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Ausgabe:

1897 Nr. 18

Spalte:

498-501

Autor/Hrsg.:

Sachsse, Eugen

Titel/Untertitel:

Evangelische Katechetik 1897

Rezensent:

Bassermann, Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 18.

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feits dagegen den fpezififch chriftlichen Glauben, nicht läge möchte ich dann die Zumuthung ausgefprochen
blofs eine allgemeine Religiofität, zu begründen vermag, wiffen, dem Chriflenthum innerlich nahe zu treten. End

Eine folche Erfahrung ift die fittliche, fie ausfchliefslich,
fie aber auch ganz gewifs. Zwar genügt es nicht, auf
das Gewiffen als die Stimme Gottes in uns zu verweifen
oder aus dem Moralischen in der Weife Kant's religiöfe
Poftulate abzuleiten. Wohl aber machen wir als fittliche
Subjecte in irgend einem Maafs die Erfahrung einer
uns über alle empirifchen Antriebe erhebenden Freiheit
und damit von der Wirklichkeit eines höheren überweltlichen
Lebens. Das ift der Anknüpfungspunkt für
das Chriftenthum im Menfchen. Denn wie uns das Evangelium
diefe Thatfache unferes inneren Lebens erft recht
verftehen lehrt, fo dient fie andererfeits zur Beglaubigung
der Wahrheit des chriftlichen Evangeliums. In der Linie
diefer fittlichen Erlebniffe, die jeder Menfch machen kann
und foll, liegt ja die Erfahrung der erlöfenden und be-
feligenden Wirkungen, die der Chrift am Evangelium
macht. Das ift alfo der gefuchte Erfahrungsbeweis für
das Chriftenthum. Zur Beftätigung und Ergänzung des-
felben dient der Eindruck der gefchichtlichen Erfchei-
nung Jefu Chrifti. Doch dürfte es nicht richtig fein, mit
Herrmann diefen Eindruck als das primäre Element gerade
in dem Beweis für die Wahrheit des Chriftenthums

lieh finde ich, dafs der chriftliche Offenbarungsglaube
hier nicht zu feinem vollen Rechte kommt. Ich verftehe
zwar vollkommen, warum Wendt ihn gerade in diefem
Zufammenhang zurückftellen zu follen meint. Meines Be-
dünkens müfste aber doch auch in der apologetifchen Erörterung
unzweideutig hervortreten, dafs der chriftliche
Glaube, den wir meinen und zu begründen fuchen, fupra-
naturaliftifcher Offenbarungsglaube ift.

Berlin. Kaftan.

Sachsse, Prof. D. Eug., Evangelische Katechetik. Die

Lehre von der kirchlichen Erziehung nach evangelischen
Grundsätzen. [Sammlung v. Lehrbüchern der
prakt. Theol. in gedrängter Darstellg., hrsg. v. H. Hering,
IV. Band.] Berlin, Reuther & Reichard, 1897. (VIII,
437 S. gr. 8.) M. 7.50; geb. M. 8.50.

Sachfse's Katechetik zerfällt in zwei recht ungleiche
Theile, einen gefchichtlichen (S. 1—30x3) und einen ,pofi-
tiven' (S. 301—426), der wohl beffer der praktifche oder
methodifche hiefse, da doch auch der gefchichtliche Theil
geltend zu machen. Gewifs kommt das Chriftenthum j ,pofitiver' Natur ift. So fehr Referent die Hereinziehung

mit allem, was es befchliefst, nur unter diefem Eindruck j des gefchichtlichen Stoffes in die Disciplinen der prakti-
zuftande. Aber wo es fich um den Beweis handelt, fchen Theologie befürwortet, weil dadurch denfelben

mufs das allgemeine fittliche Element an die erfte Stelle
treten. Uebrigens erhellt leicht, dafs der Beweis auf
fittliche Dispofitionen im Menfchen als auf eine unerläfs-
liche Vorausfetzung rechnet und darum den Charakter
des chriftlichen Glaubens als einer perfönlichen Ueber-
zeugung nicht aufhebt.

Diefer Vortrag Wendt's zeichnet fich durch mufter-
hafte Klarheit der Gedankenentwicklung aus und verdient
in formaler Beziehung das höchste Lob. Auch dem
Grundgedanken feiner Ausführungen, dafs in jedem Be-

erft Leben und Farbe verliehen wird, fo mufs er doch
urtheilen, dafs hier der Gefchichte mit nahezu drei Vierteln
des Ganzen allzu viel Raum gegeben ift. So reich und
intereffant die Gefchichte der Katechefe und Katechetik
ift, fo läfst fie fich doch, wenn fie richtig behandelt wird,
auch auf einen kürzeren Raum zufammendrängen; und
ich meine, in einem Lehrbuch follte das geschehen. Dafs
es dem Verfaffer nicht gelungen ift, liegt an der Art
feiner Darstellung. Diefe macht mir den Eindruck, aufser-
ordentlich fteifsig gearbeitet und überall in lobenswerther

