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Ausgabe:

1897 Nr. 18

Spalte:

496-498

Autor/Hrsg.:

Wendt, Hans Hinrich

Titel/Untertitel:

Der Erfahrungsbeweis für die Wahrheit des Christenthums 1897

Rezensent:

Kaftan, Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 18.

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Metropolitenfitz fich erhob, oder dafs lateinifche Sprengel
fich über alte griechifche lagerten, fo entftand die Frage,
ob und in welchem Verhältnifs lateinifche und griechifche
Bifchöfe zufammen auf dem gleichen Territorium beftehen
könnten. Der leitende Grundfatz der Verfaffung in der
alten römifchen Reichskirche war der, dafs in einer civitas
nur ein Bifchof und ebenfo in einer provincia nur ein
Metropolit fein folle. Wo lateinifche Bifchöfe oder
Metropoliten in Gegenden mit Griechen, die zur Union
bereit waren, Rechte gewannen, bezeigten fie meift die
Abficht, die griechifchen Bifchöfe entweder zu befeitigen
oder fich irgendwie als blofse Vicare unterzuordnen.
Die Päpfte haben fich da feit Leo X. weitfichtiger und
toleranter erwiefen, als ihre Bifchöfe. Sie haben den altkirchlichen
Verfaffungsgrundfatz bei Seite gefchoben
und überall, wo es ihnen practifch nothwendig erfchien,
(in Betracht kamen befonders die Ruthenen im polnischen
Reich, jetzt in Galizien), zweierlei Hierarchie
mit nationaler und ritualer Scheidung in der gleichen
Stadt und Provinz bewilligt. Alfo Rom hat denfelben
kanoniflifchen Principienkampf zu feiner Zeit durchgemacht
, den der oekumenifche Patriarch augenblicklich
noch mit ftarrem Feilhalten an den alten Ideen, ficher
ausfichtslos, mit den Bulgaren, Serben etc. in der Türkei
führt. K.'s Darfteilung der gefchichtlichen Entwickelung
der bezeichneten Frage in ihren concreten Formen ift
inftructiv. Intereffant find auch noch andere Verhält-
niffe. Die Unirten wollen befonders auch am Cardinals-
colleg betheiligt fein und im Princip fleht hier nichts im
Wege, practifch freilich vieles: fie haben es erft zwei
Mal erreicht, dafs einer der Ihrigen zum Cardinal erhoben
wurde. Belangreiche Fragen find ferner die, wie es bei
gemifchten Ifhen zwifchen Unirten und Lateinern zu
halten fei, wie Uebertritte zu behandeln feien etc. —
Das vierte, ausführlichfte Kapitel behandelt zuletzt ,die
Verfaffungen der einzelnen griechifch- und morgen-
ländifch-katholifchen Kirchen'. Für die Verhältniffe in
Oefterreich-Ungarn bringt K. hier am meiften, wenn nicht
neues, fo doch gut gefammeltes und gefichtetes Material.
Sehr dankenswerth ift der gröfsere Excurs über das
maronitifche Nationalconcil von 1736.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Mezger, Doc Lic. Dr. Paul, Christlicher Gottesglaube und
christlicher Offenbarungsglaube. Antrittsvorlefung, gehalten
in der Aula der Universität zu Basel, am
3. Novbr. 1896. Bafel, Reich, 1896. (36 S. gr. 8.)

M. 1.—

Gottesglaube und Offenbarung hängen untrennbar
zusammen. Vorab im Christenthum ist dieser Zusammenhang
ein enger und nothwendiger. Die Offenbarung
aber, auf der das Christenthum beruht, ift die Offenbarung
in Chriftus. Von ihr zeigt nun der Redner,
1) dafs fie die einzige Quelle der christlichen Gotteser-
kenntnifs ift, 2) dafs fie ausfchliefslich die Mittel zur Begründung
diefes Glaubens darreicht und deshalb 3) als
Quelle für die wiffenfchaftlich dogmatifche Bearbeitung des
chriftlichen Gottesglauben zu gelten hat.

