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Ausgabe:

1898

Spalte:

12-14

Autor/Hrsg.:

Teichmann, Ernst

Titel/Untertitel:

Die paulinischen Vorstellungen von Auferstehung und Gericht und ihre Beziehungen zur jüdischen Apokalyptik 1898

Rezensent:

Deissmann, Adolf

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Ii Theologifche Literaturzeitung. 1S98. Nr. 1. 12

wo die Freude am Sonderbaren und das Pathos
fchlummern.

Heidelberg. A. Deissmann.

erftehung, des Pneumawerdens Chrifti, der Einwohnung Sonntags einmal hervorgeholt werden; für die Werktage
und Erneuerung ift, alfo indem der Tod die Bedingung verbirgt man ihn am heften an der Stelle des Herzens,
unferer ethifchen Erneuerung ift und in diefer die Sündenvergebung
fich vollzieht, ift er die Bedingung der Sündenvergebung
(S. 73). Das Kreuz Chrifti hat freilich für
Paulus auch eine theologifche Bedeutung, wenn nämlich
das religiöfe Erlebnifs fich apologetifch, d. h. theoretifch
rechtfertigen mufs (S. 86—92). Die gewöhnlich für eine
jGlaubensmyftik' des Paulus verwertheten Stellen feiner
Briefe find für feine eigentlich werthvollen Heilserfahrungen
' ohne grofse Bedeutung (S. 92 fr.).

Schade, dafs Karl auf die Form feiner Darfteilung
nicht gröfseren Werth gelegt hat. Dafs er klar und in-
tereffant fchreiben kann, zeigen mehrere Partieen des
Buches, aber im allgemeinen ift dem Lefer zu vieles von
der Arbeit überlaffen, die von Rechts wegen dem Ver-

Teichmann, Ernft, Die paulinischen Vorstellungen von Auferstehung
und Gericht und ihre Beziehung zur jüdifchen
Apokalyptik. Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1896. (VIII,
125 S. gr. 8.) M. 2.50

Eine faubere, von guter Schulung zeugende Arbeit.
Die Form ift gewandt, der Ton nobel. Verfaffer bekennt
fich im Vorwort als einen Schüler von E. Gräfe,
bei dem er gelernt habe, ,ein neuteftamentlich.es Problem
faffer zukommt. Für künftige Veröffentlichungen mufs ; wiffenfchaftlich zu erfaffen' (S. VI). Der Schwerpunkt

s

man beffere Gefchloffenheit der Anlage, deutlichere j feiner Studie liegt meines Erachtens in der Darftellun
Herausftellung der Probleme wie der Ergebniffe und grö- ! der ,paulinifchen Vorftellungen', nicht in dem Verfuche,
fsere Knappheit des Ausdrucks wünfchen. Und eine ■ ,ihre Beziehung zur jüdifchen Apokalyptik' zu erweifen.
beffere Druckerei. Die zahllofen Satzfehler machen j Zwar dafs Teichmann diefen Verbuch gemacht hat, ift

den Eindruck, als habe ein Lehrling Gefellenarbeit verrichten
müffen. Natürlich ift manches auch auf das Conto
der Correctur zu fetzen.

Sieht man von diefen äufseren Mängeln ab, fo ver-

methodologifch richtig, wie es auch unverkennbar ift, dafs
er fich in der Literatur, die er zur jüdifchen Apokalyptik
rechnet, felbftftändig umgefehen hat. Aber dafs er
fich auf diefe Literatur befchränkt hat, ift — wie fchon

räth der Verfaffer entfchiedene Befähigung zur wiffen- j von Jülicher (Zeitfchr. für pract. Theol. XIX [1897] 93 f.)
fchaftlichen Arbeit, fpeciell zur Reproduction religiöfer j betont worden ift, eine Einfeitigkeit. Aus dem Juden-
Gedankengänge. Offenbar haben ihn — man lieft es | thum wäre noch eine ganze Reihe von Quellen zu durch-
zwifchen den Zeilen — die mannigfachen Probleme des forfchen gewefen, die für die Entftehungsgefchichte der
practifchen Amtes tief in Paulus hineingeführt. Partien, | ,paulinifchen Vorftellungen' wahrfcheinlich directer in
wie die Darlegung S. 48—54, wo wir den lebendigen j Betracht kommen, als das, was man ,Apokalyptik' zu
Pulsfchlag feines eigenen Glaubens fpüren, gehören, ob- nennen pflegt. Jülicher hat auf Philo verwiefen; ich
wohl fie ftreng genommen den gleichmäfsigen Fortfehritt möchte hinzufügen, dafs ich eine ausreichende Benutzung
der Unterfuchung hemmen, zu den anregendften des des griechifchen Alten Teftaments vermifst habe. Sep-
ganzen Buches. Solche Fähigkeit congenialen Nacher- tuagintaftellen werden ja gelegentlich citirt, aber eben
lebens thut den Paulusforfchern noth, und etwas von nur gelegentlich. Es fehlt die planmäfsige Verarbeitung
dem wohlthuenden Mifstrauen des Verfaffers gegen die j der LXX-Gedanken, die oft im Verhältnifs zu den Geherkömmliche
Methode der ,biblifchen Theologie' mufs danken des Urtextes etwas ganz Eigenthümliches haben,
hinzutreten. Vielleicht entfchliefst fich Karl, in Zukunft Freilich ift hier der Verfaffer weniger anzuklagen, als
noch mehr mit der alten Methode zu brechen und nach J die ganze .biblifch-theologifche' Forfchung, die es bis
einer ,Soteriologie', ,Anthropologie' und einigen anderen | jetzt noch nicht unternommen hat, in den Geift des grie-
Logieen bei dem Apoftel gar nicht erft zu fuchen. Paulus j chifchen Alten Teftaments, d. i. der Bibel des Paulus,
ift wirklich zu grofs, als dafs man ihn erft auf Stelzen wirklich einzudringen. Kaum dafs man fich die paar
ftellen müfste. LXX-Citate des Paulus einmal näher angefehen oder an

