Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1897 Nr. 2

Spalte:

571-572

Autor/Hrsg.:

Schneider, Hugo

Titel/Untertitel:

Durch Wissen - zum Glauben. Eine Laien-Philosophie 1897

Rezensent:

Elsenhans, Theodor

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

57i

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 21.

' 572

wurde er 1866 für die ethifche Profeffur in Cambridge turgefetze' eine Philofophie des Geiftes aufbauen zu
vorgefchlagen, die dann Maurice erhielt; dafs er dog- wollen, und wegen der unzulänglichen Art und Weife,
matilch zu denken verftand, beweift ein intereffanter, fchon wie diefer Verfuch durchgeführt ift.
1849 gefchriebener Brief an letzteren über die damals , Der Verf. verbreitet fich zwar — mit mancher guten
brennende efchatologifche Frage (I, 1 iöff.). Auch in den Bemerkung — über die verfchiedenften Gegenftände:
Hulsean Lectures (vgl. Jahrg. 1895, 91 f.) finden wir manche über Darwinismus, Monogamie, Parlamentarismus, Dienft-
werthvolle Ausführung zur Religionsphilofophie und Apo- botenfrage, Zeitpunkt des Todes. Er ftellt Fragen auf
logetik — wie fchwer mag es Hort gewefen fein, diefen j wie die: ,Hat Gott auch den Bewohnern anderer Pia-
Fragen nicht weiter nachgehen zu können! j neten einen Heiland zu ihrer Erlöfung gefandt?' (S. 131).

Doch ich fprach eben von Maurice, mit dem Hort Es fehlt aber an der für ein derartiges Werk — und
bis zuletzt eng befreundet war (vgl. I, 61. 88. 104. 107. vollends für das im Titel enthaltene Problem — uner-
201. 26b. 384). Er fchreibt von ihm in einem auch fonft läfslichen Schärfe der Begriffe und Straffheit der Beweisfür
feine theologifche Stellung intereffanten Brief: Mr. führung. Man höre den an die Stoiker anklingenden, in
Maurice has been a dear fnend of mitte for twenty-threc unklarer Weife mit modernen Elementen verquickten
yars, and 1 Iiave been deeply influenced by Iiis books. To Gottesbeweis: Da jegliche Kraft an den Stoff gebunden
myself it scevts that I owe to them chiefly a firm and füll ift, und, da im ganzen All die Materie eine und die-
hold of the Christian faith; but they have led me to doubt felbe ift, fo mufs auch im ganzen All die geiftige
whether the Christian faith is adequately represented in all Kraft eine und diefelbe fein. Mit anderen Worten:
respects in the accepted doctrines ofany living schoollfW.i^fi). Der Geift Gottes bedarf genau ebenfo eines materiellen
Auch in der Frage nach der Irrthumslofigkeit der Schrift Körpers, wie ihn der menfchliche Geift bewohnt. Aufser
ftand er freier, als Lightfoot undWeftcott (I, 4i8ff.), womit der unendlichen Materie im All giebt es aber keine wei-
wohl vereinbar ift, dafs er des erfteren Auslegung des Ga- tere Materie, alfo mufs fich auch der Körper Gottes
laterbriefs zu proteftantifch nannte (II, 79) und fich felbft innerhalb des Alls befinden, und diefer Körper Gottes
als Sacerdotaliften bezeichnete (86). Immerhin war auch 1 kann demnach nur die Welt, das All fein, das
in der declaration on disestablishment and disendowtnent ewige, unendliche All!' (S. 641. 178). Der Verf.
of the Church of England, die er 1885 auffetzte, (26off.), ahnt nicht, dafs der von ihm für zwingend gehaltene
nicht von apoftolifcher Succeffion die Rede, und feine Beweis fchon an der unhaltbaren Identification des na-
Kritik Newman's öfters fehr ftreng (vgl. I, 71. 228f. 231. turwiffenfchaftlichen Kraftbegriffs und der geiftigen Kraft
II, 30. 3 5 f.). i fcheitern mufs. Auch der von dem Verf. als folcher

Von feiner Liebenswürdigkeit im Verkehr mit feinen j eingeführte Auszug aus Schwegler's Gefchichte der Phi-
Freunden endlich legt feine Biographie auf jeder Seite lofophie ift doch gar zu dürftig und fragmentarifch, um
Zeugnifs ab; die Achtung, die er genofs, erhellt auch aus : dem Lefer irgendwelchen Nutzen zu bringen. Der Verf.
den akademifchen Ehren, die ihm zu Theil wurden (II, hätte beffer gethan, fich etwa in Lange's Gefchichte des
368. 382). Und hat er felbft nicht viel publicirt, fo lebt 1 Materialismus oder in Windelband's oder Bergmann's

doch fein Geift in feinen Schülern fort, ift alfo auch feine
fernere Arbeit nicht vergeblich gewefen.

