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Ausgabe:

1898

Spalte:

316

Autor/Hrsg.:

Schneller, Ludwig

Titel/Untertitel:

Vater Schneller. Ein Patriarch der Evangelischen Mission im heiligen Lande 1898

Rezensent:

Wurm, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. II.

welchen die Basler Miffion am Kaukafus hervorgegangen
in. Auch hätte bei der Gründung der Dresdener luthe-
rifchen Miffionsgefellfchaft der Einflufs Scheibel's und
der lutherifchen Separation hervorgehoben werden dürfen.
Die Darflellung der deutfchen Miffionen dürfte überhaupt
mehr in Beziehung gefetzt werden zur Entwickelung der
heimifchen kirchlichen Verhältnifse. Dann wäre fie
weniger fragmentarifch geworden. Nach der ausführlichen
Darfteilung des Mangels an Miffionsgedanken im
16. und 17. Jahrhundert hätte das 19. Jahrhundert gröfseren
Raum für die eigenthümliche Entwickelung diefer Gedanken
in den verfchiedenen heimathlichen Kirchen oder
kirchlichen Kreifen verdient. Doch wir wollen dankbar
fein für das Dargebotene.

Warneck's Miffionszeitfchrift bedarf ebenfalls
keiner befondere Empfehlung. Sie ift nun in ihren 25ften
Jahrgang eingetreten und hat neben dem Basler Miffions-
magazin, das immer noch treffliche Artikel und Ueber-
fichten über die gefammte Miffionsthätigkeit enthält, fich
ihre Stellung erobert als das Hauptorgan für gefchicht-
liche und theoretifche Miffionskunde. Dadurch, dafs fie
nicht im Auftrag einer einzelnen Miffionsgefellfchaft
herausgegeben wird, kann fie namentlich miffionstheo-
retifche Fragen unbefangener befprechen, und der
Herausgeber weifs mit ficherer Hand Mitarbeiter zu gewinnen
, welche in den verfchiedenen Gebieten fachkundig
und anziehend darftellen können. Bei aller
Mannigfaltigkeit ift doch das Ganze von einem Geift
beherrfcht, und neben dem für wiffenfchaftlich Gebildete
beftimmten Hauptblatt enthält das alle Vierteljahre dem
Heft angefügte Beiblatt populäre Darftellungen, welche
im Familienkreis oder in Miffionsvereinen vorgelefen
werden können. Es exiftirt wohl auch in englifcher
Sprache trotz der viel gröfseren Ausdehnung der
britifchen und amerikanifchen Miffionsarbeit keine Zeit-
fchrift, welche so zuverläffig die Nachrichten aus der
ganzen evangelifchen Miffionsthätigkeit fammelt und
grappirt und auch die Manipulationen der römifchen
Miffion gegenüber der evangelifchen fo genau verfolgt
wie Warneck's Allgemeine Miffionszeitfchrift.

Echterdingen. P. Wurm.

Strümpfei, Pfr. E., Wegweiser durch die wissenschaftliche
und pastorale Missionslitteratur, unter Mitwirkung von
Fachmännern bearbeitet, herausgegeben vom Vor-
ftande der Miffionskonferenz der Prov. Sachsen. Berlin,
M. Warneck, 1898. (V, 104 S. gr. 8.) M. I.—

Bei dem grofsen Umfang der Miffionsliteratur ift
ein folcher Wegweifer erwünfcht und es find im ganzen
treffende und unparteiifche Charakteriftiken der einzelnen
Schriften in demfelben enthalten. Die mit einem Sternchen
bezeichneten, befonders empfohlenen Schriften find
immerhin fo zahlreich, dafs es fchon einige Zeit erfordert
fie zu bewältigen. Süddeutfchland ift etwas kürzer weggekommen
in der Aufzählung guter Schriften als Nord-
deutfchland. Z. B. der Basler Miffionskalender dürfte
neben dem Jahrbuch der Sächfifchen Miffionskonferenz
(S. 77) wohl erwähnt werden. Auch die Miffionsbilder
des Calwer Verlagsvereins, welche unter Gundert's Leitung
zufammengeftellt wurden, bieten für die Orientirung eines
Pfarrers auf dem betreffenden Miffionsgebiet mehr als
ihr Titel vermuthen läfst. Einige von Heffe verfafste
gröfsere Tractate im Verlag der Basler Miffionsbuch-
handlung haben ebenfalls wiffenfchaftlichen Werth. Die
Charakteriftik des Miffionsmagazins (S. 92) ift infofern
nicht ganz zutreffend, als es vor der Erfcheinung von
Warneck's Miffionszeitfchrift keineswegs mehr theoretifche
Artikel enthalten hat als nachher, fondern faft immer eingehendere
Schilderungen und Darftellungen vom Miffions-
felde.

Echterdingen. P. Wurm.

Schneller, Paft. Ludw., Vater Schneller. Ein Patriarch
der Evangelifchen Miffion im Heiligen Lande. Leipzig,
H. G. Wallmann, 1898. (197 S. gr. 8. mit Abbildungen.)