In der Ausführung des erften Gedankens ift es dem
Redner eigenthümlich, dafs er die Auferweckung Jefu
Chrifti von den Todten als wefentlich.es und unentbehrliches
Moment in der das Chriftenthum begründenden
Offenbarung betont. Er thut es in ausdrücklichem Gegen-
fatz auch zu denen, die ähnlich wie er von Offenbarung
und Chriftenthum halten, aber ftatt von der Auferweckung
des Herrn von der Gewifsheit feines durch den Tod
nicht überwundenen Lebens reden. Mezger meint dem
gegenüber, dafs die Jünger Jefu nicht durch einen folchen
Schlufs, fondern nur durch die fchöpferifche Gottesthat
aus der Verzagtheit zu weltüberwindendem Glauben geführt
worden find, und dafs auch die gläubige Gemeinde

diefer Beziehung auf die Auferweckung des Herrn nicht
entbehren kann: es würde der Offenbarung Gottes d. h.
der göttlichen Liebe ohnedies das Merkmal der Allmacht
und damit die göttliche Beglaubigung fehlen. Meines
Theils ftimme ich dem fachlich durchaus zu, weifs aber
nicht, ob nicht daraus folgt, dafs die Gefammtanfchauung
etwas anders geftaltet werden mufs, als es hier der Fall
ift. Um nur eines zu nennen: läfst fich diefe Betonung der
Auferweckung des Heilands, der darin gefchehenen Macht-
that Gottes mit den von Mezger fönst, wie es fcheint,
feftgehaltenen Kant'fchen Vorausfetzungen in Einklang
bringen ? Mir fcheint es aus diefem wie aus andern Gründen
unmöglich, eine chriftliche Glaubenslehre an die fpeciellen
Lehren der Philofophie Kant's anzuknüpfen.

Der Satz, dafs die Offenbarung ausfchliefslich die
Mittel zur Begründung des Glaubens darreicht ift m. E.
doppelfinnig, im einen Sinn felbftverftändlich, im andern
dagegen einfach falfch. Befagt er nämlich, dafs für den
Gläubigen die Gewifsheit feines Glaubens fich auf die
Offenbarung gründet, fo ift er unanfechtbar: Gottes
Wort weckt den Glauben, und der Glaube ift nur was
er heifst in der Beziehung auf dies Wort. Fragt es fich
dagegen, wie wir als Theologen vor uns felbft und
andern den Glauben zu begründen fuchen follen, dann
ift es mit dem Hinweis auf die Offenbarung nicht gefchehn.
Das zeigt Mezger's eigenes Beifpiel am beften. Denn was
er nun vorträgt, find die Grundzüge der Kant'fchen
Philofophie. In ihnen fucht er felbft die Begründung
des Glaubens in diefem andern Sinn. Das ift nicht

I anders und kann auch gar nicht anders fein. Wir
müffen da auf allgemeinere Erwägungen zurückgreifen,
ob wir uns nun dabei an Kant anfchliefsen oder (was
mir geboten erfcheint) andere Wege fuchen. Aber dann
ift es mifsverständlich, zu fagen, die Offenbarung allein
biete die Mittel zur Begründung des Glaubens. Wir fuchen
vielmehr durch philofophifche Erwägungen zu begründen
, dafs es einen andern Weg zur Gotteserkenntnifs
als den des Glaubens und der Offenbarung nicht giebt

J und nicht geben kann.

In den Folgerungen für die Geftaltung der Dogmatil-:,
die an dritter Stelle zur Sprache kommen, wird namentlich
der Gedanke der Perfönlichkeit Gottes als Grundgedanke
der fo begründeten chriftlichen Gotteserkenntnifs
und der practifche Charakter aller diefer Erkenntniffe
betont, etwas, wogegen nichts einzuwenden hat, wer wie
Referent in der Grundanfchauung mit dem Redner ein-
verftanden ift.

Durch diefe Rede hat ihr Verfaffer fich beim Antritt
feines akademifchen Lehramtes in Bafel eingeführt. Wie
fie ihn unzweifelhaft vor feinen Hörern aufs befte legiti-
mirt hat, fo wird auch kein Lefer, mag er nun zuftimmen
oder nicht, fie ohne den Eindruck aus der Hand legen,
dafs ihr Verf. zu dem neu von ihm übernommenen Amt

• in jeder Weife den inneren Beruf mitbringt.

Berlin. Kaftan.

Wendt, Prof. D. Hans Hinr., Der Erfahrungsbeweis für die
Wahrheit des Christenthums. Göttingen, Vandenhoeck &
Ruprecht 1897. (40 S. gr. 8.) M. —.80

Diefe Schrift enthält einen von ihrem Verfaffer im
Weimarifchen Predigerverein gehaltenen Vortrag. Den
Ausgangspunkt bildet der Satz, dafs die Theologie niemals
darauf verzichten kann und darf, eine wiffenfchaft-
liche und praktifch brauchbare Begründung des Chriften-
thums zu fuchen. Diefe mufs aber in einem Erfahrungsbeweis
beftehen, der Hinweis auf heilige Autoritäten
genügt nicht und ebenfo wenig fpeculative Conftruction.
Näher mufs die Erfahrung fo befchaffen fein, dafs fie
einerfeits etwas allgemein Menfchliches ift — denn fonft
würde die daraus entnommene Begründung keine Anknüpfungspunkte
im menfchlichen Geilt haben, — anderer-