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Ausgabe:

1897

Spalte:

538-540

Autor/Hrsg.:

Ommaney, G.D.W.

Titel/Untertitel:

A critical dissertation on the Athanasian Creed, its original language, date, authorship, titles, text, reception, and use 1897

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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nifs von diefen Ereigniffen hatten. DieFeftfetzung der Zeitgrenzen
für die durch die Combination der Evangelien
gefchaffenen Lebensabfchnitte unterliegt manchen Bedenken
. Zwölf Monate foll fich Jefus in Jerufalem und
Judäa aufhalten, länger als in Galiläa, auf welches nur
neun Monate kommen, wozu noch drei Monate in Pe-
raa hinzugerechnet werden können. Aber diefer Aufenthalt
Jefu in Judäa fcheint z. Th. unficherer Art (p. 170),
und eigentümlich berührt das Geftändnifs, dafs acht
Monate der judäifchen Wirkfamkeit relativ refultatlos
für das meffianifche Werk gewefen feien. Man vergleiche
damit die Bemerkung, welche der Verf. anderswo
(p. 139) über das ganze auf 2—3 Jahre angefetzte
öffentliche Leben Jefu macht: ,the disproportion between
the length of His minißiy and its rcsults is who/ly
witkout a parallel in lii/lory, and incxplicable on natural
grounds'.

In der theologifchen Erforfchung feines Gegenftandes
fcheint G. kaum über die Linie Weifs-Beyfchlag hinausgekommen
zu fein. Mit diefen beiden Forfchern ift er in
faft fteter Auseinanderfetzung begriffen. Werden hier und
da auch noch einige andere Namen, wie Keim, Eders-
heim, Delff u. s. w. genannt, fo ift er doch von derneueften
P'orfchung, wie fie durch die fpeciellen Unterfuchungen
über den Meffranismus Jefu, über die Stiftung des Abendmahls
u. s. w. fich kennzeichnet, fo zu fagen unberührt
geblieben. Nicht, dafs eine eingehende Berücksichtigung
der neueren Controversen in diefem kurzen Compendium
am Platze war; man möchte nur an einzelnen Wendungen
die Vertrautheit des Verf. mit denfelben verfpüren.
Auf einem Punkte fcheint er fich allerdings mit den Re-
fultaten der neueren Theologie befreundet zu haben.
Im Unterfchied von Weifs und Anderen ift er zur Ueber-
zeugung gelangt, dafs erft mit dem Taufmoment die Ent-
ftehung des meffianifchen Bewufstfeins Jefu gegeben ift.
Die ftarken Gründe, welche für diefe Annahme geltend
gemacht worden find, insbefondere die ftereotype Verbindung
von Taufe und Verfuchung, find nicht fpurlos
an ihm vorübergegangen. Warum aber hat er nach der
Seite hin nicht etwas mehr gethan und die Bedeutung
des meffianifchen Faktors auch bei anderen Perikopen
zu würdigen verbucht: Man mufs diefen Mangel um fo
mehr beklagen, wenn man fieht, wie viel Raum ver-
fchwendet wird zur Vorführung der meift ganz haltlofen,
von G. felbft als unwiffenfchaftlich und textwidrig abge-
wiefenen Erklärungsverfuche, welche feiner Zeit Beyfchlag
und Weifs den evangelifchen Wundererzählungen ange-
deihen liefsen; vgl. z. B. p. 247. Es ift dem Ref. ganz
unverftändlich,dafs man Ausführungen, wie diejenigen von
Beyfchlag über das Kanawunder, noch fo ernft nehmen und
ihnen die Ehre einer längeren Befprechung erweifen kann,
(p. 151.)

Der gröfste Mangel des Buches ift die fehlende Einficht
in den gewaltigen Einfchlag des Judenthums in das
Urchriftenthum fowie in die Lehre Jefu. Der Verf. fpricht
Vielen Anderen den Satz nach, dafs die Wurzeln der
ganzen Lehre Jefu in das A. T. zurückreichen (p. 187),
und hat keine Empfindung für die hiftorifche Unzulänglichkeit
diefer Behauptung. Er giebt eine Analyfe der
Idee des Gottes-Reiches, die kaum errathen läfst, dafs
der Begriff auch aufserhalb des N. T. vorkommt, und
dafs die geiftigen Errungenschaften Jefu erft von der jüdischen
Theologie aus volles Licht erhalten (p. 188 f).
Die Glaubwürdigkeit der Geburtsgefchichte vertheidigt
er unter der wohlfeilen Annahme, dafs das Judenthum
von der Vorsehung einer jungfräulichen Meffiasgeburt
ganz unberührt fei, aber zur Begründung solcher Behauptung
durfte er fich bei Weber's Lehren des Talmud nicht
beruhigen. Und ebenfowenig reicht der blofse Recurs
auf Weber hin zu dem scheren Beweis, dafs das ganze
Judenthum eine persönliche Präexiftenz des Meflias nicht
gekannt habe (p. 291.)