Halle a. S. Carl Clemen.

Gefchichte der Philofophie zu vertiefen. Der Verf. ift
zwar ,nicht fo anfpruchsvoll, zu glauben, dafs Fachphilo-
fophen von ihm lernen könnten' und ftellt fich hauptfächlich
die Aufgabe, ,die Laien zum philofophifchen
Studium anzuregen'. Zweifellos kann dies durch fein
Schneider, Hugo, Durch Wissen — zum Glauben. Eine ßuch gefchehen, wird aber dann mehr fchaden als nützen,

t uu-i r u- r t_i u 1 ,q„» /vir 1 weil eben hierfür die befte wiffenfchaftliche Durchbil-

Laien-Philofophie. Leipzig, H. Haacke, 1897. (XII. , , . -a. wr ■ ■ r 1 u ^

f r 01 . ^/ v , dung gerade gut genug ift. Wer in einer folchen Haupt-

23b E. gr. 8.). M. 4.50 j frage ohne wirkliche Beherrfchung des Gegenfitandes und

,Die Atheiften und Materialiften, fowie die unde- j der Methode das Wort nimmt, läuft Gefahr, die vorhan-

finirbaren „Freidenker" werden fie [die hier niedergelegte j dene Verwirrung zu vergröfsern und die Wiffenfchaft,

Weltanfchauung] verwerfen, weil fie alles über das em- I der er dienen will, bei den weniger Urtheilsfähigen zu

pirifche Wiffen Hinausgehende als myftifch verwerfen, discreditiren.

Die Theologie wird fie erft recht verwerfen, weil wir
unfere Philofophie auf der Bafis des empirifchen Wiffens,
auf der Bafis der Naturgefetze im allgemeinen, wie der
Darwinschen Theorie im befonderen aufgebaut. Diefe
Dinge find aber einem grofsen Theil unferer Theologen

Riedlingen a. D. Th. Elfenhans.

Voelker, Rekt. Karl, Leben und Lehre Jesu nach den vier
Evangelien. Für das Bibellefen und den Katechis-
ein Gräuel — wenn auch unberechtigter Weife. Viel- I musunterricht in Schule und Haus. Mit einer Karte

leicht, dafs fich der eine oder andere über den „reuigen
Sünder", den „bekehrten Atheiften" freut; nun, dann hat
er eben dem Gedankenaufbau nicht folgen können'
(S. 235). Diefe beiden Vorausfagungen des Verf.'s ift Ref.

von Paläftina. Berlin, Reuther & Reichard, 1896.
(XVI, 284 S. gr. 8.) M. 3.—

Es ift ein rühmliches, fehr anerkennenswerthes Bein
feinem Theile verfucht wahr zu machen. Er hat fich ftreben der Gegenwart, den Katechismusunterricht mög-
thatfächlich bei der Lefung des Buches gefreut, zwar I lichft in Beziehung zu fetzen zu der biblifchen Gefchichte
nicht über den .reuigen Sünder', aber über das ehrliche und insbefondere auch zu dem Leben Jefu. Die be-
Streben nach wiffenfchaftlicher Wahrheit und über den I kannten Arbeiten von Dr. von Rhoden und D. Leopold
philofophifchen Optimismus, mit welchem der Verfaffer j Schultze dienen diefem Zwecke. Was den Verf. des

— dem Zeitgeift entgegen — vom empirifch-naturwiffen
fchaftlichen Wiffen in gerader Linie zu einer idealiftifchen
Weltanfchauung glaubt fortfehreiten zu können. Hier
mufs aber auch das Lob enden. Nicht blofs die Theologen
, denen der Verf. wenig Gutes zutraut (vgl. S. 73.
130. 169 f.), fondern auch die Philofophen werden die hier

vorliegenden Lehrbuchs anbetrifft, fo hat er fchon 1882
,dem nun bereits verewigten Königl. Seminardirector und
Kreisfchulinfpector Reinecke das Verfprechen gegeben,
den Verfuch machen zu wollen, die Katechismuslehre
aus dem Leben Jefu herzuleiten' (S. VII). Die Ein-
löfung des genannten Verfprechens hat fich durch die

dargebotene Weltanfchauung .verwerfen' müffen, nicht ! inzwifchen eingetretene Nothwendigkeit, .vorerft andere
weil ihnen das empirifche Wiffen überhaupt als Aus- | unauffchiebbare fchulmethodifche Arbeiten zu erledigen',
gangspunkt ,ein Gräuel' wäre, auch nicht weil der Verf. j wozu vor Allem die Herausgabe des in den letzten Jahren
als .Laie' fich ankündigt, fondern wegen der petitio priti- vielfach mit Recht an höheren Lehranftalten eingeführten
eipii, die in dem Verbuche liegt, ,auf der Bafis der Na- ,Biblifchen Lefebuches' gehört, bis jetzt verzögert. Sie