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Ausgabe:

1898 Nr. 1

Spalte:

19-23

Autor/Hrsg.:

Comba, Emilio

Titel/Untertitel:

I nostri Protestanti. II 1898

Rezensent:

Benrath, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 1.

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Beziehungen der Catenen nicht. Sie find Individuen;
jede hat ihre Befonderheiten, durch ihren Verfaffer und
die Gefchichte der Ueberlieferung. Die Unterfuchung
hat von Fall zu Fall vorzugehen, wie neulich Heinrici
PRE3IIl 759 mii Recht hervorhob. Was fie gemein-
fam haben, ift nicht viel mehr, als was Lietzmann auf
wenigen Seiten zufammenftellen kann. — Ob und wie
weit die Catenen herauszugeben find, ift auch nach Lietzmann
eine Frage, deren Beantwortung fich erft aus feinem
Catenenkatalog ergeben foll; aber er hat fich derart auf
den Gedanken einer Ausgabe capricirt, dafs er Publica-
tionen aus den Catenen fchon um deswillen bemängelt, j
weil ihnen keine Gefammtausgabe vorausgegangen ift.
In der Hauptfache ift ihm dabei Recht zu geben. An
die Stelle des Raubbaus, den die Mai und Pitra an den
Catenen ausübten auf ihrer Jagd nach inedita, hat eine
methodifche Unterfuchung zu treten; nur die Prüfung des
Ganzen kann das Fundament für die Ausgabe des Einzelnen
ergeben. So habe auch ich meiner Ausgabe der
Genefis- und Proverbienfragmente Hippolyt's eine Unterfuchung
der Catenen auf Grund des gefammten handfchrift-
lichen Materials vorausgefchickt, und hoffe damit jeder
weiteren Ausgabe aus diefen Catenen vorgearbeitet zu
haben. Die Unterfuchung zur Genefis habe ich noch nicht
drucken können, da mir noch die genaue Kenntnifs der
wichtigften Handfchrift fehlt, aus der nur die Hippolyt-
ftücke bekannt waren. Auch für die grofse Genefiscatene
noch eine Gefammtausgabe zu fordern, halte ich für über-
flüffig, zumal eine recht gute Ausgabe von 1772 vorliegt.
Durch eine neue Ausgabe würde die Sicherheit in der
Benutzung der einzelnen Fragmente um keinen Schritt
weiter kommen, als fie durch die eingehende Unterfuchung
des Ganzen gewährleiftet ift. Denn darüber wird
man fich keinen Illufionen hingeben dürfen: eine Rechnung
ohne Reft wird niemals das Refultat einer Catenen-
arbeit fein, auch wenn man fie alle in neuen Ausgaben
vorlegt; immer wird ein Theil der Fragmente 'Avmvvfiov
oder ävestiynafpov bleiben; und wer fich in principieller
Scepfis gefällt, wird niemals ein Catenenfragment zum
Ausgang einer wiffenfchaftlichen Combination machen
dürfen; bei gehöriger Vorunterfuchung wird eine folche
Sorge in den meiften Fällen allerdings übertrieben fein.
Und fo wird man nach näherer Ueberlegung noch bei
mancher Catene von einer Ausgabe Abftand nehmen.
Wenn der Eine diefe, der Andere jene Catene in die
Hand nimmt, wird fich von Fall zu Fall ergeben, was
im Einzelnen nöthig ift. Für alle, die einen intereffan-
ten Inhalt haben, eine Ausgabe zu fordern, ehe man fie
kennt, ift ein recht fummarifches Verfahren.

Auch im Einzelnen fehlen Verfehen nicht. Die Nachricht
S. 7, dass der Mosq. 385 nur 12 von den 45 Hippolytfragmenten
diefer Recenfion enthalte, ift falfch;
Cafpari hat nur das publicirt, was er für neu hielt. —
Das Citat zur Genefis N. 4 S. 38 giebt Chryfoftomus bei
Migne 53, 30 allerdings in anderer Form, aber wörtlich
54, 585. — Die Behauptung Leopold Cohn's S. 19, dafs
in der Catena Lipsiensis die Catene Prokop's erhalten fei,
ift in diefer Zufpitzung unrichtig, fo wichtig feine Entdeckung
ift. Die Catena Lipsiensis ift nur eine Recenfion
des Prokop'schen Werkes, zu deffen vollftändiger Kenntnifs
man zunächft die beiden andern Recenfionen bedarf.

Ufener befpricht in feinem Beitrag S. 28—34 den
Hiobcommentar im Paris, gr. 454 und feiner Abfchrift,
dem Berol. Phill. gr. T406; er gehört dem Julian von
Halikarnafs.

Göttingen. Hans Achelis.

Comba, Emilio, I nostri Protestanti. II. Durante la Riforma
nel Veneto e nell' Istria. Firenze, Libreria Claudiana,
1897. (XV, 700 S. 8.) L. 5.

