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Ausgabe: | 1898 Nr. 12 |
Spalte: | 327 |
Autor/Hrsg.: | Berendts, A. |
Titel/Untertitel: | Das Verhältnis der Römischen Kirche zu den Kleinasiatischen vor dem Niceanischen Konzil 1898 |
Rezensent: | Goltz, Eduard Alexander |
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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 12.
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Berendts, Mag. theol. Doz. A., Das Verhältniss der Römischen
Kirche zu den Kleinasiatischen vor dem Nicaenischen
Konzil. Antrittsverlefung (Studien zur Gefchichte der
Theologie und der Kirche, hrsg. von N. Bonwetfch
und R. Seeberg. I. Bd. 3. Heft.) Leipzig, A. Deichert
Nachf., 1898. (26 S. gr. 8.) M. — 60
Es ift dem Verfaffer zu danken, dafs er diefe zu
Dorpat gehaltene Antrittsvorlefung weiteren Kreifen zugänglich
gemacht hat, denn er giebt ein klares und m.
E. zutreffendes Bild von dem Verhältnifs der beiden
älteflen Kirchentypen und zeigt im Anfchlufs an die For-
fchungen von A. Ritfehl, Harnack und Kattenbufch, wie
klar trotz der Spärlichkeit der Quellen für uns fchon in
der älteften Zeit der Unterfchied morgenländifcher und
abendländifcher Auffaffung der religiöfen und kirchlichen
Fragen hervortritt, der in feiner weiteren Entwickelung
zum bleibenden Schisma geführt hat. Der Bifchof der
römifchen Gemeinde hat, geleitet von dem energifchen
Intereffe an einer feiten Rechtsordnung und einer ficheren
Autorität in der Kirche in den Ofterftreitigkeiten die erften
Anfprüche auf allgemeine Regelung der chriftlichen ,Sitte'
erhoben. Ja, von den erften Anfängen im erften Clemensbrief
an, hat fich das Beftreben immer ftärker geltend
gemacht, die eigene Ordnung und Tradition durch Berufung
auf göttliche Autorität zur allgemeingültigen zu
machen. Solches Verlangen nach univerfaler Autorität
und allgemeiner Ordnung von Recht und Sitte hat den
kleinafiatifchen Gemeinden gefehlt. Sie haben länger ein
Verftändnifs für die Einheit im Geifte bewahrt und haben
diefelbe durch die ,apoftolifche' Tradition und durch Bewahrung
der gottesdienftlichen Einheit als genügend ge-
fichert betrachtet. Dies zeigt fich fchon bei Ignatius und
tritt Mark hervor in der mehr defenfiven Haltung der
Kleinafiaten in den Ofterftreitigkeiten. Von diefem Gegen-
fatz und feiner Entwickelung giebt der Verf. eine klare
Vorftellung und auch folche, die an einzelnen Behauptungen
(z. B. der von der Entftehung des erften monar-
chifchen Epifkopats in Rom) Anftofs nehmen, werden
für diefe feine Zufammenfaffung der hier berührten Fragen
dankbar fein.
Berlin. Ed. von der Goltz.
Pijper, Dr. F., Geschiedenis der Boete en Biecht in de
christelijke Kerk. 2. deel. Van de zevende eeuw tot het
vierde Lateraanfche concilie in het jaar 1215. Stuk L
'S-Gravenhage, M.Nijhoff, 1896. (VII, 245 S. m. 1 Taf.)
Der erfte Band von Pijper's Gefchichte von Bufse
und Beichte ift 1891 erfchienen und in diefer Zeitung
1892 in Nr. 18 von anderer Hand angezeigt worden.
Diefe erfte Hälfte des zweiten Bandes reicht vom 7. Jahrh.
bis 1215.
Der Verf. weift öfters darauf hin, dafs er die Lehre
von der Bufse in einem fpäteren Abfchnitt bringen werde.
Dadurch ift die Anzeige erfchwert. Denn da Inftitut und
Lehre eigentlich gar nicht zu fcheiden find, fo ift es
jetzt fchwer zu fagen, ob der Verf. diefe und jene Frage
überfehen oder nur zurückgeftellt hat. Ich betrachte
freilich gerade diefe Scheidung fchon als einen grofsen
Fehler. Denn man kann wahrlich die Bufse nicht durch
5—6 Jahrhunderte verfolgen, ohne dafs z. B. ein Wort
darüber fällt, was ihr die Kraft giebt, die Leiftung des
Büfsers oder fchon feine Reue, was die kirchlichen
Bufskanones und die Satzungen der Bufsbücher — über
ihre Gefchichte handelt der ganze zweite Theil diefes
Halbbandes — eigentlich wollen, wozu fie dienen, wie fie
gehandhabt werden u. f. w. und wie fich die ganze Praxis
völlig verfchiebt, feitdem fie im 12. Jahrh. aufser Gebrauch
kommen, welche Sünden dann die Bufse nöthig
machen, und wie fich zugleich eben damit der Kreis
der Sünden, die man in der Beichte bekennt, erweitert,
I wie die päpftlichen Refervationen der Abfolution allmählich
autkommen — die Notiz über die Synode von
Limoges 1031 (S. 95) ift das einzige, was darüber getagt
wird — u. f. f. Es ift ja wohl anzunehmen, dafs diefe
und zahlreiche andere Fragen, von denen man jetzt gar
nichts hört, im nächften Halbband behandelt werden.
