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Ausgabe:

1897 Nr. 26

Spalte:

679-682

Titel/Untertitel:

Hieronymus, Liber de viris inlustribus. Ed. Ernest Cushing Richardson 1897

Rezensent:

Bernoulli, Carl Albrecht

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 26.

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thum verweigert, fieht fich Perennis genöthigt, das
Todesurtheil zu fällen. Die differenten Angaben über
den Tag des Martyrium, den G. auf den 21. April, die
bisherige Ueberlieferung auf den 18. April anfetzte, erklärt
Klette fehr glücklich daraus, dafs das Verhör am
18. April begonnen hat, die Verurtheilung und Voll-
ftreckung der Strafe aber erft am 21. April ftatthatte.
Am Schlufs feiner Arbeit (S. 91 —131) giebt K. eine fehr
dankenswerthe Textherftellung der Recenfion G. auf Grund
vorzüglicherPhotographienund eine deutfcheUeberfetzung
von G. und A., in denen die Abweichung beider Texte
fowieZufätze zu den urfprünglichen actapraefectoria durch
den Druck hervorgehoben find. — Die Unterfuchung K.'s
ift eine dankenswerthe Arbeit, die mit Scharffinn und
tüchtiger Methode geführt ift und fich als nothwendige
Nacharbeit zu den älteren Arbeiten, denen die Recenfion
G. noch nicht bekannt war, darfteilt. Er hat eine ganze
Zahl dunkler Punkte im Chriftenprocefs des Apollonius
durch ausgiebige Heranziehung des für das römifche
Procefsverfahren zu Gebote flehenden Materials definitiv
klargefiellt. bisweilen fcheint er mir allerdings feine
Hypothefen allzu apodiktifch aufzuhellen. Mir will es
annehmbarer erfcheinen, dafs die Angabe des Rufin ,ut
defensionem ederet scriptum1 nur aus einer Ueberfetzung des
eufebianifchen otarittaychv ajioloyiav erwachsen ift, als dafs
dem Rufin die Acten des Apollonius vorgelegen haben.
Auch glaube ich kaum, dafs uns in den Acten die gerichtlichen
Protokolle vorliegen, fondern fie werden auf
die Niederfchrift eines chriftlichen Ohrenzeugen, der dem
öffentlichen Proceffe beiwohnte, zurückgehen. Bei diefer
Annahme können dann auch die von K. ausgefchiedenen
Zufätze innerhalb der Acta nicht erft auf die Arbeit eines
fpäteren Redactors, fondern zum grofsen Theil auf den
erften Verfaffer zurückgeführt werden. Endlich möchte
ich noch hervorheben, dafs mir für die Anfetzung des
Proceffes die Jahre 180—82 wahrfcheinlicher erfcheinen,
als die von K. gegebene Datirung 183—85. Bei der
fpäteren Anfetzung ift es fchwierig zu erklären, warum
die damals fo einflufsreiche Concubine Marcia den Kaifer
nicht von einem den Chriften fo ungünftigen ööypa zurückgehalten
haben follte, während diefes in den erften
Jahren der Regierung des Kommodus, wo noch die Traditionen
der Regierung des Marc Aurel nachwirkten,
verftändlich wird. Auch erfcheint Perennis nicht, wie der
Verfaffer meint, in alleiniger Machtfülle, da er fonft kaum
ein senatus Consultant und einen Befcheid des Kaifers einzuholen
für nöthig gehalten hätte. Diefe Ausheilungen an
Einzelheiten der Arbeiten liefsen fich noch vermehren,
doch können fie nicht den Dank mindern, der dem Verfaffer
für feine tüchtige Arbeit gebührt.

Heidelberg. Grützmacher.

Hieronymus, Uber de viris inlustribus. Gennadius, Liber
de viris inlustribus. Herausgegeben von Biblioth. Erneft
Cushing Richardfon. — Der fogenannte Sophro-
nius. Herausgegeben von Ose. v. Gebhardt. (Texte
und Unterfuchungen zur Gefchichte der altchriftlichen
Literatur, hrsg. v. O. von Gebhardt u. A. Harnack.
XIV.Band. I.Heft.) Leipzig, Hinrichs, 1896. (LXXII,
112 u. XXXIV, 62 S. gr. 8. M. 9 —

1. Richardfon's Ausgabe des hieronymifchen Schrift-
flellercataloges war bei ihrem Erfcheinen für alle an die-
fem Tractat Intereffirten eine vollftändige Ueberraschung;
aller Augen waren in diefer Hinficht nach Wien gerichtet
gewefen, wo diefer längft in Ausficht geheilte wichtige
Text hinter viel weniger begehrten Editionen immer
wieder zurücktreten mufste. Ein erher Blick in Richardfon
's Ausgabe fchien nun diefen Theil des Wiener Unternehmens
mit einem Schlage überflüffig zu machen; denn
die befcheidenen Mittheilungen des Vorworts deuten den
enormen Umfang der Arbeit an, die R. in dem Buche

niedergelegt hat. Während der letzten fechs Jahre hat
er auf mehreren bibliographifchen Reifen das Material
gefammelt und mehrere Monate ausfchliefslich auf die
Analyfirung der Varianten verwendet. Ein Riefenapparat
von 120 Handfchriften und gegen 70 gedruckten
Ausgaben ih bis auf geringfügige Ausnahmen in Augen-
fchein genommen und berückfichtigt worden; dafs der
Herausgeber dennoch von ärgerlichen Schwierigkeiten
und Widerfprüchen redet, hört befonders der mitGenug-
thuung, der mit viel geringeren Mitteln und weit kleinerem
Aufwand von Zeit der nämlichen Aufgabe beizukommen
fuchen mufste.