In einem Punkte möchte ich meinen auch fonft vor- vereinzelten ,Begriffen' den Verfuch gemacht hat, einen
handenen Diffenfus zum Ausdruck bringen. Karl be- , LXX-,Sprachgebrauch' zu decretiren. Wo Teichmann

ginnt mit einer Unterfuchung der Formel iv XqiOtcö und
hält mir vor, dafs in meiner Schrift über diefen Gegen-
ltand (die übrigens 1892, nicht 1882 erfchienen ift) die
Formel nicht nach Analogie der Formel iv BteZzeßovl
erklärt fei, fondern dafs Länder und Meere nach fämmt-
lichen einfehlägigen Bedeutungen von iv durchfucht

von dem Schickfal der Verdorbenen redet (S. 26—33),
da wäre z. B. eine Stelle gewefen, an der die Frage hätte
aufgeworfen werden müffen: Welche Gedanken über
den Tod, die Vergänglichkeit, den Hades waren dem
Apoftel aus feiner Bibel vertraut? Es hilft da nichts,
wenn uns die Religionsgefchichte des A. T. über die

worden feien. Ich kann diefe Bemerkung nicht für zutref- genannten Punkte ihre Auskunft giebt. Was Paulus in
fend halten Von iv BteZzeßovl kann man nur dann aus- feinem Bibeltexte gelefen hat, ift oft etwas ganz Anderes,
gehen, wenn feine Bedeutung feftfteht; aber felbft wenn der : als was der Sinn des Urtextes ift. Und wenn diefer UrAusdruck
griechifch wäre, wäre er zunächft ebenfo dunkel, text von den Religionshiftorikern des A. T. niemals als ein
wie der andere. Nun ift aber iv BeeZzeßovZ nicht grie- , einheitliches Werk hingenommen werden darf, fondern
chifch, fondern Nachahmung einer femitifchen Vorlage, ; als das Product vieler Verfaffer und vieler Jahrhunderte,
kann alfo als entfeheidende Analogie fchwerlich in Be- | fo haben wir, wenn es fich um die Zeichnung des reli-
tracht kommen. Länder und Meere müffen durchfucht gionsgefchichtlichen Erbgutes des Paulus handelt, feine
werden, wenn man über gewiffe Spracherfcheinungen die 1 griechifche Bibel im Wefentlichen als etwas ganz EinSicherheit
des Urtheils haben will, die möglich ift. Und ; Seitliches, eben als fertige Bibel hinzunehmen, deren
gerade ein neuteftamentlicher Exeget hat alle Veran- | Ausfagen, einerlei wo fie flehen und was fie im Urtext
laffung, buchftäblich das zu thun, was Karl für überflüffiig bedeuten, fich als Ausfprüche der ,Schrift' gegenfeitig
hält. Allein in den griechifchen Infchriften aus der Ent- ! ergänzen.

Itehungszeit des Chriftenthums, die auf dem Feftlande An derfelben Stelle ift mir eine andere Einfeitigkeit

und den Infein zufammengefucht find, fteckt ein reiches | der Arbeit deutlich geworden. Teichmann berührt, wie
Material für die rechte Abfchätzung der Spracherfchei- ich glaube, nicht genügend die Vorftellungen des grienungen
der Bibel. Sachlich kommt übrigens Karl's Er- j chifch-römifchen Alterthums über die letzten Dinge. Man
klärung der Formel ziemlich auf daffelbe hinaus, was ich i wird fagen, das fei durch das Thema auch gar nicht
meine, wenn ich das iv local faffe. Der Satz, den Karl j verfprochen; gut, dann ift eben das Thema zu eng gevertritt
: ,apostolus supragrammaticam1 (S. 41) klingt fchön ; fafst. Schon aus dem einen Grunde müfste bei derartigen
und enthält ein Körnchen Wahrheit, darf aber höchftens j religionsgefchichtlichen Einzelftudien das vergleichende