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Ausgabe:

1898 Nr. 8

Spalte:

212-216

Autor/Hrsg.:

Veit, Karl

Titel/Untertitel:

Die synoptischen Parallelen und ein alter Versuch ihrer Enträtselung 1898

Rezensent:

Weiß, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 8.

212

36Üf., 7, iof.), während er nach der andern der wohlhabende
(6, 25. 27) Sohn eines einflufsreichen Vaters ift
(6, 31), dazu ein fehr energifcher Mann (8, 4—21). Nach
diefem Gefichtspunkte follte z. B. 6, 36—40, 7, 10f. nicht
der gleichen Quelle wie 6,25—31 zugetheilt fein. Dafs
6, 7—10 vordeuteronomifch fein, d. h. E2 angehören foll,
kann ich nicht annehmen. Dafs 3, 6 ,keinenfalls' j zuzu-
fchreiben fei, fcheint mir im betreffenden Falle zu apo-
diktifch (vgl. Moore). Starkes Bedenken habe ich dagegen
, dafs Rp. die Ephodgefchichte 8, 24—27 wieder
eingefetzt haben follte.

Aber ich gehe auf diefe Punkte nicht näher ein,
möchte ich doch nicht den Schein auf mich laden, als
meffe ich derartigen quellenkritifchen Subtilitäten überhaupt
einen fo hervorragenden Wert bei. Es ift nun
einmal felbft bei weitgehender Anerkennung der heutigen
Quellenkritik nicht jedem gegeben, den frohen Glauben
an die Möglichkeit gewiffer haarfeiner Spaltungen des
überlieferten Erzählungsftoffes zu theilen, den Budde bewährt
, und es ift für mich ftark die Frage, ob die Mühe,
die aufgewendet wird, um über gewiffe unftreitig wichtige
Ergebnifse der Quellenkritik hinauszukommen, in einem
annehmbaren Verhältnifse flehe zum theologifchen und
religionsgefchichtlichen Gewinn, den man fich von derartigen
Verfuchen verfprechen darf. Es follte aber ein
Commentar, der fich die theologifche und religionsge-
fchichtliche Erklärung zum fpeciellen Ziele fetzt, auch
nicht einen Augenblick den Gedanken aufkommen laffen,
als läfen wir ein Buch wie das Richterbuch, um Quellenkritik
zu treiben, ftatt um ein Stück Religionsgefchichte
und Theologie zu ftudiren. Nicht als anerkennte Budde
nicht die Wichtigkeit des religionsgefchichtlichen Gefichts-
punktes (vgl. z. B. p. 51 sub 4). Aber um etwas fcheint
er mir doch zu Gunften der quellenkritifchen Behandlungsweife
zu kurz zu kommen. Zu 2, 10 z. B. wird uns
blos eine längere, ziemlich unerquickliche quellenkritifche
Erörterung gegeben, während ein Hinweis auf das fehlt,
was den Vers theologifch intereffant macht, wie fich
nämlich gut und böfe für den deuteronomiftifchen Verf.
auf einzelne Generationen vertheilt. Ueberhaupt wäre
dem Anfänger z. B. ein Refume über die Art der deuteronomiftifchen
Gefchichtsfchreibung, die fich an Cap. 2
befonders gut anknüpfen liefs, ficher von Nutzen ge-
wefen. Zu 4, 5 erwartet man eine Andeutung, dafs vom
heiligen Baume die infpirirende Wirkung auf Debora
ausgeht. Mit einem Worte hätte die religionsgefchicht-
liche Bedeutung von Namen wie Abimelek, Oreb, Seeb
erörtert werden dürfen. 9, 13. 13, 4. 7. 14 hätte einen Hinweis
darauf nahe gelegt, mit welchem Rechte man fich
gegenwärtig auf derartige Stellen für die Temperenzfrage
beruft etc. Im Rechte fcheint mir Budde (p. 86) gegen
Kamphaufen in Bezug auf die Frage der Menfchenopfer.
Hin und wieder wäre man gerne auch auf ein Urtheil
über die rein fchriftftellerifche Kunft unferer Quellen ge-
ftofsen. Dafs Jdc. 5 ein ,Lob- und Rügelied' fein foll,
halte ich für eine wenig glückliche Definition; dafs
Budde (freilich nicht als der erfte) V 31a für unecht erklärt
, fleht damit im Zufammenhang. Grammatifch wäre
etwa nachzutragen ein Hinweis auf die Betonung rTi^D

4, 18. Textkritifch fei nur erwähnt die Correctur von
5,8, die Budde fchon am Genfer Orientaliftencongrefs
mitgetheilt hatte. 10, 10 ift doch wohl nach LXX ftatt
■»'DI einfaches *3 zu lefen (fo auch Kautzfeh).

Das Buch ift forgfältig corrigirt, nur Folgendes ift
mir aufgefallen: Oettli heifst p. 88 Ottli. 16,20 fleht an
falfcher Stelle; S. 54 ift die Verszahl 17 ausgefallen;

5. 132 (Zeile 8 von unten) lies Jes. 8, 10 ftatt Jer. 8, 10;
in der Ueberficht p. XXII gleich anfangs fub J lies iaß
ftatt laß.