Aber fo bekommt man auch jetzt einfach kein Bild
von der Bufsinftitution, fondern nur eine Anzahl von
Nachrichten über diejenigen äufseren Momente, die der
Verf. herausgegriffen hat: Nothwendigkeit der Beichte,
öffentliche und private Bufse, Bufse der Kranken, Kleriker
1 und Mönche, Verhältnifs zur weltlichen Macht, Strafen,
! Formeln der Excommunication und der Abfolution.
Der Stoff ift einfach nach Jahrhunderten eingetheilt
und bei jedem Jahrhundert wiederholt fich das Schema.
Die Darftellung wird dadurch ganz unnöthig umftändlich
und zerfplittert. Denn das Ergebnifs ift in den meiften
i Punkten immer dafselbe. Sie verliert aber auch an
Schärfe. Denn die wirklichen Neuerungen treten nicht
fo hervor, wie fie müfsten, wenn man die unveränderten
Zuftände diefes Zeitraumes zu Grund legte und dann die
Veränderungen beleuchtete.
Den Entwickelungsgang der Bufse fafst Pijper ungefähr
ebenfo wie Steitz u. a. Da die Grundlagen hiezu im
erften Band gelegt find, fo habe ich nicht mehr im allgemeinen
darüber zu verhandeln, fondern nur heraus-
j zugreifen, was hier davon erwähnt wird. S. 120 fetzt er
fich mit meiner Abhandlung über die Bufse auseinander.
Ihre einzelnen Unrichtigkeiten will er übergehen. Aber
! er findet zweierlei von mir überfehen: 1. dafs die An-
fchauungen Abälard's und feiner Schule auch früher nicht
ganz gefehlt haben und im Lauf der Jahrhunderte immer
ftärker hervorgetreten feien; 2. dafs Abälard über Bufse
1 und namentlich Beichte vieles gefchrieben habe, was auch
I die feurigften Vertheidiger der priefterlichen Macht habe
befriedigen müffen. — Die Art wie er diefe feine Sätze
begründet, ift auch fchon anderweitig aufgefallen (J. A.
Cramer in den Theolog. Studien hrsg.von Daubanton u.a.
1898, S. 19 ff.). Für den erften Punkt hat der Verf. die
Stellen nicht angeführt, die ich als Beweis verwendet
habe, dafs der Gedanke Abälard's fchon früher anklinge,
vielmehr verweift er auf andere frühere Stellen feines Buches.
Schlägt man fie nach, fo reden zunächft S. 77 und 89 f. von
Ketzern; fie könnten alfo nur dann etwas bedeuten, wenn
1 bewiefen wäre, dafs fich die ältere reinere Auffaffung vor
! dem wachfenden priefterlichen Anfpruch zu den Sekten
geflüchtet habe (S. 121). Aber wenigftens die Stellen, die
P. aus älteren kirchlichen Schriften anführt, beweib :n
gar nichts. Die Worte des Eligius von Noyon (S. 5 ff.)
fagen nur: die bifchöfiiehe Abfolution, die fichtbare
! Verföhnung mit der Kirche helfe nichts, wenn der
' Büfser fich nicht felbft von der Sünde losmache. Die
Bifchöfe können die Vergebung nicht bewirken, fie feien
nur Diener Gottes, bevollmächtigt, im Himmel und auf
Erden zu löfen und zu binden. Da ift nicht blofs kein
Wort darüber gefagt, dafs fchon die Reue allein, ab-
! gefehen von den Werken, die Vergebung Gottes bewirke
j — das ift das Entfcheidende bei Abälard —, fondern es
ift auch ausdrücklich gefagt, dafs die Genugthuung das
leifte. Auch die Rolle des Bifchofs ift weit entfernt von
der, die Abälard dem Priefter zufpricht: fie überfchreitet
nirgends die Linie, die auch nach heutiger römifcher
Anfchauung die priefterliche Abfolutionsgewalt einhält.
Aehnlich fleht es mit der zweiten Belegftelle (S. 29—33).
Der Brief Alcuin's bei Jaffe" Nr. 277 beweift lediglich,
dafs man fich in Septimanien wie anderswo gegen die
neue Forderung der geheimen kirchlichen Bufse und
Beichte für geheime Sünden gefträubt hat: P. konnte
das nur verkennen, weil er die wichtige Aenderung nicht
kennt, die an diefem Punkt im 7. und 8. Jahrh. fich von
England nach dem Feftland herüber gezogen hat. Und
die Gefchichte des Adalbert, der durch Bonifatius und Pipin
verurtheilt worden ift, ift wieder kein Beweis für eine