Im Allgemeinen bemüht fich der Verf., es feinen

deutschen Gewährsmännern an ftreng confervativer Deutung
der evangelifchen Erzählungen zuvorzuthun. Man
müffe an der Thatfache fefthalten, dafs Jefus die Macht
erhielt, Waffer in Wein zu verwandeln. Für die Gefchicht-
lichkeit des Wandeins Jefu auf dem Meere habe man genau
fo guten Grund als für die wunderbare Speifung.
Ueberhaupt werden die Wunder, auch die Todtenauf-
erweckungen, unter den Gefichtspunkt gerückt, dafs das
Rline Jefu nicht fchwerer fallen konnte als das Andere.
Selbft die Bedenken, welche ein zweites Speifungswunder
hervorzurufen geeignet ift, werden kurzer Hand mit der
Bemerkung abgethan, dafs fich das zweite auf einer anderen
Scene abfpielte (p. 261). Die Befeffenen waren in Wirklichkeit
von böfen Geiftern befeffen, und das Befremdende
[ diefer Thatfache wird mit der verfänglichen Bemerkung
gehoben, dafs es nicht fchwerer fei zu verftehen, wie ein
böfer Geift in ein menschliches gottentfremdetes Wefen
j eindringe, als zu verftehen, wie der heilige Geift in ein
| menfehliches mit Gott verbundenes Wefen eingehen könne
(p. 199).

Diefe Neigung des Verf., feinen unverkürzten Glauben
an den Schrifttext zu documentiren, hindert ihn
nicht, in anderen Fällen von der Wörtlichkeit der Berichte
ftarke Abzüge zu machen. Die Vorgänge bei der
Taufe und der Verfuchung Jefu werden geiftig und fym-
bolifch gedeutet. Der Stern der Geburtsgefchichte erfährt
eine ganz rationaliftifche Behandlung (p. 105). Andere
Schwierigkeiten des Kindheitsevangeliums freilich werden
einfach fo befeitigt, dafs ihre Exiftenz geleugnet wird.
I Doch zeigt fich der Verf. auch auf diefem Gebiete einer
: befferen Einficht nicht ganz unzugänglich. Er fträubt
fich mit Recht gegen eine völlige Nivellirung der chrifto-
logifchen Anfchauugen im N. T. Er beftreitet, dafs Johannes
und Paulus, weil fie die Göttlichkeit Chrifti behaupten
, auch fchon die übernatürliche Geburt vorausfetzen
müfsten (p. 84!.). Auch was er gegen die Gleich-
j fetzung diefes Lehrpunktes mit der Auferftehung, als feien
j beide gleichwerthige und gleich nothwendige Stücke der
evangelifchen Verkündigung, ausführt, zeugt von kritischem
Verftändnifs.

Wenn er fich nun gleichwohl für die Fefthaltung an
der Gefchichtlichkeit der im N. T. nur partiell bezeugten
Geburtsgefchichte entfeheidet, fo kann man nicht
behaupten, dafs er in dem Nachweis des inneren Zweckes
und des religiöfen Werthes derfelben glücklicher gewefen
fei als viele Andere vor ihm. Es foll der physiche oder
metaphyfifche Vorgang der Geburt nur die Erklärung
geben dafür, wie Jefus, weil er in einziger Weife das
Kind des Geiftes war, fich in Reinheit erhalten konnte.

j Zugleich wird aber feine fittliche Gröfse auf Vorbedingungen
rein geiftiger Natur, wie Gottesliebe und Bewufst-
fein der göttlichen Gegenwart, zurückgeführt. Die ver-

j meintliche Erklärung des Verf. giebt alfo keinen Auffchlufs,
fondern Bellt nur das neue Problem auf, wie eine phy-
fifche Befchaffenheit einen geiftigen habitus hervorbringen
könne. Es ift doch merkwürdig, dafs man kirchlicherseits
folche Möglichkeit mit Wohlgefallen erwägt und befürwortet
, während man es in denfelben Kreifen mit Entrüstung
zurückweift, wenn z. B. moderne Anthropologen
den Anfpruch erheben, die moralifche oder unmoralifche
Befchaffenheit der Individuen aus ihrer phyfifchen und
phyfiologifchen Eigenart ableiten zu können.

Giefsen. Baldensperger.

Ommaney, Preb. G. D. W.: A critical dissertation on the
Athanasian Creed, its original language, date, author-
ship, titles, text, reeeption, and use. Oxford 1897,
Clarendon Press. (XIII, 559 S. gr. 8) sh. 16. —

Im Jahre 1880 gab Ommaney ein Werk heraus mit
dem Titel Early history of the Athanasian Creed, the
results of some original research upon the subject, nach-

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