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Ausgabe:

1897

Spalte:

65-67

Autor/Hrsg.:

Frankenberg, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Datierung der Psalmen Salomos 1897

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen,

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark

N?u 3.

Frankenberg, Die Datierung der Pfalmen

Salomos (Schürer).
Vollert, Tabellen zur neuteftamentlichen

Zeitgefchichte (Schürer).
Refch, Aufsercanonifche Paralleltexte zu den

Evangelien, 2. u. 3. Hft. (Bouffet).
Refch, Aufsercanonifche Paralleltexte zu den

Evangelien, 4. Hft. (Bouffet).
Harnack, Gefchichte der altchriftlichen Litte-

6. Februar 1897.

ratur bis Eufebius 2. Thl. Die Chronologie,

1. Bd. (Harnack).

Rodocanachi, Renee de France, duchesse de

Ferrare (Schott).
Combe, Antoine Court et ses sermons (Schott).
Jeffen, Die Hauptftrömungen des religiöfen

Lebens der Jetztzeit in Dänemark (Kawerau).
Petri, Dr. Ludwig Adolf Petri, ein Lebensbild,

2. Bd. (Eck).

22. Jahrgang.

Nitzfeh, Lehrbuch der evangelifchen Dogmatik,
2. Aufl. (H. Schultz).

Lobftein, Essai d' une introduetion ä la dog-
matique protestante (H. Schultz).

Müller, Theofophie oder pfychologifche Religion
(Troeltfch).

Keefer, Unter dem Schirm des Höchften,
Morgen- und Abendandachten auf alle Tage
des Jahres (Mofapp).

Frankenberg, Lic. W., Die Datierung der Psalmen Salomos.

Ein Beitrag zur jüdifchen Gefchichte. (Beihefte zur
Zeitfchrift für die altteftamentliche Wiffenfchaft. I.)
Giefsen, J. Ricker, 1896. (97 S. gr. 8.) M. 3.20

Der wiffenfehaftliche Eifer forgt dafür, dafs wir nicht
einfchlafen, auch nicht bei Refultaten, die wirklich
ficher find. Von Zeit zu Zeit findet fich doch immer
wieder Jemand, der fie beftreitet und uns dadurch zu
erneuter Prüfung zwingt. Diefen Dienft erweift uns der
VerfalTer obiger Arbeit in Betreff der Pfalmen Salomo's.
Seit etwa dreifsig Jahren ift alle Welt darin einig, dafs
fie aus der Zeit des Pomp ei us flammen. Nach Frankenberg
ift dies ganz unmöglich. Sie gehören vielmehr
in die Makkabäerzeit, in welcher das Volk Gottes von
den Heiden bedrückt und verfolgt wurde. Beweifend
hiefür ift namentlich dies, dafs dem Verfaffer der Pfalmen
die Heiden lediglich als Feinde und Verfolger erfcheinen.
Er hafst fie, wie man in der Makkabäerzeit die griechi-
fchen Bedrücker hafste. Auf Pompeius pafst dies nicht,
denn diefer erfcheint den pharifäifch gefinnten Juden in
einem ganz anderen Lichte. ,Die Stimmung gegen die
Feinde athmet ungetheilten Hafs und Zorn' (S. 9). bekanntlich
war aber die Stimmung, mit der die Pharifäer
dem Anzug des Pompeius und der Belagerung der Stadt
entgegenfahen, eine total verfchiedene' (S. 9). Bei unterem
Dichter zeigt fich ,keine Spur davon, dafs er mit
irgend welcher freudigen Sympathie die Heiden begrüfst
oder fie gar als rächende Strafwerkzeuge der göttlichen
Gerechtigkeit fehnlich erwartet' (S. 27). /Nicht eine Partei,
fondern das jüdifche Volksleben ift durch den Einfall
der Heiden in eine Gefahr gekommen, wie fie durch die
Intervention des Pompeius kaum eingetreten ift' (S. 28).
/Von heidnifchen Greueln, die er recht mit Abficht in
der heiligen Stadt vorgenommen hat, kann bei Pompeius
keine Rede fein' (S. 40). Auf Pompeius pafst auch nicht,
,dafs nach dem Berichte unferes Verfaffers fich der Heide
mit liftigen freundlichen Worten in den Befitz Jerufalems
fetzt und dann wortbrüchig über die forglofen Einwohner
herfällt' (S. 27). Endlich fpricht gegen die Zeit des
Pompeius auch der lebhafte Ausdruck der meffianifchen
Hoffnung in unferen Pfalmen. ,Beim Anzüge der Römer
hat man den Meffias nicht erhofft und das meffianifche
Endgericht nicht erfehnt' (S. 48).