weis für das Chriftenthum, foweit ein folcher Beweis denn j Weife aus den Quellen gefchöpft zu fein, die auch fehr
möglich ift, dem fittlichen Factor grofse und Ausfchlag I reichlich citirt, ja zum Theil im Texte ausgedruckt werden,
gebende Bedeutung zukommt, wird wohl jeder irgendwie I Allein eben durch dies Streben nach Gründlichkeit lässt sich

beipflichten. Der Art, wie diefer Gedanke hier ausgeführt
und zu dem die ganze Beweislaft tragenden gemacht ift,
vermag ich jedoch nicht zuzuftimmen. Zunächft fchon
ift die Vorausfetzung der hier entwickelten Gedankenreihe
die Einficht, dafs wir den Schlüffel zum Welträthfel
aus der inneren Erfahrung nehmen follen, aus dem, was
fich uns hier als der höchfte Sinn des Dafeins erweift.
Und dies zu zeigen, davon zu überführen dürfte das
wichtigfte Stück jeder hier in Ausficht zu nehmenden
Begründung fein. Das hätte m. E., auch wenn der Verf.
es nicht näher zu erörtern vorhatte, beftimmter hervorgehoben
und betont werden müffen. Ferner fcheint mir

Sachfse vielfach verleiten, das Material der Gefchichte felbft
zu geben, anftatt es in eine wirklich fo zu nennende .Gefchichte
' zufammenzufaffen und zu verarbeiten. Wenn
diefe die Aufgabe hat, zu fchildern, wie die Dinge geworden
find, alfo ihre Entwickelung darzustellen, die
Factoren herauszuheben, von denen diefe abhängt, die
Motive klarzulegen, welche dabei wirkfam find, und zwar
dies von dem Standpunct eines feften evangelifchen
Urtheils aus, fo kann man nicht sagen, dafs Sachfse diese
Aufgabe in feinem gefchichtlichen Theil, fo verdienftvoll
derfelbe auch in Beziehung auf die Darbietung des
Materials ift, gelöft hat. Es kann freilich begründetem

der hier vorgetragene Beweis mehr dem Zufammenhang Zweifel unterliegen, ob unfere Quellen, wenigstens was

chriftlicher Verkündigung, die ja auch in der Form ge
hobener geiftiger Gedankenarbeit auftreten kann, als dem
einer wiffenfehaftlichen Begründung zu entfprechen. Denn
was gefchieht, ift doch dies, dafs jedermann zugemuthet
wird, feine fittliche Erfahrung im Sinn des Chriftenthums

die alte und die mittelalterliche Katechefe betrifft, zu
einer folchen Gefchichte der Entwickelung des kateche-
tifchen Wefens ausreichen. Gerade eine Darftellung wie
die von Sachfse regt diefen Zweifel an. Allein das
ändert an der für ein Lehrbuch aufzuftellenden Forde-

zu verftehen und daraufhin die Erfahrungen aufzufuchen, : rung der Kürze und Gedrängtheit nichts. Dafs Sachfse

die man am Evangelium macht. Gewifs ift es dies und
vielleicht allein dies, was practifch etwas wirken wird.
Auch foll nicht beftritten werden, dafs jede BeweisfüL

in seiner gefchichtlichen Darfteilung zu breit wird, beruht
übrigens auch noch auf einem andern Grunde: er zieht
Dinge in diefelbe hinein, welche zwar unleugbar mit dem

rung für das Chriftenthum auf eine folche Zumuthung katechetifchen Wefen zufammenhängen, allein meines

hinauslaufen mufs. Nur eben ein Beweis fcheint fie felbft
mir nicht zu fein. Es wird manchen fittlich ernften
Menfchen geben, der diefe Deutung ablehnen wird. Wir
legen eine viel zu fchwere Hand auf diefe inneren Erleb-

Erachtens als felbftftändige Stücke einer Gefchichte der
Katechefe nicht aufzutreten haben. Dahin rechne ich
folche Capitel wie ,die Bifchöfe', ,die Pfarrer', ,die Sprache
der Kirche', ,der Gottesdienst der Gemeinde', .Kirchliche

niffe, wenn wir ihnen die Form eines wiffenfehaftlichen Er- Zucht und Sitte', oder Abfchnitte wie den über die refor-
fahrungsbeweifes für das Chriftenthum geben. Stärker i matorischen Anfchauungen von Taufe und Kindertaufe
noch als Wendt möchte ich alfo betonen, dafs der Be- j (191—201) oder den über die verschiedenen Schularten
weis fich aus Erwägungen zufammenfetzen mufs, die eben und ihre Entwickelung (207—220). Da mufste eben die
als wiffenfehaftliche, philofophifche für jedermann fein , Kenntnifs der Dogmengeschichte, Symbolik und Gewollen
und können. Und nur auf einer folchen Grund- fchichte der Pädagogik vorausgefetzt werden, fo dafs von