M. 2.— ; geb. M. 3.20

Wer Ludwig Schneller's Schriften kennt (Kennft du
das Land? — Evangelienfahrten u. a.), der wird mit einem
guten Vorurtheil in Bezug auf anziehende Darfteilung
diefe Biographie feines Vaters zur Hand nehmen. Allein
nicht die Darftellung, fondern die Perfon diefes Patriarchen
der evangelifchen Miffion in Paläftina felbft wird
den Lefer am meiften feffeln. Der arme, aber reich begabte
, aus einer Salzburger Familie Rammende württem-
bergifche Dorffchullehrer ift nach kurzer Arbeitszeit in
der Heimath und auf St. Chrifchona bei Bafel von
Spittler nach Jerufalem gefandt worden, ohne klare Be-

: nimmung über feinen Beruf und ohne regelmäfsige Unter-

| ftützung aus der Heimath. In der Selbftverleugnung
reichlich geübt, mit grofsem Glaubensmuth, mit zäher
Energie und praktifcher Begabung ausgerüftet, hat er
mit feiner treuen Gattin, die ihr Vermögen opferte,

i 6 Jahre lang hauptfächlich unter dem von der englifchen

j Miffion wenig berührten Landvolk von Palältina zu
wirken gefucht, deshalb aufserhalb der Stadt fich ein

1 Haus gebaut, nicht entmuthigt durch fchreckliche räube-
rifche Ueberfälle, bis ihm 1860 durch die Metzeleien unter
den Chriften am Libanon feine eigentliche Lebensaufgabe
zufiel: Das fyrifche Waifenhaus, welches allmählich
zu einer evangelifchen Kolonie heranwuchs und das
Haupteontingent zu evangelifchen arabifch redenden
Gemeinden in Paläftina lieferte, denn die Zöglinge wurden
auch in Handwerken und andern Berufsarten im Haufe
unterrichtet, bis fie eine felbftftändige Stellung fich erworben
hatten. Es ging noch durch mancherlei Schwierigkeiten
, auch fchwere Verleumdungen waren ihm nicht

| erfpart. Aber das Werk wuchs, ein grofses Areal wurde
durch kluge Benützung der Umftände dem Haufe hinzu-

1 gefügt, und Schneller durfte es noch erleben, dafs der
Fortbeftand der nur unter feinem Namen gegründeten
Anftalt gefichert wurde, indem ein vom deutfchen Kaifer
mit Korporationsrechten ausgeftattetes Curatorium mit
dem Sitz in Köln die Leitung übernahm. Etwa 1500
evangelifch-arabifche Chriften flehen als dankbare Schüler
Schneller's im Heiligen Land. Als 1896 auch armenifche

j Waifen aufgenommen wurden, lag Schneller bereits auf
dem Sterbebett. Aber er durfte noch feine Freude darüber
ausfprechen. — Das Buch ift zunächft in arabifcher
Sprache für die Zöglinge des Waifenhaufes gefchrieben
worden und enthält viele Abbildungen. Für manche
deutfehe Lefer wäre wohl noch eine genauere Orientirung

| über die verfchiedenen Arbeiten in Paläftina (von Kaiferswerth
, Berlin, England) und Schneller's Stellung zu den-

I felben erwünfcht gewefen. Doch wir wollen dankbar
fein für das Gegebene.

Echterdingen. 1'. Wurm.

Notiz zu den Acta Pauli.

(Vgl. ThLZ. 1897, Nr. 24, S. 625—629).

In dem neueften Hefte der Analecta Bollandiana (Tom. XVII,
Fase. I u. II) hat der gelehrte Verf. des Bulletin auf S. 231 ff. über die
von mir entdeckten Acta Pauli ausführlich berichtet, hat aber feine
Überzeugung dahin ausgefprochen, dafs von einer Auffindung der von
Eufebius und anderen Kirchenfchriftftellern citirten Schrift nicht die Rede
fei. Der Verf. bewegt fich hier in dem Irrthum, als ob ich behauptet,
dafs nur die drei von mir befonders hervorgehobenen Stücke, d. h. die
Theklaacten, der Korintherbriefwechfel und die Passio Pauli in dem kop-
tifchen Papyrus enthalten wären; und da diefe nur 810 Stichen umfaffen,
hat er fich die Widerlegung meiner Behauptungen fehr leicht gemacht.
Dem gegenüber mufs ich betonen, dafs der koptifche Papyrus urfprünglich
die gefamrnten Acta Pauli umfafst hat und trotz feines defolaten Zuftan-
des neben den erwähnten noch eine Reihe anderer umfangre;cher Epifoden
aus dem Leben des Paulus aufweift, z. B. Scenen aus feinem Aufenthalt
in Sidon, in Tyrus, in Antiochien, Myrrha, Philippi etc. — Ich hoffe,
dafs diefer Nachweis dem Verf. genügen wird, um feine Notiz zu berichtigen
, und zugleich ihm die Überzeugung geben wird, dafs in der