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Ausgabe:

1897 Nr. 5

Spalte:

147-150

Autor/Hrsg.:

Schanz, Paul

Titel/Untertitel:

Apologie des Christenthums. 1. Thl.: Gott und die Natur. 2., verm. u. verb. Aufl 1897

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 5.

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Projecte in Ungarn, das für ihn fogar zu einer amtlichen
Krifis führte, dafs Ueberlegung und Befonnenheit dabei
zuweilen etwas zu kurz kamen. Wie es übrigens bei
folchen „Rettungen" zu gefchehen pflegt, werden die Ver-
dienfte Jablonskys gelegentlich überfchätzt. Das gefchieht
wohl Leibniz gegenüber. Sowohl des letzteren Verbindung
mit A. H. Francke wie die merkwürdige, aber
gefchichtlich höchft bedeutfame, Verknüpfung von poli-
tifchen, kolonifatorifchen und wiffenfchaftlichen Motiven
mit Miffionsgedanken in mehreren feiner Schriften — vgl.
E. Pfleiderer, Leibniz S. 80 — fpricht m. E. entfchieden
dafür, den bekannten Mifflonspaffus in den Denkfchriften
über die Gründung der Berliner Akademie unmittelbar
auf feine Rechnung zu fetzen — vgl. zuletzt Seil in Z.
Th. K. V, 475. Anders zu urtheilen könnte man fleh nur
bewogen fehen, wenn fleh zeigen liefse, dafs in Jablonskys
Wirkfamkeit das Miffionsintereffe von felbftftändiger Bedeutung
war. Weder Kleinert (a. a. O. S. 431) noch
Kvacfala (S. 21) haben das nachgewiefen.

Rumpenheim. S. Eck.

1. Schanz, Prof. Dr. Paul, Apologie des Christenthums. 1

Thh: Gott und die Natur. 2. verm. u. verb. Aufl.
Freiburg i/B., Herder, 1895. (VIII, 668 S. gr. 8.).

M. 7.—; geb. M. 8.80

2. Gutberiet, Sem.-Prof. Dr. G, Lehrbuch der Apologetik.
2. Bd. Von der geoffenbarten Religion. 2. verm.
Aufl. Münfter, Theifsing, 1895. (VIII, 405 S. gr. 8.).

M. 4.40

3. Stöckl, Prof. Dr. Alb., Lehrbuch der Apologetik. 2 Ab-

thlgn. Mainz, Kirchheim 1895. (IX, 220 u. IX, 391
S. gr. 8.). M. 7.-

Drei umfaffend angelegte apologetifche Werke, zwei
mit demfelben Titel, zwei zu drei Bänden, eins zu zwei
Bänden, die aber zugleich erfcheinen, zwei von ihnen
fchon in zweiter Auflage, das ift eine eigenthümliche Er-
fcheinung in der katholifchen Theologie Deutfchlands.
Und dabei wird uns erzählt, wie diefe Arbeiten in fremde
Sprachen überfetzt find, und wir wiffen, wie die apologetifche
Literatur zumal in der katholifchen Kirche Frankreichs
in Blüthe fteht. Das haben alle diefe Arbeiten
gemeinfam, dafs fie nicht, wie es früher Brauch war, die
religiöfen und chriftlichen Wahrheiten, die den Gemein-
befltz der chriftlichen Konfeffionen bilden, gegenüber
den Angriffen des Zeitgeiftes zu rechtfertigen fuchen,
fondern was fie verteidigen, ift die römifch-katholilche
Religion und Kirche bis in ihre äufserften Spitzen, fo
dafs ihr ureigenftes Dogma durch die Mittel diefer Apologetik
zu beweifen ift. Dies ift im Grunde nicht zu verwerfen
. Denn der Zufammenhang religiöfer Gedanken,
den die Konfeffion bekennt, bildet ein Ganzes, aus dem
fich einzelne Stücke nicht loslöfen laffen, und auch das
Einzelne erhält oft von dem Ganzen aus erft fein be-
ftimmtes Gepräge, fo dafs das früher beliebte Schema,
allgemein religiöfe, allgemein chriftliche, in engerem Sinn
konfeffionelle Glaubensfätze, fich nicht durchführen läfst.
Aber dennoch könnte auch die konfeffionelle Apologetik
fich bewufst bleiben, dafs man im Kampfe gegen
die auflöfenden Mächte der Zeit getrennt marfchiren,
aber vereint fchlagen dürfe. Das ift freilich gerade in
vorliegenden Werken nur fehr wenig zu bemerken, fondern
man hat oft genug den Eindruck nicht einer Apologetik,
fondern einer Polemik, gegen den gefährlichften Gegner,
den Proteftantismus.

