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Ausgabe:

1898 Nr. 1

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Wehhofer, Thomas

Titel/Untertitel:

Die Apologie Justins, des Philosophen und Märtyrers in literarhistorischer Beziehung zum erstenmal untersucht 1898

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. I.

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Intereffe auch auf das ,Heidenthum' ausgedehnt werden, i felbftftändiges Leben doch wieder in das Schema der
weil Heidenthum und Judenthum der Kaiferzeit aufser- j Theorie. Was man ,Eschatologie' des Paulus nennt, ift

halb des heiligen Landes in manchen Dingen gar nicht
von einander zu trennen find, weil fie in characterifti-
fchen Vertretern eine Art Perfonalunion gefchloffen haben
und weil fie zufammen den Boden darftellen, in den die
Samenkörner des Evangeliums gelegt wurden. Ich glaube
nicht, dafs es in der Kaiferzeit rein jüdifche Gemeinden
in Afien, Macedonien, Achaia, Rom gegeben hat und
dafs man auf die jungen Chriftengemeinden in der Dia-
fpora die Frageftellung judenchriftlich oder heidenchrift-

wenig eschatologifch; es mufs begriffen werden als kZxtg,
von der er felbft bezeugt: eXsclg ß/LEjiofisvr} ovx taxiv
sXjtig. Man darf keine ausgearbeiteten Paragraphen,
kein kunftvolles, durchfichtiges Syflem finden wollen,
auch keine deutlichen Stufen ruhig fortfchreitender
Entwickelung erwarten; Paulus hat nicht de novissimis
gefchrieben. Man mufs fich auf ein Hinundherbranden
grofser Gedanken, Stimmungen, Erwartungen gefafst
machen. Hätte Teichmann den unliterarifchen, unbefangen

lieh?' anwenden darf. Gerade die Andeutungen des I religiöfen Charakter der Paulusausfagen noch fchärfer ins

Paulus über die letzten Dinge find zumeift in Briefen an
Gemeinden enthalten, bei denen ein ftarkes ,heidnifches'
Element vorausgefetzt werden mufs. Man hat ja die
Gedanken des Paulus über die letzten Dinge nach den
Motiven ihrer Entftehung zum Theil begriffen, wenn man
fich an die biblifch-jüdifchen Vorffellungen hält, aber
ihre Tragweite in der religionsgefchichtlichen Umgebung

Auge gefafst, fo hätte er fich nicht zu verwundern brauchen
(S. 67), dafs der Apoffel in derfelben Zeit, in der er den
Gedanken der Auferftehung der Chriften angeblich durch
einen anderen erfetzt hatte, doch noch von Auferftehung
redet.

Heidelberg. A. Deissmann.

hat man damit noch nicht erfafst. Das letztere Intereffe j w ehhof er, Dr. P.Thomas M., O. Praed., Die Apologie Justins,

fehlt der Arbeit Teichmann s, wenn ich recht lehe, ganz. , r "

, f i c m(', . , , c ' &(nff des Phtlofophen und Märtyrers in hterarhiftorifcher

Was fie aus dem,Heidenthum'beibringt (vgl. b. 32,49, 59«., r j

71 f., 74), foll einen Beitrag zum Verltändnifs der Ent
ftehung jener Gedanken liefern. Aber felbft wenn man
die Aufgabe fo eng fafst, hätte doch mehr Material her
beigefchafft werden müffen. Die Commentare von Hein

Beziehung zum erftenmal unterfucht. Eine Vorftudie
zur Kirchen- und Philofophiegefchichte des II. Jahrhunderts
. (Römifche Quartalfchrift. 6. Supplementheft.)
Rom 1897. Herder in Freiburg in Komm. (XIV, 141 S.

rici bieten in diefer Beziehung reiche Anregung. Ich g.

denke dann namentlich an die grofse Zahl von Grabin- s ■ •/ iVl- 4

fchriften aus der Kaiferzeit, die für die Ermittelung der
volksthümlichen Stimmungen von höchftem Werth find.
Schriften wie das Programm des Jefuiten R. Herkenrath,
Studien zu den griechifchen Grabfchriften, Feldkirch 1896,
find meines Erachtens trefflich geeignet, den altchriftlichen
Religionshiftoriker in unferer Frage auf wirklich religions-
gefchichtliche Gefichtspunkte zu bringen.

