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Ausgabe:

1898 Nr. 1

Spalte:

15-17

Autor/Hrsg.:

Wieland, Franz

Titel/Untertitel:

Die genetische Entwicklung der sog. Ordines Minores in den drei ersten Jahrhunderten 1898

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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15 Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 1. 16

Er nimmt an, dafs die einzelnen Stücke der zweiten | händen. Im Anfchlufs an die Einrichtung der Synagoge
Apologie von Juftin verfafst feien, um bei einer neuen | ift nach W. auch der Lektorat entftanden. Zunächft
verbefferten Auflage in die erfle eingefügt zu werden, j übernahmen die Gebildeteren der Gemeinde die Lefung
In den beiden Schlufsabfchnitten Rhildert Wehhofer der Schrift, mit Anwachfen der Gemeinden blieb die
Juftin als Rhetor im Spiegel feiner Zeit und beantwortet : Ausübung des Lektoramtes auf einzelne wenige be-
die Frage, warum der Philofoph Juftin auch ein Rhetor fchränkt. Erft um c. 225 wurde hier und dort im Orient
fein mufste. Dem Buch ift ein literarhiftorifches Regifter J ein officieller Lectorpoften errichtet. Indefs waren diefe
beigegeben. Die Arbeit Wehhofer's ift reich an feinen Lectoren noch Laien. Im Abendland gab es feit c. 150
Bemerkungen und Beobachtungen (f. befonders, was 1 Lectoren, die aber erft um 250 in den Klerus einbezogen
S. 65ff. über die Digreffionen und die damalige Rhe- ; wurden, wenn auch ihre gefellfchaftliche Stellung noch
torik S. 125ff. bemerkt ift). Auch Rheinen die Feftftel- 1 eine freiere war als die anderer Kleriker. Im Morgenlungen
über die Dispofition der Apologie Juftin's im land galten die Anagnoften erft feit 300 als Kleriker.
Anfchlufs an ihren rhetorifchen Charakter gegenüber den 1 Das Exorciren übte anfangs jeder mit dem Charisma
bisherigen Unklarheiten einen grofsen Forfchritt zu be- ausgeftattete Chrift aus, jedoch mufs man zwifchen pri-
deuten und im allgemeinen — über Einzelheiten wird | vaten und öffentlichen bezw. rituellen Taufexorcismen
man anderer Meinung fein können — Zuftimmung zu i unterfcheiden. Die letzteren wurden von Anfang an von
verdienen. Nur mufs man bedauern, dafs der ftilgewandte höheren Klerikern vollzogen. Allmählich geriethen die
Verfaffer feine Arbeit nicht in einer gefälligeren Form 1 privaten Exorcismen in Verfall, und die Collegien der
vorgelegt hat, da man oft Mühe hat, die Refultate des i Exorciften wurden der Aufficht der Kirche unterftellt.
Verfaffers bei der Aufftellung der Dispofition überhaupt I Als dann die Energumenenpflege und die Katechumenen-
aufzufinden. Es hängt dies mit feiner analytifchen Me- disciplin weitere Dimenfionen annahm, wurden die Ex-
thode zufammen, in der er zeigt, wie er zu feinen Re- orciften um 250 zu niederen Dienftleiftungen als reguläre
fultaten gelangt ift. Dies mag für Anfänger, die wiffen- Kleriker herangezogen, während im Orient ihre Einbe-
fchaftliche Unterfuchungsmethoden kennen lernen follen, Ziehung in den Klerus erft um 300erfolgte.— Der Subdia-
von Werth fein; die Klarheit der Darftellung hat aber konat und Lectorat find nach W. dadurch entftanden, dafs
erheblich darunter gelitten, und eine Zufammenftellung ] man für die Diakonen, die man nicht über die traditio-
der gefundenen Refultate wäre nöthig gewefen. So fehr I nelle Siebenzahl vermehrte, Gehülfen brauchte. Als dann
ich Wehhofer beiftimme, der wie Harnack (Chronologie i um 250 beide Claffen Kleriker wurden, bildeten fie zu-
214, Anm. 7) Grundt's Idypothefe, nach der mehr als nächft zwei völlig gefchiedene Kategorien, und aus beiden
die Hälfte der zweiten Apologie gefälfcht ift, ablehnt, konnte man direct in den höheren Klerus auffteigen.
fo wenig kann ich mich mit feiner Löfung des Problems, 1 Aus dem Subdiakonat entftanden die Akoluthen, die die
das die fogenannte zweite Apologie Juftin's bietet, be- bisherigen Functionen der Subdiakonen als Altardiener
freunden. Doch würde die Erörterung diefes Punktes 1 übernahmen und die Oftiarier, die die niedrigften Kirchen-
hier zu weit führen. Jedenfalls verdient die gründliche dienfte, wie die Reinigung der Kirche etc. beforgten. Im
Arbeit den Dank aller Forfcher auf dem Gebiete der Orient erlangte eigentlich nur der Lectorat von den or
Patriftik. dines minores eine Bedeutung. — Dies find die Refultate

Heidelberg. Grützmacher.

