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Ausgabe:

1898 Nr. 9

Spalte:

236-238

Autor/Hrsg.:

Vogel, Theodor

Titel/Untertitel:

Zur Charakteristik des Lukas nach Sprache und Stil 1898

Rezensent:

Heinrici, Carl Friedrich Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 9.

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Hinfichtlich der Befchaffenheit und Folge der ein- der Vorrede einige Verbefferungen und eine Ueberficht

zelnen Bücher werden fowohl Unordnungen, die durch
Blattverfetzung in Handfchriften hervorgerufen find, gebucht
und erwogen, wie auch Lücken, verlorene Stücke,
Willkürlichkeiten in der Anordnung durch diplomatifche
und durch innere Kritik nachgewiefen. Befonders die
Abhandlung De ebrietate Bellt in diefen Beziehungen
manches Problem, das glücklich gelöft wird. Der Nachweis
, dafs von den zwei Büchern, die Philo nach Eufebius
über dies Thema gefchrieben hat, nicht das zweite, fondern

über die wichtigften Conjecturen.
Leipzig. G. Heinrich

Vogel, Theodor, Zur Charakteristik des Lukas nach Sprache

und Stil. Eine Laienftudie. Leipzig, DürrTche Buchh.,
1897. (49 S. gr. 8.) M. —.85

Unter dem Druck der kritifchen und gefchichtlichen
das erfte verloren gegangen ift, erfcheint durchfchlagend. ! Probleme, welche die theologifche Arbeit in Bewegung

Den angeführten Gründen läfst fich noch die Beob- erhalten, ift das Intereffe an dem Sprachcharakter der
achtung hinzufügen, dafs die erhaltene Schrift nicht an neuteftamentlichen Schriften als folchem und an der lite-
den von der Genefis gebotenen Text anknüpft, wie das rarifchen Individualität der Schriftfteller zur Seite ge-
in den übrigen der Fall ift; fie fammelt vielmehr in drängt worden. Wo die Aufmerkfamkeit fich darauf
freier Gedankenbewegung Schriftworte für die Dar- 1 richtet, gefchieht es zumeift, um für gefchichtliche Anlegungen
. Für De agricultura und De plantatione wird 1 fätze Belege zu gewinnen oder Hypothefen zu begründen,
dargethan, dafs fie zwei zufammengehörige Bücher find j Insbefondere gilt das von den beiden unter dem Namen
und dafs De plant, unvollftändig überliefert ift; bei De des Lukas überlieferten Schriften. Die Verfchiedenheit
confusione lingnarnm wird feftgeftellt, dafs die Bemer- ihrer Stoffe und der Reichthum ihres Sachgehaltes, die
kungen über Gen 9,28—10 verloren gegangen find. Ein Nöthigung, das Evangelium in Verbindung mit Matth,
intereffantes Beifpiel für die Willkür in Titelangabe und ! und Mark, zu betrachten, machen es erklärlich, dafs die
Eintheilung .giebt H (S 297, 1) minder Randnote: hv Perfönlichkeit des Verfaffers nicht in dem Maafse die
uXXoiq an cböe Xoyoq öevzsQoq nsru änoixiaq. Die Frage, Aufmerkfamkeit auf fich zieht, wie dies bei Johannes,
in wie weit die Eintheilungen der Schriften Philo's als dem Evangeliften und Brieffchreiber, und bei Paulus der
willkürliche und nicht immer gelungene anzufehen find, Fall ift. Und bei der Wendung der neuteftamentlichen
fordert überhaupt noch weitere Unterfuchungen. Die ! Kritik zur Quellenfcheidung wird es oft über dem Auf-
fehr verfchiedene Länge der einzelnen Schriften, die Art, fpüren deffen, was etwa hinter den Lukasfchriften ge

wie viele unter ihnen ohne Uebergangsformel und Ein
leitung unvermittelt mit einem Textwort einfetzen, die

legen hat und gelegen haben könnte, geradezu vergeffen,
dafs fie als Schriften eines und deffelben Verfaffers durch

Thatfache, dafs innerhalb der einzelnen Schriften fich , Vorreden fich einführen, die einen mit der griechifchen
öfter Uebergangsformeln finden, wie fie Philo fonft im 1 Weife der Gefchichtsforfchung wohl vertrauten Mann
Anfange einer neuen Schrift gebraucht (vgl. z. B. Quod kennzeichnen, der ein zufammenhängendes Buch zu
dens s. imm. §§ 20, 33, 51, 70, 86, 122, 140, De gigant. j fchreiben beabfichtigt. Es ift daher verdienftvoll, wenn
§§ 19, 67), legt den Gedanken nahe, dafs hier zum Theil i nachdrücklich auch einmal die Kehrfeite der Medaille in
fpätere Hände ziemlich willkürlich gearbeitet haben. Die j Betracht genommen wird, zumal wenn dies feitens eines
Homilien des Origenes, die in ihrer Gefammthaltung | Philologen gefchieht, der die Methode fprachgefchicht-
unter dem Einfiufs Philo's flehen, könnten in ähnlicher
Weife auseinandergetrennt und mit Ueberfchriften verteilen
werden, wie einzelne Reihen der exegetifchen
Schriften Philo's.