Doch das find Wünfche, die keinen Tadel enthalten
follen. Teichmann wird die geforderte Erweiterung der
Aufgabe vielleicht nicht einmal als berechtigt anerkennen,
und ich gebe gern zu, dafs auch nach der luftreinigenden
Arbeit von W. Wrede die ganze Frage nach der Methode

Die vom Verfaffer feinem Lehrer von Härtel gewidmete
Monographie will durch eine rein literarhifto-
rifche Unterfuchung der Apologie Juftin's eine Lücke
in der Patrologie ausfüllen. Wehhofer geht davon aus,
dafs die Apologie der Kunftform der Rede zugehört,
und fich demnach von den fünf flehenden Theilen der
Rede vier, prooemium, tractatio (probatio), refutatio und
epilogns in ihr finden müffen, während die narratio in
Wegfall kommt. Das Prooemium der Apologie ift genau
nach den Regeln der Rhetorik mit Verwendung der beliebten
Form des aqjoöfjoxtjg gearbeitet, indem der Phi-
lofoph ähnlich wie Demofthenes in der Rede für die

noch fehr der gemeinfamen Discuffion bedarf. Aber in Megalopoliten den Kaifern heftige Vorwürfe macht. Es
ihren Grundzügen kann die Beantwortung nicht zweifei- folgt die Aufflellung der propositio und zwar einer mo-
haft fein. Natürlich wird fich für gewiffe und vielleicht tivirten propositio, wie fie gerade bei den Stoikern beliebt

gerade die centralen Gedanken des Neuen Bundes wenig
Pofitives aus der jüdifch-heidnifchen Umgebung beibringen
laffen. In Sachen der ,letzten Dinge' aber ift die vergleichende
Methode die fruchtbare.

Die Art, wie Paulus und feine Ausfagen aufgefafst
und verwerthet werden, ift mir im allgemeinen fym-
pathifch. Teichmann hat einen Blick für das Menfch-

war. Das nomen christianum darf nicht verurtheilt werden,
weil den Chriften als folchen nichts Böfes nachgewiefen
werden kann. Den letzteren Satz beweift er, indem er
in Leben und Lehren der Chriften Einficht vermittelt.
Die Apologie zerfällt demnach in zwei Haupttheile,
c. 4—c. 13 die Refittatin, in der er die gegnerifchen Argumente
widerlegt, dafs die Chriften der maiestas fchuldig

liehe und Untheologifche in der Erfcheinung des Apoftels; J find, und c. 13 (Schlufs) —c. 67 die Probatio, in der er be
er weifs, dafs in der religiöfen Speculation nicht die be- j weift, dafs Chriftus der Lehrer Gott ift. Die propositio
haglichen Theorien befchaulicher Stunden die Führung des zweiten Theils wird dann in c. 13—22 durch einige
haben, fondern die grofsen Erfahrungen des äufseren und Lehrfätze Chrifti felbft, in c. 23—29 durch verfchiedene,
inneren Lebens grofser Menfchen. So fcheut er fich nicht, | lofe zufammenhängende Beweife, in c. 30—52 durch den
die Mannigfaltigkeit und — wenn man doctrinär reden | Prophetenbeweis und in c. 53—67 durch die Dämono-
wollte — Inconcinnität der gelegentlichen Ausfagen des logie als richtig nachzuweifen verlucht. Auf den Epilog
Apoftels anzuerkennen und pfychologifch zu erklären, hat Juftin nach der theoretifchen Vorfchrift grofse Kraft
Er kommt zu dem Refultat (S. n6f.), dafs Paulus von
den eschatologifchen Vorffellungen des Judenthums durchaus
abhängig fei, in den früheren Büchern fei ein Vorwiegen
der paläffinenfifchen Anfchauungen zu bemerken,
in den fpäteren, befonders 2. Kor. und Phil., machten

fich mehr helleniffifche Einflüffe geltend. Daneben fei j torifchen Plan der Apologie einfügen. Er erklärt fie
eine fpeeififeh chriffliche Gedankenreihe unverkennbar.
Sie trete überall da hervor, wo Paulus die Confequenzen
aus der Lehre von der gnadenweifen (sie) Verleihung
des stvtv(ia auf Grund des Glaubens ziehe

verwandt, der Haupteffekt des Epilogs liegt in der Berufung
auf das Edikt Hadrians, des Vaters des Antoninus
Pius, deffen Echtheit im Anfchlufs an Mommfen und
Harnack angenommmen wird. Weiter behandelt Wehhofer
die vielen Digreffionen, die fich nicht in den rhe-

einmal aus der geringen Stilgewandheit Juftin's, anderer-
feits aber daraus, dafs die Antike die unkünfflerifche
Anmerkung modern wiffenfehaftlicher Darftellungen nicht
kannte. Im Folgenden zeigt Wehhofer, wie bei Juftin
Ob es dem Verfaffer gelungen ift, und ob es über- ' das rhetorifche Gefetz der Jmitatio darin feinen Ausdruck
haupt möglich ift, zwei zeitlich auf einander folgende findet, dafs er in feiner Apologie die Platonifche Apo-

Stufen eschatologifcher Gedanken plaufibel zu machen, logie des Sokrates nachzuahmen verfuchte. Nach e
ift mir fraglich. Ich fürchte, man verwechfelt hier das j Rückblick über die bisherigen verfchiedenen Auffaffungen
Nebeneinander mit dem Nacheinander und zwängt freies, | der erften Apologie wird kurz auf die zweite eingegangen