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Ausgabe:

1898 Nr. 7

Spalte:

195-196

Autor/Hrsg.:

Heinzelmann, Wilh.

Titel/Untertitel:

Der Brief an Diognet 1898

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Seite 1

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195

Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 7.

196

von den Ergebnifsen meiner Unterfuehung, wie folgt den Brief, in der er über die Gefchichte des Textes, die
(p. 59): ,Si saiis liabuisset animadverterc, peius Irenaeum Unechtheit der Schlufscapitel c. 11 und 12, den Verfaffer
et vetustuin altum scriptorem, Petrum in censu minime und Empfänger, die Abfaffungszeit und den Inhalt des
poni, veteres illos Ecclesiam Romanam ab utroque, Petro < Briefes handelt. Neue Auffchlüffe über die nicht unbe-
etPaulo, fundatam asserere; cathedrae romanaementionem ' deutenden Probleme, die das merkwürdige Schriftftück
primo penes Tertullianum occurrere, aetate ceteroquin, ut bietet, werden uns nicht geboten, was auch der Ver-
patet, antiqna satis; Romanum Episcopum nonnisi in poste- faffer wohl nicht beabfichtigte. Er fetzt mit Otto und
rioribus catalogis Petrum censeri, aliaque huiusmodi, quae Hollenberg die Abfaffungszeit fehr früh, in die Jahre 135
in facto versantur, hueque gradum Stitisset, nihilin eo, meo bis 150, worin man ihm m. E. nicht beiftimmen kann,
quidem iudicio, esset animadversione dignum. At terminos auch ift die Auffaffung des Briefes als Antwortfehreiben
praetergressus illationcs parum caeteroquin legitimus indc nicht richtig, die Briefform ift hier wie bei den katholi-
duxit, quae nihil commune cum argumenta, quod versabat, fchen Briefen unferes Kanons lediglich eine literarifche
habebaut.' . Form. . Die Ueberfetzung der Schrift, die allerdings in

Zunächft freue ich mich, dafs der Verf. die von mir ihrem Wortverftand keine Schwierigkeiten bereitet, ift
zufammengeftellten Thatfachen als richtig anerkennt. Das correct und lieft fich im Ganzen gut. Doch hatte bereits
ift das Wichtigfte und ift zugleich ein Beweis für feine Kinn eine treffliche Ueberfetzung, an der nichts auszu-
wiffenfchaftliche Einficht und Unbefangenheit. Aber er fetzen ift, geliefert (Urfprung des Briefes an Diognet,
fcheint die Deutung der Thatfachen, während fie doch Freiburg 1882). Die der Ueberfetzung beigegebenen An-
ohne Deutung ftumm bleiben, überhaupt zu verbieten, merkungen, die das Verfländnifs der Gedanken des
Doch es fcheint nur fo. Er felbft giebt eine beachtens- Briefes erleichtern follen, bettehen vor Allem in Bibel-
werthe Erklärung derfelben, die überall den Nachweis (teilen, Hinweifen auf Schriften Luther's, Goethe's und
verfucht, dafs fich die fpätere Formulirung der Ueber- evangelifche Kirchenlieder. Pur ein hiftorifches Ver-
lieferung nur zufällig, bez. aus beftimmten Gründen und ftändnifs der Schrift hätte weit umfangreicher die apo-
Umftänden, nicht bei den älteren Berichterftattern findet, logetifche Literatur des 2. und 3. Jahrhunderts herange-
Manche feiner Darlegungen erfcheinen mir beachtens- i zogen werden müffen. Aber der Verfaffer verfolgt mit
werth, obgleich ich nicht überzeugt worden bin und j feinem Buch den Zweck, den Brief an Diognet für den
z. B. Gründe wie den (p. 67): ,Wenn es vor Abfaffung , evangelifchen Religionsunterricht in den höheren Claffen
des Römerbriefes in Rom bereits eine blühende Kirche nutzbar zu machen. Ob er fich dazu eignet, erfcheint
gegeben hat, certc etiam episcopus et cathedra episcopalis'— mir mindeftens zweifelhaft. Jedenfalls halte ich die
nicht gelten laffen kann. Auch vermag ich nicht zu ver- Gleichftellung des Briefes an Diognet mit der Schrift
ftehen, wie der Verf. behauptet, der monarchifche | Luther's von der Freiheit eines Chriftenmenfchen für eine
Episkopat fei ftets vorhanden gewefen, während nach ftarke Ueberfchätzung der intcreffanten altchriftlichen Apo-
Irenäus Linus Nachfolger des Petrus und Paulus im logie, deren Werth unverkennbar ift. Auch das Urtheil
Episkopat gewefen fein foll. Doch wie dem auch fein über die anderen Apologeten wie Jüdin und Ariftides,

,deren literarifcher Werth als zweifelhaft bezeichnet werden
mufs', ift ungerecht und durch die einfeitige Hoch-
fchätzung des Diognetbriefes bedingt.