Wieland, D. Franz, Die genetische Entwicklung der sog
Ordines Minores in den drei ersten Jahrhunderten. (Rö

mifche Quartalfchrift. 7. Supplementheft) Rom 1897

Herder in Freiburg in Komm. (XI, 179 S. gr. 8.) j der Gefämm^

der Arbeit W.'s, die von guter wiffenfchaftlicher Methode
zeugt. Nur durfte m. E.W. feineUnterfuchung nicht mit dem
Ende des dritten Jahrhunderts abfchliefsen, fondern mufste
die wichtigen Urkunden des vierten Jahrhunderts für die
Gefchichte der ordines minores berückfichtigen, wie es
Harnack in dem den gleichen Gegenftand behandelnden
Auffatz (Texte und Unterfuch. II, 5) gethan hatte. Ferner

M. 4.— fämmtliche Quellenftellen vom Verfaffer fleifsig heran-
Nach allgemeinen Erörterungen über die Entwick- i gezogen und nicht ohne Scharffinn miteinander combi-
lung der chriftlichen Kirchenverfaffung, die der Verfaffer 1 nirt find, fchliefslich das Meifte hypothetifch bleibt und,
in Anlehnung an die jüdifch-fynagogale entftanden denkt, dafs die wenigen dürftigen Nachrichten nicht hinreichen,
behandelt er zuerft von den niederen Ordines den Sub- um eine genetifche Entwickelung der niederen Weihen in
diakonat. Im apoftolifchen Zeitalter war der Subdia- j den erften drei Jahrhunderten zu fchreiben. Aus den
kon ein laikaler Diener des Diakons, der dem jüdi- j erften beiden Jahrhunderten wiffen wir fo gut wie nichts
fchen Synagogendiener, dem chassan {vJirjQhrjq) ent- über fie, und ihre Ableitung aus jüdifch-fynagogalen Vor-
fprach und noch keine Sonderftellung vor den übrigen ! bildern ift nicht nur unbeweisbar, fondern auch durchaus
Gläubigen hatte. Von Anfang des zweiten bis Ende ! unwahrfcheinlich, da um 200, wo fie uns zuerft begegnen,
des dritten Jahrhunderts vollzog fich die Umwandlung die Kirche nichts mehr mit der Synagoge zu thun hatte,
des Subdiakonats aus einer laikalen Dienerklaffe zum I Hier hätte fich W. mindeftens mit Plarnack auseinanderklerikalen
Ordo; dies fand jedoch nur im Abendland, | fetzen müffen, der wenigftens zwei niedere Ordines, das
wo die Subdiakonen fchon um 250 in den Klerus auf- | Akoluthat und Oftiariat aus Anlehnung an den heidni-
genommen find, allgemein ftatt, im Morgenland blieb j Rhen Tempelcult erklärt, zumal der Name der Ako-
die Praxis des apoftolifchen Zeitalters vorherrfchend. I luthen der Annahme W.'s, wonach fie von Anfang an die
Erft zur Zeit des Nicänums fand der Subdiakonat als j niederften Altardienfte bcforgt haben follen, wenig gunftig
Ordo Eingang im Morgenland, aber nur in gröfseren ift- Betreff der Gefchichte des Lectorats dagegen Rheint

Kirchengemeinden und zeitweilig. Der Akoluthat war,
wenn er je als eignes Officium beftand, anfänglich reines
Laienamt und trat im Abendland erft um 250 als ordo
auf und zwar als erfte Stufe des engeren Kirchendienftes,
während der Orient dies Amt in den erften drei Jahrhunderten
überhaupt nicht kannte. Der Oftiariat ift in

mir W. Harnack gegenüber im Recht zu fein, abgefehen
von dem angeblichen jüdifchen Urfprung diefes Ordo.
Die geiftvolle Conftruction H.'s, die den Lector zum Erben
der charismatifchen Vorträge der alten öiöaöxaXoi macht
und eine fpätere Herabdrückung in den niederen Klerus
annimmt, ift doch aus einer nüchternen Betrachtung der

den erften drei Jahrhunderten noch ein laikales Amt für ! einfchlägigen Quellen nicht zu begründen. Die F orderung,
rein äufserliche Gefchäfte geblieben. Auch der Orient I die die apoftolifche Kirchenordnung an den Lector Hellt,
kannte den Pylorat als eignen Klerikergrad erft um 350. . dafs er dar/rjTixoj fej, bezieht fich wahrfcheinlich nicht,
Der Fofforat, hauptfächlich im Abendland vorhanden, wie H. will, auf die Fähigkeit, die Schrift auslegen, fondern
war theils mit anderen Klaffen vereinigt, theils in Laien- j das Gelefene richtig erfaffen zu können, um es mit Ver-