licher Unterfuchungen meifterhaft beherrfcht und die
glückliche Mitte zu halten weifs zwifchen der obscura
diligentia des farbenblinden Sammlers und der docta
negligentia des felbftgewiffen Gefchichtsbaumeifters.
Die Parallelftellen, die auch in diefem Bande dem j Wenn Vogel fagt: es gilt nicht zu zählen, fondern
Texte beigegeben find, liefern fowohl Daten für die Aus- zu wägen bei Erfaffung von Sprache und Stil eines

beutung Philo's durch Florilegien und Kirchenväter
(namentlich durch Clemens, Origenes und Eufebius; Am-
brofius kommt nur für De migr. Abr. in Betracht), als
auch für die Quellen des Alexandriners. So find fie für

Schriftftellers, fo trifft er damit den Punkt, der die Er-
gebnifse mancher fleifsigen Arbeit beeinträchtigt. Er felbft
verfteht das Wägen; ja mit faft ängfllicher Sorge hält er
alles fern, was er als Balaft meint werthen zu muffen,

die nähere Kenntnifs der Gedankenwelt Philo's und feines j fo dafs er auf den wenigen, inhaltvollen Seiten feiner
Einfluffes auf die Folgezeit fehr lehrreich (vgl. z. B. die Studie die Früchte fehr umfaffender und umfichtiger
Angaben über die Arztlügen S. 71, g, über die Gottlofig- ,bedächtig liebevoller' Kleinarbeit knapp und lichtvoll
keit der Geburtstagsfeier S. 210, isf., zu nQsßßvzsQoq zufammenfafst. Mit Recht ift er fich dabei bewufst, da-
S. 218, uf, 308,3). Die Quellenangaben wünfchte ich mit die Grundlage nicht nur für fortzufetzende Prüfung,

noch etwas reichlicher. Ich geftatte mir, einiges zur Ergänzung
beizubringen, was innerhalb des Rahmens der
fonftigen Belegftellen fällt. Für den Aufenthalt der
Daemonen in der Luft (S. 43, 9) bietet Plutarch De Iside

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fondern auch füf die Entfcheidung der gefchichtlichen
Fragen erarbeitet zu haben; daher nimmt er im Verlaufe
feiner Darbietungen in feinfinnigen Bemerkungen zu den-
felben Stellung.

25, 26 zahlreiche ältere Angaben. Zu oQprj, r}v oqiC,6u£voi Seine Ergebnifse find folgende: Lukas bewährt fich

jtQcözrjv tepaaav slvai tyvyrjq xlvrjßiv (S. 66, 3) vergl. die in den nach ihm benannten Schriften als literarifche Indi-
ftoifchen Parallelen Diog. Laert. VII 84—85, Cic. De vidualität; das FWg. und die Act. find trotz der hier und
off. II $ u. ö., zu epvzbv ovgäviov (S. 139,7) Plato l'im.cpo- da hervortretenden Compofitionsnäthe als literarifche Ein-
Auch die Angabe der Herkunft des eigenthümlich umge- | heiten anzufehen; als Schriftfteller beweift Lukas fowohl
deuteten Grundfatzes: dxoXov&Sq zy (pvßei £yv (S. 293,5) ; durch die Sprachfarbe wie auch durch die Anordnung
ift wohl nicht überflüffig. Die Ueberficht über die ööyuaza der Stoffe, dafs er mit den Darftellungsmitteln der antiken
aßvppcova S. 108,10 f. ift wohl übernommen, S. 294,17 Bildung wohl vertraut ift. Man könnte ihn, trotzdem er
fpielt auf Sokrates, S. 296,24 auf Ariftoteles Tugend- I nicht die eigenartige chriftliche Grundfarbe verwifcht
lehre an. und die LXX auf feine Sprache den nachhaltigften Ein-

Hervorheben möchte ich noch die Bemerkungen zu flufs ausgeübt haben, den ,weltlichften' unter den Schrift-
den Catenen des Niketas (XVI f.); aber das Verhältnifs j ftellern des Neuen Teftamentes nennen. Er bemüht fich
der Catena Lipsiensis zum Genefiscommentar des Prokop nicht um eine erbauliche Kunftfprache, zeigt keine parä-
bedarf noch weiterer Unterfuchung (vgl. m. Artikel netifchen Neigungen, aber überall tritt die Freude an
Catenen in der Theol. RE). S. 65, ig ift zu lefen epavzaßla, einer lebensfriichen, der Stoffe frohen Darfteilung hervor,
S. 134, 5 ßvvl%Eß&ai, S. 239,2 äXxy. Die mit dem zweiten J die Bedeutfames in abgewogenem Wechfel aneinander
Bande gleichzeitig veröffentlichte editio minor bringt in reiht und nicht ungefchickt verbindet.