Heidelberg. Grützmacher.

mag — der Verfaffer hat felbft eine Erklärung der That
fachen verfucht; diefe feine Erklärung ift mit wiffen-
fchaftlichen Mitteln gegeben; man wird fie alfo nachzuprüfen
haben.

Dafs ich in meiner Unterfuchung auf die Ueberliefe-
rung von dem 25 jährigen Episkopat des Petrus in Rom ,
eingegangen bin, hat mir der Verf. faft übel genommen. Haupt, Oberbiblioth. Dr. Hermann, Beiträge zur Reforma-
Er felbft fpricht fich (S. 72) in folgender fehr Bemerkens- tionsgeschichte der Reichsstadt Worms. Zwei Flugfchrif-
werther Weife über fie aus: ,Animadverterc tarnen non ten aus den Jahren 1523 und 1524, herausgegeben
abs re erit duo inibj simul ipsumneetcre, quae non dicam ynd eingeleitet von H. Giefsen, J. Ricker, 1897. (31

iam traditione catholica, sed historica tantum spectata,
admodum dissita sunt. Nempe Petrum Romanam Eccle-

u. XXVI S. 4.) M. 2,

siam fundasse, et propterea, si Inc formula rem edicere j Die Veranlaffung zu diefer Monographie gab L.
libeit, pritnum Romanae Ecclcsiae episcopum fuisse; id • Keller's Abhandlung ,Die Anfänge der Reformation und

quod est historica certum; et Petrum Roniac mansissc, aut
Rom anttm obtinuisse Episcopatum annis XXV; quae quidem
vetus est traditio, quaeque suis nititur testibus, sed tarnen
non eandem auetoritatem penes cruditos abtütet, saltcm
catholicos, ac prior'. Man beachte, dafs der Verf. kein

die Ketzerfchulen' (Vorträge und Auffätze der Comcni-
usgefellfchaft. 4. Jahrg. 1. u. 2. Stück. Berlin 1897)
Hier hatte Keller aus einer Wormfer Piugfchrift die Be-
weife für das Vorhandenfein einer ,altevangelifchen' Gemeinde
in Worms, deren Glaubensgenoffen im Mainzer

Gewicht legt auf die Formel, Petrus fei der erfte ! Gebiet verfolgt wurden, zu gewinnen gefucht, während
Bifchof der römifchen Gemeinde gewefen, und dafs er I F. W. E. Roth, der zuerft auf jene unbekannte Flugunbefangen
zugelteht, dafs die Autorität der Tradition fchrift in den Mennonitifchen Blättern 1893 Nr. 12 u. 13
vom 25jährigen Episkopat des Petrus nicht fo (icher ift, aufmerkfam machte, fie auf täuferifche Kreife zurück-
wie die Tradition feines römifchen Aufenthalts. — führte. Hier hat nun Haupt reinen Tifch gemacht. Seine

Unterfuchungen wie die vorflehende zeigen, dafs es | Schrift zerfällt in zwei felbftfländige, befonders paginirte
in der kirchenhiftorifchen Wiffenfchaft doch überall, felbft : Theile. S. 1—35 giebt H. eine gedrängte, aber inhalts
an den difficilften Punkten, ein Gebiet giebt, auf welchem | reiche Gefchichte von Worms in der Reformationszeit

die Gelehrten der verfchiedenen Confeftionen wetteifernd
zufammen arbeiten können und fich zu fördern vermögen.
Diefes Gebiet ift im Laufe der Zeit nicht fchmäler geworden
, fondern weiter.

Berlin. Adolf Harnack.

bis 1524. Erzeigt, welch antikirchlicher Geift in Worms
wie in Mainz und Speier am Ende des Mittelalters wehte,
wie fcharf der Gegenfatz der Bürgerfchaft und der Prie-
fterfchaft war, wie fruchtbar der Boden für hufitifche Gedanken
und den Geift des Aufruhrs, in welchen der
Kampf ums Dafein trieb. Dann geht H. den erften Beziehungen
zwifchtn Worms und Wittenberg nach, die
echt humaniftifcher Art waren, fo dafs auch zwei Neffen

Heinzelmann, Prof. Dr. Wilh., Der Brief an Diognet, ,die

Perle des chriftlichen Alterthums', überfetzt und ge- v"L ,!u,',ar1"^ ^'Sw'w.Zfl^ "Clir *TC
„ . ' • 0 A/r L- des Bifchofs 1517 die Univerfitatsftadt bezogen. Aber

würdigt. Erfurt, Neumann, 1896. (32S.gr. 8.) M. —.60 dje neue Glaubensrichtung gewann bald einen Kreis An

Nach allgemeinen Bemerkungen über die chriftliche 1 bänger. Dann fchildert er die Haltung der Wormfer
Apologetik giebt der Verfaffer eine kurze Einführung in | Bürger während des Reichstags und nach demfelben,