Es ift unmöglich angefichts des überreichen Stoffs,
der in diefen Bänden zufammengetragen ift, auf Einzelheiten
einzugehen. Die Apologie von Schanz, von deren
drei Bänden „Gott und die Natur". „Gott und die Offenbarung
", „Chriftus und die Kirche" jetzt der erfte in

zweiter Auflage erfcheint, ift fchon früher befprochen
worden. Sie trägt noch immer die Art jener Tübinger
Theologie in fich, die bei aller Entfchiedenheit des
katholifchen Standpunktes doch Fühlung mit dem Proteftantismus
fucht. Die proteftantifche Literatur ift gut
verwendet auch dann, wenn fich Verf. in Ueberein-
ftimmung mit ihr befindet, wie fchon die Literaturangabe
unter dem Text beweift. Die Darftellung ift recht breit,
aber zuverläffig. Dafs zuletzt der Ausfpruch der Kirche
über die einzelnen Fragen den Ausfchlag giebt, erfcheint
uns manchmal wunderlich, ift aber hier felbft-
verftändlich.

Die zweite Auflage des „Lehrbuches der Apologetik
" von Gutberiet, beftehend aus 3 Bänden, „Von der
Religion überhaupt", „Von der geoffenbarten Religion",
j „Von der katholifchen Religion", ift fchon bei dem zweiten
Bande angelangt. Wie in der Gefchichte des neueren
Katholicismus Fulda zu Tübingen, fo verhält fich diefes
Werk zu dem vorhergenannten. Die geoffenbarte Religion
ift einfach die katholifche. „Die demonstratio
christiana ift die demonstratio catholica.11 Die ent-
fcheidenden Beweife für die Wahrheit des Chriftenthums
find die, die die römifche Kirche für ihre Dogmen bietet,
und wenn ausdrücklich betont wird, dafs auf die äufseren
Beweife, die Charismen, Wunder u. a. mehr Gewicht zu legen
ift, als auf die inneren, die der Proteftantismus anzieht,
fo wird mit Recht das kanonifch-kirchliche Gerichtsverfahren
, wie es feit Benedikt XIV. bei Heiligfprechungen
angeordnet ift, als entfeheidender Beweisgrund für Heiligkeit
eines Lebens, für Thatfächlichkeit eines Wunders an-
gefehen. „Wenn mit diefen Cautelen keine Gewifsheit zu
erzielen ift, dann mufs überhaupt an der Möglichkeit,
Thatfachen zu conftatiren, verzweifelt werden". Aus
diefem Grunde nimmt die Auseinanderfetzung mit Spiritismus
, Hypnotismus, Magnetismus einen fo breiten Raum
ein. Natürlich, denn die Wunder und Weisfagungen,
deren Fortdauer die Wahrheit des Katholizismus bezeugen
foll, fehen diefen Erfcheinungen manchmal auf das Haar
ähnlich. Wenn man z. B. Seite 340 ff. die Aufzählung
von Wundern, die theilweife ohne alle fittliche und religiöfe
Vermittelung find, lieft, von Zugthieren, die niederfallen
, um die Andacht des Volkes nicht zu ftören, von
Leichen, die einen Wohlgeruch ausftrömen, von Heiligen,
die im Regen nicht nafs geworden find, und fich fagt,
dafs damit ein Profeffor der Theologie die Wahrheit
der Kirchenlehre begründet, fo empfindet man, dafs es
doch eine andere Gedankenwelt ift, in der man dort lebt.
Verf. eignet fich die Definition an, die dasvatikanifcheKoncil
vom Glauben gegeben hat! „Fidem quae humanae salu-
tis initium est, ecclesia catholica profitetur virtutem esse
supranaturalem, qua Dei aspirante et adjuvante gratia ab
ea revelata vera esse credimus, non propter intrinsecam
rerum veritatem naturali rationis lumine perspectam, sed
propter auetoritatem Dei revelantis. Hier liegen in der That
die Wurzeln diefer ganzen Apologetik. Der Glaube ift
ein Verhältnifs nicht zu Gott, fondern zu den Gegen-
ftänden der Offenbarung. Gott kommt nicht als Inhalt
und Ziel, fondern als Garant der Wahrheit des Glaubens
vornehmlich in Betracht. So find, obfehon das Licht der
Vernunft nicht entfeheidend für den Glauben fein foll,
doch die Vernunftgründe, die zum Beweis herbeigebracht
werden, von der gröfsten Bedeutung, und wo bleibt die
freie Entfcheidung durch den der Glaube zu einer fitt-
lichen That wird? Sie liegt darin, dafs die Wahrheit, die
wir glauben nicht evident ift, dafs fie den Zweifel noch
möglich, aber unvernünftig erfcheinen läfst (S 370).
In diefe Lücke tritt nun der Glaube ein. Darin alfo be-
fteht die „Tugend", die nicht ohne Gottes Gnade möglich
ift, dafs man etwas für wahr hält, daran zu zweifeln,
doch unvernünftig wäre. Solcher Glaube ift freilich nicht
viel werth. Der evangelifche Glaubensbegriff aber fordert
eine Hingabe, eine Stellungnahme zum Gegenftand des
Glaubens, ohne die er unmöglich ift. Diefer Gegenftand