Meine Ausfüllungen, die fich blofs in der Form von
Defiderien geben, follen dem Dank gegen den Herrn
Verfaffer nicht Abbruch thun, der uns den erften

deutfehen Richter-Commentar gefchenkt hat, welcher
dem heutigen Stand atl. Wiffenfchaft entfpricht.

Bafel. Alfred Bertholet.

Veit, Paft. Lic. Karl, Die synoptischen Parallelen und ein

alter Verfuch ihrer Enträtfelung mit neuer Begründung
. 2 Teile in 1 Bande. Gütersloh, C. Bertelsmann
, 1897. (VII, 162 S. gr. 8.) M. 7.—

(I.: M. 4.-; II.: M. 3.-)

Im erften Theil giebt der Verf. einen fynoptifchen Abdruck
der parallelen Abfchnitte in den drei erften Evangelien.
Es fehlen alfo die Kindheitsgefchichten und faft alle Stücke,
die nur einer der Evangeliften bietet. Durch deren Weg-
laffung hat der Verf. der Brauchbarkeit feiner Tabellen
für Vorlefungen wefentlich gefchadet, da man unter
diefen Umftänden die Studenten nicht ermuthigen kann,
fie anzufchaffen. Die Reihenfolge ift die des Markusfadens
. Die Mtth. Luk.-Stücke find da eingefchaltet, wo
fie Mtth. hat. — Von den bisherigen Tabellen weichen
die des Verf. dadurch ab, dafs die Parallelen nicht in
Columnen neben einander, fondern in Zeilen unter einander
angeordnet find, und zwar fo, dafs das Gleichlautende
nur durch,,, andere Wort-Stellungen durch numme-
rirte Klammern, Uebereinftimmungen zwifchen Mtth. und
Luk. durch einen Stern angedeutet find, zum Beifpiel:

1. Mtth. Kai ISov ävi(»x9?]aav oi ovpavol xal e'löev nvEVßa 9eov

2. Mk. elöev oxi^Ofievov? xoig „ oi>c „ „ To. „

3. Lk. * rjvai xov „ 6v „ 2( „ „ to aywv)

1. Mtth. xaxaßaZvov] woel TteoioTepäv ipyößEvov

in avxöv

2. Mk. 2( n ) Ifc „ Eis „

3. Lk. !( „ ijvai) oai/xaxcxoj eiöei „ „ „

Man fieht, dafs diefe Anordnung einige Vorteile hat,
infofern als man die einzelnen Abweichungen leichter
überfehen kann. Nur die differirenden Wortftellungen
find nicht anfehaulich genug gemacht. Vor Allem aber
bekommt man eben nur einen Eindruck von den Einzelheiten
, nicht aber von dem Gefammtverhältnifs der
Gruppen zu einander. Völlig ungenügend ift das Verfahren
z. B. bei der Ausfendungsrede. Dafs der Geb-
hardt'fche Text zu Grunde gelegt ift (ohne Varianten),
ift natürlich nur ein Nothbehelf. Im Ganzen kann ich
alfo nicht finden, dafs wir hier einen Fortfehritt über
Huck's Synopfe hinaus zu verzeichnen hätten. Die ideale
Synopfe freilich befitzen wir ja überhaupt noch nicht.
Dafs der Verf. die einzelnen Perikopen mit lateinifchen
Ueberfchriften verfieht, empfinde ich als eine Gefchmack-
lofigkeit. Wenn er den Ausländern entgegenkommen
wollte, fo mufste er fein ganzes Buch lateinifch fchreiben.

Wichtiger ift der 2. Teil des Buches: die Enträthfe-
lung der fynoptifchen Parallelen, ein alter Verfuch mit
neuer Begründung. In einem einleitenden Ueberblick
über die bisherigen Verfuche, dem fynopt. Problem bei-
| zukommen, greift Veit auf die Giefeler'fche (1818)
j Unterfcheidung von Traditions- und Combinations- oder
j Benutzungshypothefen zurück und verhehlt nicht feine
Zuftimmungzu Giefeler's Bedenken gegen die Benutzungshypothefen
. Sträubt fich fchon ,das gefunde chriftliche
Empfinden' gegen eine Annahme, bei welcher man in
den Evangelien ,ein Gewebe wohlberechneter Abänderungen
und Umftellungen, abfichtsvoller Ausbefferungen
und Neubildungen zu erkennen meint', fo genügt fie auch
j nicht zur Erklärung der problematifchen Erfcheinungen.
Die ftarken Widerfprüche der Kritiker in den Nach-
weifungen der literarifchen Tendenzen und der Erklärung
des Einzelnen zeigen, dafs der Weg nicht zum Ziele
führt. Als abfehreckendes Beifpiel werden einige Perikopen
mit den Erklärungen von Volkmar, B. Weifs und
Holtzmann mitgetheilt. Dem gegenüber tritt nun der
Verf. von Neuem für die Giefeler'fche Traditionshypothefe
ein, deren ,meifterhafte Begründung ihm nur auf zwei
I Punkten einer Erweiterung und Ergänzung zu bedürfen