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Ausgabe:

1898 Nr. 13

Spalte:

370

Autor/Hrsg.:

Esselborn, Friedrich Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die philosophischen Voraussetzungen von Schleiermacher‘s Determinismus. Diss 1898

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 13.

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durch das Stadtregiment gefprengt und mit andern I fonft mit Thalhen, Thalem u. f. w.) als sacrae thcologiac
Brüdern befetzt worden. Im übrigen finden fich folche 1 professor die Rede ift, fo müfste es fchon merkwürdig
Anhänger Cefena's, die meift öffentlich vor anderen ! zugehen, wenn man zwei deutfche Lectoren (Profefforen)
Brüdern ihre Meinung vertraten, nicht nur in Italien und desfelben Namens im Orden annehmen müfste. Da aber
Deutfchland, fondern auch in Ungarn und Sklavonien Heinrich in No. 1025 als dilectus filiits bezeichnet wird,
(Dalmatien),' in Portugal (881), in Spanien (Provinz San ; fo ift es völlig ausgefchloffen, dafs er fich noch nicht
Jago), in Paris (durch einen Br. Konrad aus Oberdeutfch- unterworfen und ausgeföhnt hätte. Und da die beiden
land), in Langres, in Südfrankreich (Albi 785, ein ! Geleitsbriefe zur felben Zeit, beide mit viermonatlicher
fehr intereffantes Stück, und Grafse), in England (8o6f. Giltigkeit für zwei Lectoren ausgeheilt worden, fo denkt
809. 849). Unter denen, die eine Zeit lang im Verdacht man unwillkürlich, dafs fie doch innerlich zufammenge-
ftehen, befindet fich auch der Vertreter der äufserften ; hören und auf irgend eine theologifche Berathung deuten,
Papftg'ewalt, Alvarus Pelagius. Aber es hellt fich bald die in Avignon gehalten werden foll. Andererfeits darf"
heraus, dafs'er vortrefflich gefinnt ih. Mehrfach werden ~ man aber doch fragen, ob man einen ehemaligen Re-
die rebellifchen Brüder gefangen genommen, follen dann , bellen und Häretiker, gerade zum Lector gemacht und
etwa auch nach Avignon ausgeliefert werden: man will als Vertrauensmann benutzt hätte, und noch mehr, ob
eben aufs äufserhe durchgreifen. Von 1330 an kommen es denkbar fei, dafs derfelbe Heinrich, der 1333 an die
indeffen fah nur noch Abfolutionen vor. Vor allem ih Curie gezogen wird, zehn Jahre fpäter aus Mifsverhänd

der Paph darauf bedacht, die rebellifchen Häupter des
Ordens in feine Gewalt zu bekommen. Sobald man in
Avignon hört, dafs Ludwig nach Deutfchland zurückkehren
wolle, (Rayn. 1329,4 vom 17. März 1329), wird
auch fchon den deutfchen Bifchöfen befohlen, Cefena,

nifs wieder als Rebell bezeichnet werden könne oder
inzwifchen zum zweiten mal abgefallen fei. So weifs ich
im Augenblick keinen Rath. Allzuviel kommt ja auch
nicht darauf an. Im ganzen hat doch auch in diefem
Theil des Werkes das neue Material nur die Bedeutung

Occam, Bonagratia und ihre Anhänger, wenn fie, wie es ! Einzelnes klarer fehen zu laffen. Die grofsen Punkte
heifse, nach Deutfchland kämen, gefangen zu nehmen, • waren fchon bisher eben fo deutlich,
wo man fie fände (No. 773 vom 7. März). Und wenige 1 Dem Bullarium Franciscanum aber wünfche ich in
Wochen darauf ergeht an den Adel des füdweftlichen der Hand feines jetzigen Bearbeiters rüfligen Fortgang.
Deutfchlands derfelbe Befehl (No. 783 im Auszug fchon Vielleicht führt fchon der nächfte Band bis in die Anbei
Preger, die Verträge Ludwig d. ß. S. 171 No. 474), fänge der Obfervanz.

und da man hört, Occam werde in feine Heimat zurück
kehren, fo geht man auch den König von England an,
(No. 784). Nach einer Notiz in No. 850 (1330 Apr. 2.)
fcheint Occam in der That den Verfuch gemacht zu
haben, England für die Sache der Münchener zu gewinnen
. Denn der Papff fchreibt, Cefena, Occam und
Bonogratia predigen jetzt, wie er höre, ihre Härefien in
Deutfchland, sicut praefatus Gailelnms olias in Anglia
idem facerc temptaverat. Immerhin ift aber auch denkbar
, dafs man in Avignon aus der Abficht, von der man
gehört hatte, auf den Verfuch gefchloffen habe. — Von
Cefena felbft erfahren wir (S. 500 Anm.) aus Cod. Vat.
4009, wie er feine Erklärung an den Orden vom 25. Apr.
1331 durch einen gewiffen Johann von Lothringen (er
heifst nicht frater man hätte ja auch keinen der Münchener
Brüder fchicken können, ohne ihn fchwer zu gefährden
) auf dem Generalcapitel d. J. zu Perpignan hat
übergeben laffen. Dabei hört man auch, dafs eine Anzahl
von Perfonen — vermuthlich doch Brüdern, die auf
dem Capitel anwefend waren — dem ehemaligen Gene-

Breslau. Karl Mülle

r.

