und Rambach fufsen auf
Gerbert (De cantu et musica sacra II, 1774), der jedoch
die fichere Quelle der Wiener Handfchriit 917 fehr wenig
gründlich benutzt und eine andere Quelle, die Dreves
S. 11 namhaft macht, überfehen hat. Die forgfältigen
Forfchungen von Dreves haben nun das Ergebnifs, dafs
wir es mit einem Mönche Gottfchalk in Limburg an der
Hardt zu thun haben, der fpäter unter Heinrich IV. Propft
von Aachen wurde und am 25. Novbr. 1098 ftarb.

Nun die Dichtungen Gottfchalk's. Aus den fünf
Opuscula, die Dreves S. 63—166 mittheilt, find fünf
Hymnen, die theils angeführt, theils vertheidigt werden,
mit Sicherheit unferem Prosator zuzufchreiben, von denen
zwei auch durch Jakob Wimpheling's Eruditiuncida vom
Jahre 1499 bezeugt werden. Aufser diefen zwei Sequenzen
theilt Wimpheling nach drei andere mit, und
alle fünf hat er einer von dem Propfte Gottfchalk ver-
anftalteten und Kaifer Heinrich IV. gewidmeten Sammlung
feiner Sequenzen entnommen, die Wimpheling, I
Wacker und Capnion in dem pfalzifchen Klofter Klingen-
münfter eingefehen haben. Somit lind acht Dichtungen,
unter denen fich auch die von Daniel und Wackernagel
mitgetheilten, die Wimpheling entnommen find, befinden,
dem Gottfchalk mit Sicherheit zuzufchreiben. Aber damit
noch nicht genug. Auf Grund einer forgfältigen
Beobachtung der fprachlichen und fachlichen Eigenthüm-
lichkeiten diefer acht Dichtungen hat Dreves fich unter
den zahlreichen anonymen Sequenzen umgefehen, ob und
in wie weit fich jene Eigenthümlichkeiten darin entdecken
liefsen. Er befchränkt fich. um fich nicht ins Weite zu
verlieren, auf die in der Wiener Handfchrift 13314 niedergelegten
Sequenzen und weift bei vierzehn diefer Dichtungen
nach, dafs auch fie mit aller Wahrfcheinlichkeit
unfern Gottfchalk zum Verfaffer haben. Durch diefen
Nachweis tritt Gottfchalk aus feiner Verborgenheit in den
Vordergrund des hymnologifchen Intereffes, und wir 1
haben in ihm, um mit Dreves zu reden, .neben Notker

den fruchtbarlten und bedeutendften Sequenzendichter
Dcutfchlands in der erften reimlofen Periode der Profen-
dichtung' zu erblicken.

In dem erften Anhang der Schrift wird der Text der
gefundenen 22 Sequenzen mitgetheilt, im zweiten die
Melodien zu fieben diefer Sequenzen. Ein forgfältiges
Regifter befchliefst das fchöne Werk. Leider fehlt ein
Inhalts verzeichnifs.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Ferotin, M., Recueil des chartes de l'abbaye de Silos. Paris,
E. Leroux, 1897. (XXIII, 623 S.m. 1 Karte. 8.) Fr. 20 —
Ferotin, M., Histoire de l'abbaye de Silos. Paris, E. Leroux,
1897. (XI, 369 S. m. 17 Tafeln. 8.) Fr. 20.—

Auf die genannten beiden Bände glaube ich auf-
merkfam machen zu follen, weil Publicationen von Urkunden
zur Gefchichte der fpanifchen Kirche im Mittelalter
zu den Seltenheiten gehören, und weil Ferotin eine
durchaus lefenswerthe Darftellung der Gefchichte des
Klofters Silos gegeben hat. Zudem ift noch in nicht
vielen deutfehen Zeitfchriften diefer Werke Erwähnung
gethan worden.

Die Urkundenfammlung ift auf Korten der franzö-
fifchen Republik gedruckt worden. Ferotin hat aus dem
Archiv von Silos .und aus anderen Archiven die auf die
Gefchichte von Silos bezüglichen Urkunden publicirt. Sie
find der weitaus überwiegenden Mehrzahl nach bisher
ungedruckt. Der Reichthum des Klofterarchivs ift in Folge
mannigfacher Schickfale fehr zufammengefchmolzen; von
mancher feiner Urkunden ift nur noch eine kurze Inhaltsangabe
erhalten geblieben. Diefe und die erhaltenen
Stücke bis zum Jahre 1512 vereinigt Ferotin unter 572
Nummern. Die ältefte, eine Schenkungsurkunde des
Grafen Fernan Gonzalez an die Benediktiner flammt aus
dem Jahre 919, die jüngfte vom Jahre 1512 betrifft die In-
corporation der Abtei in die Congregation von Valladolid.
Die Urkunden, welche älter find als das Jahr 1200, werden
fämmtlich im Wortlaute mitgetheilt, von den jüngeren
werden manche im Regeft wiedergegeben. Die meiften
Stücke beziehen fich auf die Befitzungen des Klofters-
wirthfchaftsgefchichtlich am intereffanteften dürfte das
Verzeichniis der Einkünfte vom Jahre 1338 fein (Nr. 363).
Ueber localgefchichtliche Bedeutung hinaus gehen die
Angaben über die hermandad de Santo Domingo de
Silos, über den Zufammenftofs der Benediktiner mit den
Franziskanern um das Jahr 1300 und anderes. Ein ausführliches
Regifter, in dem auch ein Gloffar Aufnahme
gefunden hat, und eine Karte leiden gute Dienfte.

Das hier abgedruckte und commentirte Material hat
Förotin verwerthet für feine ,Gefchichte der Abtei Silos',
von ihrer Gründung bis zur Aufhebung im Jahre 1835.
Die Tradition fchreibt die Gründung dem Könige Rek-
kared 593 zu. Ferotin ift geneigt, diefer Tradition Glauben
zu fchenken und ftützt fich dafür auf zwei alte bei Ausgrabungen
in Silos zu Tage gekommene Säulenkapitäle.
Er verhehlt fich freilich auch nicht, dafs die beglaubigte
Gefchichte erft mit dem Jahre 919 beginnt, dem Jahre,
aus dem jene Schenkungsurkunde flammt. Zur Blüthe
ift die Abtei erft durch den hl. Dominikus gekommen.
Von deffen Thätigkeit entwirft auf Grund der alten Biographie
des Grimaldus Ferotin ein anfehauliches Bild.
Doch fcheint es mir, als hätte er die Sprache des Biographen
mehr in die Sprache der Wiffenfchaft umfetzen
follen, als er gethan hat. Das Todesjahr des hl. Dominikus
(1073) bildet den erften Einfchnitt in der Erzählung
der Gefchicke der Abtei, einen zweiten Einfchnitt bedeutet
die Klofterreform Benedikts XII., einen dritten
der Anfchlufs an die Congregation von Valladolid 1512.
Innerhalb diefer Grenzen theilt Ferotin auf Grund der
j Quellen, die er in reichem Maafse herangezogen hat, mit
| was über die Gefchichte des Klofters, über feine Aebte)