Die Art, wie R. es angefafst hat, um den ungeheuren
Stoff zu bewältigen, erweckt an fich das gröfste Zutrauen
zu der von ihm vorgelegten Textgeftalt; er ift geradezu
mathematifch vorgegangen und hat den vorgelegten
Wortlaut auf logifch zwingende Weife erfchloffen. Die
[ litterarifche Ueberlieferung des Doppeltractats Hieronymus
Gennadius ergeht fich in den mannigfaltigften Spielarten
. R. fpricht von einem ,wahren Carneval von Varianten
'. Bereits bei dem rein äufserlichen Beftande beginnt
die Verwickelung: für die Gruppirung der beiden Schriften
ergiebt fich eine fünffache Conftellation: 1) Hieron.
D. V. I. allein 30 Hff. 2) Hieron. -}- Cap. über Valerian
und Prudentius mit folgendem Genn. 5 Hff. 3) Daffelbe
ohne Genn. 1 Hf. 4) Hier. -f- Genn. das Gros der Hff.
(ca. 80). 5) Genn. D. V. I. allein 4 Hff. (genau befehen
nur 3, da Monac. 22052 von derfelben Hand ift, wie Monac.
22034, der nur Hieron. enthält). Genn. fodann erfcheint
in mehrfachen Recenfionen, für die fich acht Gruppen
ergeben: 1) Genn. in der einfachen Eorm von 91 cc.
33 Hff. 2) Urgennadius -)- die Cap. über Honoratus,
Cerealis, Eugenius und Pomerius 7 Hff. 3) Urgenn. -f-
die Cap. über Gelafius und Genn. 1 Hf. (Vcrc). 4) Urgenn.
mit Einfchaltung des Cap. Johannes Conftantinopol. 4
(oder 8) Hff. 5) Gruppe 2 + Honoratus Maffil. 3 Hff.
6) Gruppe 5 -(- Sidonius 2 Hff. 7) Gruppe 2 -f- Gruppe 3
(oder in anderer Reihenfolge) 12 Hff. 8) Gruppe 7 mit
Einfchaltung des Sidonius vor Gelaffus 5 (oder 8) Hff.
Gehen wir zu den Lesarten und zwar bei Hieron. über,
fo ergeben fich folgende Hauptgruppen, je nachdem in
dem Satz des Vorworts Itaque-precor fteht I Dominum
nostrum Jesum Christum oder II Dominum Jcsum Christum
oder III Dominum Jcsum. Jede diefer Gruppen hat
wieder ihre Untergruppen, deren nähere Schilderung uns
hier nicht befchäftigen darf. Die Hauptfache befteht in
Folgendem; Gruppe I ift die fpätefte, an der am meiften
geändert worden ift. Die etwa 35 Hff., die fie bilden,
gehören meift dem 10. Jahrh. oder einer noch fpäteren
Zeit an. Gruppe II hat keine jüngeren Hff. als folche
aus dem Ii. Jahrh., Gruppe III umfafst alle älteften Hff.
Aus ihren etwa 35 Hff. ragen nun 7 hervor, die als die
glaubwürdigften Zeugen für die Herftellung des Textes
in Betracht fallen. Es find 1) cod. Vai. Regin. Lat. 2077
sc. 6,7 = T (in der Ausgabe des Ref. = A). 2) cod. Paris.
Lat. 12 161 sc. 7 = A (B). 3) cod. Veron. 22 sc. 8 = 25 (C).
4) cod. Vercell. 183 sc. 8 = 30 (D). 5) cod. Montepcssul.
406 sc. 8/9 = 31. 6) cod. Vindobon. (olim Bobiens.) 16 (rec.
85) = e. 7) cod. Monac. Lat. 6333 sc. 9=a. Ein dreifacher
Umftand erweckt das Vertrauen zu diefen 7 Hff., dafs
keine jünger ift, als das 9. Jahrhundert, dafs fie räumlich weit
auseinanderliegen (Rom, Lombardei, Piemont, Burgund,
Paris, München, Wien) und dafs nachweisbar keine eine
Abfchrift der andern fein kann. Am nächften verwandt
find fich 25 und 30, ihnen wieder A, dann T, fchliefslich
e, von diefem fünffach befetzten Zweige gehen fowohl
51 als a felbftftändig ab. Alle individuellen Lesarten, fo
beftechend fie fein mögen, find falfch, vielmehr ift zur
Annahme einer Lesart eine fünffache Regel zu berück-
fichtigen: 1) wenn die Mehrzahl der Hff. einer Hf. gegen-
überfteht. 2) wenn nur zwei Hff. aus verfchiedenen
Gruppen übereinftimmen, fo ift anzunehmen, dafs eine
Correktur aus der andern ftattgefunden hat und dafs