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Ausgabe:

1897 Nr. 2

Spalte:

678-679

Autor/Hrsg.:

Klette, E. Theod.

Titel/Untertitel:

Der Process und die Acta S. Apollonii 1897

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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677 Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 26.

zu welchem Ergebniffe Verf. dabei gekommen in, zeigt
Thefe2(f o.). Zufammenfaffende Bemerkungen (S. 89—92)
fchliefsen das Ganze ab. — —

Die Unterfuchung von Volz ift mit Scharffinn und
Fleifs geführt und anregend und pointiert gefchrieben,
und doch wird fie, glaube ich, weit mehr Widerfpruch
als Zuftimmung ernten. Der Grund dafür ift einmal in
einer gewiffen Hyperkritik zu fuchen, die namentlich bei
der Behandlung der Prophetenfchriften ftörend zu Tage
tritt. Die Unterfcheidung eines Proto- und Deuterohosea,

der Punkt, in dem er allfeitig auf vollfte Zuftimmung
rechnen darf, ift, dafs er mit allem Nachdruck hervorgehoben
und nachgewiefen hat, dafs in der That die
Meffiasidee ein der Jahweprophetie von Haus aus fremdes
und heterogenes Element gewefen ift.

Marburg. R. Kraetzfchmar.

Klette, E. Theod., Der Process und die Acta S. Apollonii.

(Texte und Unterfuchungen zur Gefchichte der alt-
die weitgehenden Ausfchaltungen innerhalb der Prophetien chriftl. Literatur, hrsg. von O. v. Gebhardt u. A. Har-

_ von Hof. 2 werden z.B1. nur d,e Verfe 7, iof. 14,13, 15 (19) nack. XV. Bd. 2. Heft.) Leipzig, J. C. Hinrichs, 1897.
als urfprünghch angefehen —, die Unechtheitserkla- ' v b'J —

rung famtlicher meffianifcher Stellen bis auf Ezechiel tiv> '3° b- §r- 84 M- 4-5°

herab mufs Widerfpruch, und zwar berechtigten, erwecken. In der vorliegenden Arbeit unternimmt es der Ver-

Auf Einzelheiten einzugehen ift hier nicht der Platz. Jeden- j faffer auf Grund der Entdeckung und Herausgabe einer

griechifchen Recenfion der Märtyreracten des Apollonius
durch die Bollandiften im Jahre 1895 die fchon von Har-
nack, Seeberg, Hilgenfeld und Mommfen behandelten
Fragen über Stand, Führung des Proceffes trotz Verurtheilung
des Klägers, Stadien des Proceffes, Rechtsgrund
zur Verurtheilung des Apollonius einer erneuten Unterfuchung
zu unterziehen. Er behandelt zunächft (S. 3—48)

falls: ehe nicht durchfchlagendere Gründe gegen die Echtheit
vonjef. 91 f. vorgebracht werden, als bisher von Hackmann
, Cheyne, Marti und Volz angeführt worden
find, fcheint mir gerathener, an derfelben feilzuhalten und
Jefaia auch fernerhin als den Propheten anzufehen, bei
dem die Meffiasidee zum erlten Male vertreten ift.
Nimmt man dies an, fo begreift fich auch, wie es kommen

konnte, dafs diefe Idee bei Ezechiel bereits ftark im I die Quellen für das Martyrium des Apollonius: Eufebius,
Verblaffen ift (f. S. 85); wie will man das hingegen erklären, ] Rufin, Hieronymus und die Märtyreracten, die jetzt in

wenn Ezechiel, wie V. will, der erfte war, der fie in feine
prophetifche Verkündigung aufgenommen hat? — Ein
anderer Punkt, wo der Widerfpruch einfetzen mufs, ift
die vom Verfaffer vertretene Auffaffung von der Meffiasidee
, wie fie dem ganzen erlten Theile zu Grunde gelegt
ift Nicht blofs Stellen wie Sach. 99h, Jef. II 10, deren
Inhalt der Verfaffer m. E. nicht erfchöpft, fprechen gegen
feine Behauptung, dafs der Meffias im A. Teft. von

armenifcher (A) und griechifcher (G) Recenfion vorliegen.
Die Acten find die befte und ausfuhrlichfte Quelle, und
zwar ift K. der Anficht, dafs uns in diefen Acten die
officielle Nachfchrift des Proceffes durch den Gerichts-
tachygraphen erhalten ift, die fpäter in die Hände der
Chriften gelangte und in den Recenfionen A und G mit
gefchichtlichen und erbaulichen Zufätzen betreffs Vor-
lefung an den Natalitien des Märtyrers vermehrt vorliegt.

