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Ausgabe:

1897

Spalte:

581-587

Autor/Hrsg.:

Spitta, Friedrich

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte und Litteratur des Urchristenthums. 2. Bd 1897

Rezensent:

Soden, Hermann

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5«S i Theologifche Li'craturzeitung. 1S97. Nr. 22. 582

avoir ete nulle, ift in der dritten Auflage (S. 28) nulle in I ter Confrontation feiner Ausfagen mit folchen der jüdi-
f uble geändert. Ich halte gegenüber der jetzt von fchen Literatur. Es ift nicht zu leugnen: kein einzelner
Manchen überfchätzten griechifchen Bildung Pauli die Satz ift im Munde eines Juden unmöglich. Aber konnte
Betonung feiner pharifäifchen Bildung für richtig. Aber ein Jude das Ganze fchreiben? Fehlt nicht fo vieles,
das Maafs der einen wie der anderen hätte doch genauer
erwogen werden müffen. Auch bei Darftellung des Ge-
dankenkreifes im Einzelnen hätte da und dort die Mög

was nach den zahlreichen aus den verfchiedenften Lagern
flammenden Urkunden über den Intereffenkreis des Judenthums
jener Zeit in deffen Mittelpunkt ftand, fehlen nicht
lichkeit griechifcher oder helleniftifcher Einflüffe ins Auge alle die Abgefchmacktheiten und Pedanterien ihrer Theo-
gefafst werden müffen. So darf man z. B. über II. Kor. ! logie und ihres religiöfen Habitus? Gerade die beige-
5,i—in nicht handeln, ohne an diefe Fragen zu denken. I brachten Parallelen aus wirklich jüdifcher Literatur
So unwahrfcheinlich es ift, dafs Paulus in der Zeit zwifchen bringen dies recht lebhaft zum Bewufstfein. Wie keufch

dem 1. und 2. Korintherbrief plötzlich vom Hellenismus
mehr als bis dahin beeinflufst worden fein foll (wie
Pfl eiderer, Urchriftenthum S. 161 angenommen hat), fo

und fchlicht hebt fleh z. B. die Genealogie der Sünde
U3—15 von den unlauteren Mythologien der jüdifchen
Lehre von der Sünde ab. Und wenn Sp. mit Recht an

ficher fcheint mir, dafs die II. Kor. 5 vorausgefetzte verfchiedenen Stellen von einem Chriften es als unum-
Pfychologic auf Sap. Sah 9, 15 zurückgeht (vgl. Gräfe gänglich fordert, dafs dort auf den erfchienenen Mefftas
in den Theologifchen Abhandlungen zu Weizfäcker's Rückficht genommen fein müfste, fo find der Stellen nicht
fiebzigftem Geburtstage 1892, S. 274f.). weniger, wo man von einem Juden mit Sicherheit mehr

So wäre alfo im allgemeinen eine ftärkere Berück- Jüdifches zu erwarten hatte, als unfer Brieffteller bietet,
fichtigung neuerer Arbeiten zu wünfehen gewefen. Aber > Sodann hat Sp. nicht begreiflich zu machen verfucht.
auch ohne diefe darf das anregende Buch noch immer 1 was einen Juden zu diefer eigenartigen, lofe zufammen-
zum Studium dringend empfohlen werden. i hängenden Conception veranlafst haben könnte. So

Göttingen. E. Schürer.

fruchtbar die beigebrachten Parallelen fich für die Einzelerklärung
erweiten, das Schriftftück als Ganzes wird nur
räthfelhaftcr. Insbefondere ift es Sp. nicht gelungen
Spitta, Friedr, Zur Geschichte und Litteratur des UrChristen- j durch die im Lauf feiner Exegefe eingeftreuten Bemer-
thums. 2 Bd.: Der Brief des Jakobus; Studien zum ; Hungen einen einheitlichen Gedankengang des Briefes

Hirten'des Hermas Göttingen, Vandenhoeck & oder wenigftens einen orgamfehen Zufammenhang feiner
nirten aes nermas. uulLUIb 1 einzelnen Abfchmtte aufzuzeigen. Sie genügen nur eben

Ruprecht, 1896. (VI, 437 S. gr. 8.) M. 10.— I begreiflich zu machen, dafs irgend wann die einzelnen

Der die beiden Studien verbindende Gedanke ift, dafs Stücke fo aneinander gereiht worden find, wie wir fie
der Jacobusbrief und der Paftor Hermä jüdifche Schriften lefen, nicht aber dafs fie in diefem Zufammenhang verfeien
welche in der Chriftenheit Aufnahme fanden, und j fafst wurden. Dies gilt insbefondere vom Eingang 1,1 —
bei diefer Uebernahme eine kleinere oder gröfsere Ver- I9a und von den Abfchnitten von 4,11 an. Für die letzte-
änderung ihres urfprünglichen Textes erfuhren. ren ift ihr jüdifcher Urfprung aufs Höchfte wahrfcheinlich