Woher der Verf. letzteres weifs, ift mir unbekannt;
der Beweis dafür dürfte ihm fchwer werden. Aber auch
das ganze Bild, das er fich von Pompeius macht, ift ein
willkürliches. Das Ideal unferes Pfalmiften ift die Selbft-
ftändigkeit Israels unter dem von Gott gefalbten meffianifchen
König aus David's Haufe. Der heidnifche Römer
ift ihm darum ganz ebenfo verhafst, wie die faddueäi-

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fchen Hasmonaeer, die widerrechtlich den Thron David's
an fich geriffen haben. Die Vorausfetzung Frankenberg's,
dafs die Ankunft des Pompeius von den Pharifäern
,freudig begrüfst', ja dafs er ,als rächendes Strafwerkzeug
der göttlichen Gerechtigkeit fehnlich erwartet worden
fei', ift einepetitioprineipii, die fich durch nichts erweifen
läfst. Pompeius hat ein Blutbad im Tempel angerichtet
und das Allerheiligfte betreten. Das find Gräuel genug,
um ihn den gefetzesftrengen Juden verhafst zu machen.
Dafs ,fich der Heide mit liftigen freundlichen Worten
in den Befitz Jerufalems fetzt und dann wortbrüchig
über die forglofen Einwohner herfällt', ift in unfern
Pfalmen nicht gefagt. Sondern es heifst nur (VIII,
18—24), dafs die jüdifchen Fürften ihm felbft die Thore
Jerufalems geöffnet hätten, dafs er eingezogen fei wie
ein Vater in das Haus feiner Kinder in Frieden («er
elgijvrp), dafs er aber dann die Burgen der Stadt (räc
irrgyoßdgeic, Pf. 122, 7 für paIS?) und die Mauern eingenommen
, ein Blutbad angerichtet und die Einwohner
gefangen weggeführt habe. Das alles ift genau fo zur
Zeit des Pompeius gefchehen. Die Partei des Hyrkan
hat ihm freiwillig die Thore der Stadt geöffnet, während
die Partei des Ariftobul fich auf dem Tempelberg ver-
fchanzte. In die Stadt felbft ift daher Pompeius ohne
Schwertftreich eingezogen; nur den Tempelberg mufste
er mit Gewalt nehmen {Joseph. Antt. XIV, 4; Bell. lud.
I, 7). Gerade die völlige Uebereinftimmung diefer That-
fachen mit den Angaben unterer Pfalmen ift ein Beweis
für ihre Herkunft aus der Zeit des Pompeius. Es gibt
aber auch noch andere fchlagende Beweife, mit welchen
fich Frankenberg nur auf die gezwungenste Weife abfinden
kann. Nach Pf. XVII, 6—9 haben fich fündige Fürften
die Herrfchaft über das Volk Israel angemafst, haben
den Thron David's in ihrem Hochmuth geftürzt (ijW-
t-uoaav, dazu Frankenberg S. 421. 94); aber Gott wirft
fie darnieder, indem gegen fie aufgeftanden ift ein fremder
Mann, der nicht jüdifchen Gefchlechtes ift (XVII, 9:
sv %p snavaazi]vai aviolg uvd-gionov allorgiov ylvovg
Jicuv). In der augenfälligften Weife ift hier auf Pompeius
angefpielt. Die fündigen Fürften, welche fich die
Herrfchaft angemafst haben, find die Hasmonäer. Sie
werden von dem Ausländer Pompeius geftürzt. Frankenberg
verfteht unter erfteren die heidnifchen Seleuciden.
Wer foll aber dann der avd-gio7rog dlhmgtng yevovg
mi(Sv fein? Die Verlegenheit, in welche Frankenberg
durch diefe Stelle verfetzt wird, verräth er felbft durch
folgende Ausführung (S. 46 f.).

,Als Vertilger der heidnifchen Weltmacht kommt
kein Ausländer, fondern nur der Meffias in Betracht.. .
Diefe Ueberlegung würde darauf führen, in ävllgconog dll.n-
vgiog ytvovg tj/hüv irgend eine Bezeichnung für den

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