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Ausgabe:

1897 Nr. 22

Spalte:

590-593

Autor/Hrsg.:

Kaufmann, Georg

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der deutschen Universitäten. 2. Bd 1897

Rezensent:

Nitzsch, Friedrich August Berthold

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 22.

590

Ueberiicht zeigt, wie er die Aufgabe beftimmte, die er I Kaufmann, Georg, Die Geschichte der deutschen Universi-

zu löfen gedachte. Es befchäftigte ihn nur die Frage
Was hat Radbert gelehrt? Nicht die andere: Wie kam
er dazu, fo zu lehren, wie er lehrte? Aber auch die
erftere Frage wird nicht unbefangen unterfucht; S. 41
lieft man: Die Frage ift: Wie wird Chrifti Fleifch und
Blut gegenwärtig? Die katholifche Kirche antwortet:
Durch Transfubftantiation . . . Wie zu erwarten, kennt
Pafchafius das Wort Transfubftantiation nicht; ob er
die Sache gekannt und gelehrt hat, mufs die folgende
Unterfuchung entfcheiden. Es handelt fich demnach
weniger um eine hiftorifche Unterfuchnng der Lehre
Radberts als um ein Urtheil über feine Orthodoxie. Wie
zu erwarten, fällt daffelbe glänzend aus; er lehrt: Durch
die Confecration wird am Brote und am Weine eine
Veränderung bewirkt. Diefe Veränderung ift eine derartige
, dafs die Subftanz des Brotes und Weines fchwindet,

täten. 2. Bd. Entftehung und Entwicklung der deut-
fchen Univerfitäten bis zum Ausgang des Mittelalters.
Stuttgart, Cotta Nachf., 1896. (XVIII, 587 S. gr. 8.)

M. 12.—

Nachdem der Verf. im Jahre 1888 in einem erften Bande
die ,Vorgefchichte' der Gefchichte der deutfchen Univerfitäten
dargeboten hat (s. des Ref. Anz.im Jahrg. 1888, Nr. 24),
erhalten wir hier die Gefchichte der Entftehung und Ent-
wickelung der deutfchen Univerfitäten felbft bis
zum Ausgang des Mittelalters. Der 2. Band follte nach
dem urfprünglichen Plane (f. Bd. I, S. XIII) auch das 16.
u. 17. Jahrh. umfaffen, befchränkt fich aber thatfächlich
auf das 14. u. 15. (oder doch die Zeit bis 1506), fo dafs,
wie es fcheint, die durch den Gegenfatz von proteftan-
tifchen und katholifchen Hochfchulen beherrfchte ,Ueber-

und Chrifti Fleifch und Blut an ihre Stelle tritt. Brot ; gangsperiode' (16. u. 17. Jahrh.) einem dritten Bande vor-
und Wein fchwinden nicht durch Annihilation, fondern behalten bleibt. Uebrigens will der Verf. nicht die
durch Verwandlung in den Leib und das Blut Chrifti. j Gefchichten der einzelnen Univerfitäten aneinanderreihen,
Diefe Verwandlung berührt aber nur die Subftanz des 1 fondern ein Bild von den gemeinfamen Grundzügen ihrer
Brotes und Weines, fo zwar, dafs diefe nach ihrem Verfaffung, von ihren Zielen und von dem Ergebnifs ihrer
ganzen Sein, nach Materie und Form verwandelt wird, j Wirkfamkeit auf Gefellfchaft und Wiffenfchaft geben.
Dagegen bleiben die Accidenzien des Brotes und Weines i Dies und zugleich das Beftreben, die in Rede flehende
nach wie vor diefelben. Pafchafius hat alfo die katho- 1 Entwickelung fowohl unter den allgemeinen kultur-
lifche Transfubftantiationslehre vorgetragen (S. 51). Von 1 geschichtlichen Gefichtspunkt zu ftellen, als auch in ihrem
den disparaten Elementen in feiner Lehre; von den Zufammenhang mit den hiftorifch-politifchen Verhält-
Sprüngen und Näthen, die man bald hier, bald dort niffen in Staat und Kirche zu veranfchaulichen, tritt be-
wahrnnnmt, erfährt der Lefer nichts; dagegen wird er fonders in dem Schlufscapitel (dem 5.) hervor, welches
zuletzt noch durch die Vermuthung überrafcht, dafs, mag unter der Ueberfchrift .Entwicklung der deutfchen Uni-
auch Pafchafius fagen: Haec caro . . . nou alia plane quam verfitäten im Laufe der Periode' zunächft die .allgemeinen
quac nata est de Maria et passa in eruee et resurrexit Verhältniffe in Staat und Kirche und die Stellung der
de sepulchro, haec inquam ipsa est et ideo Christi est caro, , Univerfitäten zu ihnen' (S. 419—468) fchildert, fodann die
quae pro mundi vita adhuc liodie offertur, feine eigent- Entwickelung der Verfaffung und der Studien (469—450)
liehe Meinung doch die gewefen ift, welche einen Unter- ' vor uns aufrollt, hierauf das Wefen des Humanismus und
fchied zwifchen dem euchariftifchen und dem hiftorifchen deffen Einftuts auf die Univerfitäten (490 — 562) behan-
Leib Chrifti ftatuirt (S. 96). delt und mit Luther's Bedeutung für die Reform der