Auf Grund einer ftaunenswerthen Beherrfchung der ! gemacht. Aber diefer ganze Theil 4,11 — 5,20 erfcheint
gefammten fpätjüditchen Literatur aus den Jahrhunderten wie eine Anthologie von nach Analogie der Sprüche
unmittelbar vor und nach Chriftus wird durch unzählige ; Salomo und Jefus Sirach geformten Sittenregeln, in wel-
Parallelen überzeugend nachgewiefen , dafs die beiden eher nur leife Gedanken- oder Wortanklänge die Verbin-
unterfuchten Schriften in ihren Ideen und Ausdrucks- , dung herftellen. Ob es aber ein Chrift oder Jude war,
mittein mit jener Literatur aufs innigfte verwandt find. der fie für feinen Leferkreis befonders beherzigenswert
Von diefer Thatfache aus zieht Sp. Folgerungen auf die i fand, ift damit nicht entfehieden. War es ein Chrift, fo
Entftehungsverhältniffe der beiden Schriften. Den Ja- konnte er die jüdifch gemeinten Ausdrücke 5, 6. 7—9. 1 f,
cobusbrief erklärt er, und zwar verbotenus, unter al- | 14. 15 fchon felbft, gleich den fpäteren PZxegeten, chrift-
leinmem Ausfchlufs der Worte xcu xvqiov irjOov xqioxov lieh gedeutet haben. Aehnlich licht es mit dem Haupt-
1, 1, und nftcov inoov'XQiOrov 2, I, für den vielleicht fchon theil des Schriftftücks 1,19—3,18 mit dem allerdings ver-
v'or'der chriftlichen Äera entftandenen Brief eines Juden rätherifchen Genetivconglomerat 2,1, das durch die Aus
Namens Jacobus an die jüdifche Diafpora. Der Brief ift , fcheidung von numv inoov xQiOtov fich in eine von Sp.
früh innerhalb der Chriftenheit gelefen worden. Schon mit zahlreichen Beifpielen belegte jüdifche Gottesbezeich-
von Paulus ift er berückfichtigt, in I Petr. reichlich be- , nung erklärt. Der Auffatz begreift fich vortrefflich als
nützt worden. Man betrachtete feine ernften ethifchen ' jüdifche Synagogenregel. Aber doch nicht ohne Reft.
Ausführungen, wie die anderer aus der vorchriftlichen Zeit Schon hier ift nicht feiten Spitta's Nachweis der jüdifchen
flammender Schriften, als durchaus zur Erbauung der Ge- Parallelen und feine damit begründeteExegefe zu beanftan-
meinde geeignet. Das Siegel unter diefe Anfchauung ; den. Dies gilt von 1,21 und vor allem von 2,14—26,
ift die Interpolation des Namens Chrifti in 1,1. 2,1. wohl auch von den beiden ,eüvlr6QUU? 1,25. 2,12. 1.21'

Bedenklich gegen diefe uberrafchende Hypothefe ftört den Flufs der Rede. Dafs der /Loyo? afajfreiai 1,18
könnte fchon machen, dafs nach diefer Marken Berückfichti- | das Schöpfungswort, diefes mit dem j.oyog desgött-
gung des jüdifchen Schriftftücks durch Paulus und den Verf. ! liehen Gefetzes 1,21 identifch und fomit diefes Wort dem
von 1 Petr. denen nach Sp. noch der Verf. des fog. Cle- ! Menfchen bei der Schöpfung ins Herz gepflanzt fei (S
mensbriefs zur Seite tritt, im 2. Jahrhundert fich die Spuren : 50L), will mir doch eine gezwungene Exegefe fcheinen
feiner Bekanntfchaft bei den fchriftftcllernden Chriften , In dem für den Begriff vofiog ektvfrtQias beigebrachten
völlig verlieren - auch bei P. H. findet fie Sp. proble- Para lelen (S. 54 f.) ift nur gefagt, dafs, wer nach dem Ge-
matifch —, um erft im 3. wieder aufzutauchen. Aber dies fetz lebt, fein Zögling ift, der allein in Wahrheit frei fei,
müfste irgendwie erklärt werden, wenn die Hauptthefe wahrend dürch den etwas hereingezwungenen Genetiv!
anderweit'erwiefen wäre. Sp.'s Unterteilungen zerfallen der ohne Parallelen ift, der Begriff des Gefetzes felbft
in 2 Hälften. In der erften weift er nach, dafs fich der Brief erweicht werden will. Ganz auffallend aber treten für
,in keiner Weife erhebt über die vorchriftliche, helle- 2,14—26 die jüdifchen Parallelen in Sp.'s Sammlung zu-
niftifche Literatur'; in der zweiten, ,dafs die Verwandtfchaft ruck. Sie beweifen wohl, dafs die Begriffe jtiotic und
mit der altchriftlichen bedingt ift einerfeits durch die Ab- tpyu in der jüd. Welt zufammengeftellt, nicht aberj dafs
hängigkeit beider von der vorchriftlichen jüdifchen Gedan- . fie auch gegeneinander ausgefpielt wurden. Dafs in der
kenwelt, andererfeits durch Abhängigkeit der chriftlichen , eigentümlichen Art der Verwertung des Abraham die
Schriften vom Jacobusbriefe'. Die erfte Thefe erhärtet ; jud. Legende durchblickt, ift nicht erftaunlich. Diefe
Verf. in Form einer Erklärung des Briefs unter fortgefetz- Vater-Gefchichten werden in der Chriftengemeinde mehr