Anfang bis zu Ende nur ein äufserlicher Factor in der j Er nimmt dabei an, dafs der Procefs urfprünglich grie

Heilserwartung gewefen ift, fondern vor allem fchon der
Umftand, dafs die Prophetie überhaupt die Meffiasidee
in ihr Bereich gezogen hat. Es entfprach durchaus nicht
der Art der vorexilifchen Propheten, volksthümliche Vor-
ftellungen, — und dafs auch die Meffiasidee eine folche
fei, hat der Verf. mit vollftem Rechte allenthalben betont
— unverändert in ihre Predigt herüberzunehmen,
ohne fie mit ihrem Geifte zu durchtränken, d. h. ihnen
fittlich-religiöfen Gehalt zu geben. So haben fie es mit
der volksthümlichen Tag-Jahwe-Idee gemacht, fo nicht
anders mit der auf dem volkthümlichen Glauben an die
Unverbrüchlichkeit der Davidberith beruhenden Meffiasidee
, deren Spitze fie gegen die derzeitigen fündhaften
Vertreter der Davidifchen Dynaftie richteten. Indem fie
diefen den Untergang verkündigten und an ihrer Statt
einen König der Endzeit in Ausficht Hellten, der nach
ihrem Herzen fo recht als ein König von Gottes Gnaden
das Regiment führen würde, fchufen fie einen Ausgleich
zwifchen dem altüberlieferten Glauben an das ewige Beliehen
der Davidbundverheifsung und den fittlich-religiöfen
Vorausfetzungen ihrer Predigt. Sie haben damit
der Meffiasidee einen völlig neuen Inhalt gegeben; fie ift
bei ihnen in erfter Linie Drohung und erft in zweiter
Verheifsung. Ift das aber richtig, fo wird den von Volz
im erften Theile feiner Arbeit gegebenen Darlegungen,
die auch im Einzelnen keineswegs unanfechtbar find, der
Boden entzogen, denn fie haben zur gemeinfamen Voraus

chifch in Rom geführt ift und begründet diefe Annahme
mit der Möglichkeit der Verwendung des Griechifchen
als Gerichtsfprache in Rom, mit der Sprache der Acten,
die auf keine Ueberfetzung fchliefsen laffen und mit dem
Fehlen des Urtheils, das lateinifch gegeben zu werden
pflegte, in dem urfprünglichen Protokoll. In der Dar-
ftellung des Proceffes des Apollonius (S. 49—90) fucht
er zunächft die Frage nach dem Stande des Apollonius
zu beantworten, ohne jedoch hier zu fetteren Refultaten
zu kommen, als dafs A. ein vornehmer und gebildeter
Chrift war, deffen Zugehörigkeit zum Senatorenftande
fleh nicht ficher feftftellen läfst. Als Gerichtshof, vor dem
die Klage wider Apollonius angebracht wurde, weift er
den kaiferlichen nach, in dem der mächtige Vicekaifer
Perennis, der praefectus practorio, den Vorfitz führte.
Die Anklage wurde von einem Sklaven des Apollonius
auf Grund feines Chriftfeins erhoben, der Ankläger aber von
Perennis zum crurifragium, der Sklavenftrafe, verurtheilt.
Diefe Verurtheilung hat nicht ihren Grund in einem be-
fonderen die Chriftenankläger bedrohenden, fondern in
dem gemeinüblichen Recht, das die Sklavenklage wider
den eigenen Herrn verbot. Damit war aber die Möglichkeit
einer Fortführung des Proceffes gegen den Angeklagten
nicht ausgefchloffen und Perennis hat wahrfchein-
lich aus Rückficht auf den Kaifer wegen der Eigenthüm-
lichkeit der Religionsverbrechen der Chriften, das als
Majeftätsverbrechen galt, den Procefs nicht niederge-

fetzung, dafs die vorexilifchen Propheten die Meffiasidee fchlagen, obwohl er die Hoffnung hatte, den Apollonius
unverändert übernommen und als felbftftändiges Stück j zu retten. Der Procefs nimmt in zwei öffentlichen Haupt-

ihrer Verkündigung eingegliedert haben würden. Damit
fällt auch der Haupteinwand, dafs Meffiasidee und Jahweprophetie
einander ausfehlöffen. Denn fo wenig bei der
Vorftellung vom Tage Jahwes der grundfätzliche Widerfpruch
, in dem ihre Vorausfetzungen mit denen der vorexilifchen
Jahweprophetie von vorn herein ftanden, hindern

Verhandlungen feinen Lauf. Der ftoifch gebildete Heide
verfucht alles, was als Richter innerhalb der gefetzlichen
Befugnifs und Rechtsgepfiogenheit in der Behandlung
der Chriften in feiner Macht lag, um Apollonius zum
Widerruf zu bewegen. Zu der nach 3 Tagen ftatthaben-
den zweiten Verhandlung hat Perennis ein Senatsgut-

konnte und gehindert hat, dafs fie von jener aufgegriffen i achten und einen Rechtsbefcheid des Kaifers eingeholt,
und ihrer Predigt einverleibt wurde, fo wenig war dies [ Beide find ungünftig ausgefallen und fprechen das Ver-
der Fall bei der ganz parallelen Meffiasidee. bot des Chriftenthums fchlechthin aus. Als daher Apol-

Das bleibende Verdienft der V olz'fchen Arbeit und lonius mit ruhiger Sicherheit den Abfall vom Chriften-

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