Esselborn, Stadtvikar Friedrich Willi., Die philosophischen
Voraussetzungen von Schleiermacher's Determinismus. Diffi
Ludwigshafen a. Rh., Druck von J. G. Biller, 1898
(V, 67 S. gr. 8.)

Die vorliegende Differtation beweift eine gute Be-
kanntfehaft des Verf. mit Schleiermacher's metaphyfifchen
und pfychologifchen Anflehten. Wenn aber der Verf.
den religiöfen Charakter des Schleiermacher'fchen Determinismus
und deffen Wurzeln in Umftänden, die noch
aller Befchäftigung Schleiermacher's mit philofophifchen
Fragen vorangehen, richtig erkennt (S. gf.), wäre es
folgerecht gewefen, die den metaphyfifchen und pfychologifchen
Problemen der Nothwendigkeit, Freiheit u. f. w.
gewidmeten Leiftungen nicht als ,Vorausfetzungen', fondern
vielmehr als Folgerungen jenes Determinismus zu
| würdigen. Grofse Bedeutung wird mit Recht der Rhap-
ral durch feinen Boten haben Briefe überbringen laffen. fodie von der Freiheit beigemeffen, die jedoch bisher

— Für Mag. Heinrich von Thalheim, den ehemaligen nicht »völlig unbeachtet' geblieben ift wie der Verf.
oberdeutfehen Provinzial, nachher zeitweiligen Kanzler 1 meint (vgl. Zeitfchrift für Theol. u. K. 1895, S. 49S)
Ludwigs d. B. hatte Wadding einen päpftlichen Geleits- 1 Wenn diefer fich ferner auf Schleiermacher's Sympathie
brief a. d. J. 1333 erwähnt und hinzugefügt, zwei andere | mit der calvinifchen Prädeltinationslehre beruft, hätte
Brüder Lambertucius de Friscobaldis, Rector des Con-
vents von Lucca, und Franciscus de Vulgano, hätten
gleichfalls einen folchen erhalten. Daraus hatte Kitzler
(Liter. Widerf. 123, 3) als Wadding's .Meinung combinirt,
Heinrich habe fich damals unterworfen und in Beglei

er auch deren Umbildung zur Lehre von der Wiederbringung
aller nicht aufser Acht laffen follen, da gerade
diefe für die Art von Schleiermacher's religiöfem Determinismus
befonders charakteriftifch ift. Am Schlufs feiner
Schrift urtheilt der Verf. richtig, wenn er fagt, Schleier-
tung diefer Brüder nach Avignon begeben. Er hatte j macher habe das FAeiheitsproblem zu einem anthropo-
das jedoch für einen Irrthum Wadding's erklärt, weil logifchen gemacht. ,Er hat felbftftändig den einzig rich-
Heinrich noch i. J. 1343 als Rebell gegen die Kirche tigen Weg zur Löfung des Problems durch einen dicht
erwähnt werde. Nun bringt aber Eubel beide Geleits- ! gepflanzten Wald metaphyfifcher Theorien angebahnt
briefe, den für Heinrich in Nr. 1025 vom 23. Juli 1333, I und eingefchlagen, indem er eine fcharf analyfirende
den an die beiden Italiener in No. 1019 vom 10. Mai. 1 Willenspfychologie fchuf und als Kernpunkt der Streit-
Beide flehen äufserlich in gar keinem Zufammenhang. j frage von überwiegend pfychologifcher Natur den Nach-
Wie fteht es nun mit Heinrich? Er hat nach dem Be- weis einer ftreng gefetzmäfsigen Verknüpfung zwifchen
rieht feines ürdensgenoffen Johann von Winterthur bald Willensmotiv und Handlung hinftellte'.

nach dem Römerzug vom Kaifer glänzend verforgt, ein
ftilles Leben in Augsburg geführt, und 28. Apr. 1338
finden wir (f. Riezler a. a. O.) in einer Urkunde als Zeugen
den Mag. Heinrich von Thalhan, Lector des Mino-
ritenordens. Da nun in dem Geleitsbrief von Heinrich
von Thalen OMin. (die Form Thalheim vvechfelt auch

Borm. O. Ritfchl.