Wie Radbert, fo beurtheilt E. auch feine Gegner, wenn Univerfitäten fchliefst. Indeffen Kaufmann ift weit davon
man von folchen fprechen darf; denn eigentlich find es entfernt, uns lediglich den Gang oder Fortgang der Dinge
keine Gegner: zwifchen Radbert und Rhaban beftand eine im Ganzen und Grofsen vor Augen zu ftellen, unfern
fachliche^Differenz nicht (S. 96); bekennt doch auch er Hunger und Dürft nach Concretem ungeftillt zu laffen
klar feinen Glauben an die Transfubftantiation (S. 90 u. und fich allen den Einzelfragen über die verfchiedenften
92). Ebenfowenig daif Ratramnus aus der Reihe der Inftitute und Gebräuche, die uns auf den Lippen fchweben,
orthodoxen Schriftfteller geftrichen werden (S. 119); zeigt zu vertagen. Vielmehr geht er auf das Einzelne na-
doch gleich der Eingang feines Buchs deutlich, dafs mentlich in den vier erften Capiteln aufs gründlichfte und,
nicht eine abweichende Anficht über die Transfub- foweit es die Quellen geftatteten, ausführlichfte ein. Das
ftantiation ihm die Feder in die Hand gedrückt hat j erfte handelt von der Gründung der deutfchen Uni-
IS. 100). Die Differenz zwifchen ihm und Radbert be- i verfitäten von Prag bis Wittenberg und Frankfurt a. O.
fteht nur darin, dafs diefer mehr die fubftantielle Iden- (i. die Stiftungsbriefe; 2. Vollzug der Gründung; 3. die
tität betonte, ohne die accidentelle Verfchiedenheit des Ausftattung); das zweite betrifft die Verfaffung (i.
euchariftifchen und hiftorifchen Leibes Chrifti zu leugnen, , allgem. Stellung der Magifter und Scholaren in der Cor-
er dagegen den Nachdruck auf die accidentelle Ver- | poration; 2. Corporation und Lehranftalt; 3. die Facul-
fchiedenheit legte, ohne indes die fubftantielle Identität täten; 4. u. 5. das Verhältnifs der deutfchen Univerfitäten
in Abrede zu ftellen (S. 124). Genau wie die mittel- 1 zu Staat und Kirche; 6. die Autonomie der Univerfitäten;
alterlichen Theologen werden auch die altkirchlichen be- 1 7- der Kanzler); das dritte die Organe der Verfaffung
handelt. Wer bezweifelt, dafs Auguftin die Transfub- , (Senat, Rector, Facultätsverfaffung, Collegien und Burfen,
ftantiation gelehrt hat, macht fich eines Angriffs auf die , Verwaltung); das vierte die Studienordnung (Stu-

Orthodoxie des grofsen Bifchofs von Hippo fchuldig
(S. 29). Freilich fagt Auguftin: Hoc agnoscite in paue,
quod pependit in cruce, hoc in calice, quod manavit de/atere,

dienjahr, Ferien, Erwerbung der Grade, Vorlefungen, Disputationen
, Honorar, Ueberwachung der Scholarenl Es
wäre nun allenfalls thunlich, die zahlreichen falfchen Vor-

aber Radbert citirt ,zwar nicht wörtlich, doch dem Sinne ! Heilungen über Univerfitätsverhältniffe, welche noch heute

nach getreu' (S. 83): Hoc aeeipite in pane, quod pependit tu
tigno, hoc aeeipite M calice, quod manavit ex Christi latere.
Ich geftehe, man wird beim Lefen des Ernft'fchen Buches

nicht nur in Laienkreifen, fondern auch bei felbft Doci-
renden landläufig find, theilweife hervorzuheben und aus
dem vorliegenden Buche, deffen Verdienfte auf diefem

zulttzt ungeduldig Man mag es ihm verzeihen, dafs er i Wege auch Laien deutlich werden könnten, die Bericheinen
Wortmacher wie Radbert allerlei Kunftftücke tigungen herauszugreifen. Dies würde indeffen zu einem
machen läfsf aber dafs er Auguftin, Hraban und Ra- ; Aggregat zufammenhanglofer Einzelheiten führen. Ref.
tramnus behandelt wie ein Marionettcnfpieler feine Puppen, ,zie, 1 es.daher vor. behufs der Kennzeichnung des In-
ift ärgerlich Denn dazu waren diefe Männer zu bedeu- haltes einige Züge wiederzugeben, die infonderheit die
tend. und 'war es ihnen mit ihren Ueberzeugungen 1 heologie betreffen a .

z »- ^ Mit Entfchiedenheit bekämpft der Verf. die noch

" Hauck immer weit verbreitete Anficht, die mittelalterlichen Uni-

Leipzig. • ! verfitäten feien kirchliche Anftalten gewefen. Er giebt