Der erfte Band diefes Werkes (Firenze, 1895) hat
mehrfach Anfechtungen erfahren, hauptfächlich deshalb,

weil der Begriff ,Protestanti fofern ihm in einer dreizehn
Jahrhunderte umfpannenden Reihe ein Hermas (Verfaffer
des ,Hirten') und Hippolytus, ein Novatian und Jovinian,
ein Claudius von Turin und Dante, ein Petrus Valdus
und Savonarola eingegliedert wurden, doch eine gar zu
ungleichartige Schaar von Trägern erhalte. Es ift nicht
meine Abficht, mich über das gröfsere oder geringere
Maafs von Berechtigung diefer Kritik zu verbreiten, zumal
da mir der erfte Band feitens der Redaktion der Th. L. Z.
erft nachträglich und wohl nur zur Vergleichung zuge-
fandt worden ift — aber das werden, denke ich, die
Kritiker nun aus dem zweiten Bande erfehen, dafs der
Gefichtspunkt, aus welchem das ganze Werk gearbeitet
wird, doch ein hochbedeutfamer und einheitlicher ift,
wenn er fich auch als ein einfeitiger herausftellt. Vielleicht
aber ergeht es trotzdem andern bei dem Lefen
des zweiten Bandes auch fo wie mir: dafs fie zunächft
von einem nicht angenehmen Gefühle der Enttäufchung
ergriffen werden, weil fie unter der Auffchrift doch etwas
Anderes erwartet hatten, als fie nun finden. Es wird
ihnen hier eine Fülle von forgfältig gefichtetem, meift
zuverläffig und aus erfter Hand erhobenen, zum Theil
auch neuem, Material, und zwar in gefchmackvoller Form
von einem Manne geboten, der ein Meiner anregender,
weder das Salz noch den gelegentlichen Humor entbehrender
Darfteilung ift — aber wenn fie erwarteten, hier eine
Gefchichte der Reformation in Italien zu finden, fo täufchen
fie fich, ja der von C. genommene Hauptgefichtspunkt,
dafs der Reihe nach die .gegen Rom' Proteftirenden und
nichts Anderes vorgeführt werden foll, beruht auf einem
viel zu engen Begriffe von Reformation und zerftört in
letzter Confequenz die Möglichkeit einer Gefchichte der-
felben. Das empfindet naturlich auch der Verfaffer felbft.
Trotzdem betont er (Vorr. S. XV) dafs mit dem gegenwärtigen
fein früheres Unternehmen einer ,Sioria della
Rifoi'ma ltalianai, von der der 1. Band als Jntrodnzioue'
feit 1881 vorliegt, fortgefetzt werde.

Da ich hier zu recenfiren habe was unter entfprechen-
der Ueberfchrift vorliegt und nicht was etwa hätte geboten
werden können oder follen, fo fpreche ich gern
meine volle Anerkennung deffen aus, was C. bietet. Es
ift ja wahr, die Karte ift ziemlich bunt — ein Galateo
hat mit einem Tiziano, wenn man die theologifche, ja
die religiöfe Grundanfchauung beider vergleicht, wenig
gemeinfam, und zwifchen Flacius Illyricus und Negri, fo
wie etwa Pier Paolo Vergerio und dem ganz in der
Huter'fchen Richtung der Anabaptiften flehenden Francesco
della Sega klafft, theologifch und kirchlich betrachtet
, ein Abgrund. Aber die Bearbeitung zeigt durchweg
die gleiche umfaffende Kenntnifs des Vorhandenen
fowohl was Literatur als was Quellen angeht, die gleiche
Sorgfalt, freilich auch die gleiche Breite in der Darftellung.

Damit nun aber ein Rahmen für die einzelnen Bilder
nicht fehle, damit die Perfonen und ihr Gefchick fich von
einem gemeinfamen Hintergrunde abheben könnten,
fchickt C. eine zwiefache allgemeinere Darlegung voraus:
eine ,Einleitung' (S. 1—25) welche ,die Renaiffance, unter
dem religiöfen und moralifchen Gefichtspunkte' betrachtet
und ein Kap. 1 (S. 27—49), welches die Stellung der
Venetianifchen Republik in kirchlicher Beziehung zur
Darfteilung bringt. Die erftere diefer Fragen hat in
meifterhafter Ausführung einft der treffliche De Leva im
3. Bande feiner .Gefchichte Karl's V.' behandelt, und C.
lchliesst sich mit Recht ihm an. Das Hindernifs, über
welches nun einmal in der Renaiffancezeit die Verfuche
religiöfer Erweckung und Erneuerung, mochte felbft die
gewaltige Perfönlichkeit eines Savonarola ihr Träger fein,
nicht hinüber kommen, ift und bleibt, wie De Leva sagt:
il difctto di fede (der Mangel an Glauben) — und es
ift Italiens unentrinnbares Schickfal gewefen, dafs das in
j religiöfer Hinficht .gewogen und zu leicht befunden' zu-
j gleich auch die Urfache feines politifch-focialen Nieder-
S ganges werden follte. Das haben die erleuchteten Kenner