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Ausgabe:

1897 Nr. 18

Spalte:

491-492

Titel/Untertitel:

Bärwinkel, Joh. Matthäus Meyfart 1897

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 18.

492

Führung gegen W. Meyer, dafs Lercheimer's Chriftl. Bedenken
1585 nicht Quelle für das Fauftbuch war, fondern
dafs diefes im Mscr. fchon vor 1585 vorhanden war und 1
von Lerchheimer benutzt wurde (S. CXIX, CCLXVII ff.),
fcheint mir gelungen zu fein. Jedenfalls kann es erft nach
1572 entftanden fein, da S. 118 auf die Bartholomäusnacht
handgreiflich angefpielt wird. Den abfchliefsenden Ausführungen
des noch ausftehenden 2. Theiles darf man mit
Intereffe entgegenfehen. — Statt Par S. 100 mufs es nach
Act. 13,6 Bar Jehu heifsen; ebenfo ift Hecubas S. 106
offenbar ein Schreibfehler der Wolfenb. Handfchr. ft.:
Succubas. In beiden Fällen hat das Fauftbuch von 1587
das Richtige. An andern Stellen ift das Verhältnis beider
Texte das umgekehrte, z. B. S. 91,27,

Breslau. G. Kawerau.

Bärwinkel,Pfr.Superint. SeniorD.Dr,,Joh. MatthäusMeyfart,

Rektor der Univerfität und Senior des evangel. Minifte-
riums zu Erfurt, Dichter des Liedes ■ Jerufalem, du
hochgebaute Stadt'. (Einladungsfchrift zur Gerften-
berg-Feier am 27. Dezbr. 1896.) Erfurt, [C. Villaret]
1896. (17 S. 4.) M. —.80

Schon vor 3 Jahren benutzte Senior Bärwinkel das
gemäfs dem Teftamente von Joh. Heinrich v. Gerftenberg
von 1774 alle 3 Jahre bei der Erinnerungsfeier für diefen
Stifter zu fchreibende Programm, indem er in zeitgemäfser
Neuerung die lateinifche Sprache nur noch auf dem Titelblatt
anwendete, zu lehrreichen Beiträgen aus der Erfurter
Kirchengefchichte des 16. Jahrhunderts. Diesmal bietet
er ein Lebensbild aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts,
das des edlen, irenifchen Predigers, Professors und Liederdichters
Joh. Matthäus Meyfart. Die erften 11 Seiten
behandeln mit Benutzung der Erfurter Quellen den Lebenslauf
, die folgenden die Schriften. Von letzteren hat der
Verf. freilich nur die eschatologifchen Inhaltsherangezogen:
Den Tractat von der Auferftehung der Todten, die je
2 Bücher höllifches Sodoma, himmlifches Jerufalem und
jüngftes Gericht, fowie die Predigten der Tuba novissima.
Sind diefe Arbeiten auch gewifs charakteriftifch für Mey-
fart's Geiftesart, fo opfert er doch auch grade in ihnen
fehr ftark dem fchlechten Zeitgefchmack; Grobfinnliches
und für uns auch äfthetifch Ungeniefsbares überwuchert
hier die Zeugniffe feiner innigen Frömmigkeit und des
Bufsernftes, mit dem er auf feine Zeitgenoffen zu wirken
fuchte. Man wird hier an Joh. Gerhard's Urtheil über M.
erinnert: melancholico laborat affectu et somnia sua vene-
ratur tonquam oracula (J. Gerhardi Vita ed. J. A. Schmidt
Heimst. 1708 p. 545). Will man den Mann, für den man
als für den Sänger des Liedes Jerufalem, du hochgebaute
Stadt' Intereffe mitbringt, recht fchätzen lernen, fo werden
feine Schriften ,Bildnis eines Studenten der heil. Schrift
aus dem Leben Daniels'. Erfurt 1634; ,Chriftliche Erinnerung
von den aus den Schulen in Deutfchland entwichenen
Ordnungen und ehrbaren Sitten'. Schleufingen
1636 aufzufuchen fein, die für die Culturgefchichte feiner
Zeit ihren Werth behalten und dem Verf. unter den Vorläufern
des Verfaffers der Pia desideria einen Platz fichern.
Ich verweife ferner auf feine irenifche Schrift De concilianda
pace inter ecclesias per Germanium evangelicas, Schleufingen
1628 und 1636, die Bärwinkel nur ganz kurz ftreift;
vor allem aber auf feine Schutzfchrift für die unglücklichen
Opfer des Hexenwahnes ,Chriftliche Erinnerung,
wie das abfcheuliche Lafter der Hexerei mit Ernft auszurotten
, aber in Verfolgung desfelben auf Kanzeln und
in den Gerichtshäufern fehr befcheidentlich zu handeln
fei'. Schleufingen 1636. (Wieder abgedruckt bei Joh.
Reiche, Unterfchiedliche Schriften Von Unfug des Hexen-
Proceffes. [Halle 1703). An diefer zuletzt genannten
Schrift ift befonders der feelforgerliche Gefichtspunkt I
bemerkenswerth, mit dem er die entfetzliche innere Angft
und Noth der durch die Folter zu unwahren ,Geftändniffen'

Genöthigten erfafst und von hier aus mit aller Macht der
herrfchenden fürchterlichen Gerichtspraxis zu Leibe geht.
Von der Leetüre der beiden zuletzt genannten Schriften
Meyfart's her flammt mein warmes Intereffe für diefen
Mann, den feine Zeit in dem Beften, was er hatte und
ihr darbot, nicht verftanden hat. Seine eschatologifchen
Abgefchmacktheiten dagegen waren dem Zeitgefchmack
gemäfs. Möchte doch der verehrte Verfaffer in der bezeichneten
Richtung fich noch weiter mit Meyfart abgeben
und in einem nächften Programm das Bild des eigenartigen
Mannes noch weiter ausführen; was er uns hier
aus feinen Schriften geboten hat, ift grade nicht das, was
unfer tieferes Intereffe an ihm wecken kann.

Breslau. G. Kawerau.

B i e r m a n n, G.,Geschichte des Protestantismus in Oesterreichisch*
Schlesien. Mit Unterftützg. der Gefellfchaft zur Förderung
deutfeher Wiffenfchaft, Kunft u. Literatur u.
des Vereines f. Gefchichte Mährens und Schlefiens.
(VI, 223 S. gr. 8.) Prag, J. G. Calve, 1897. M. 5.—

Der Verf., der fchon 1859 in einer ,Denkfchrift' die
Gefchichte der evang. Kirche Oefterr.-Schlefiens, aber mit
befonderer Berückfichtigung der Tefchner Gnadenkirche,
behandelt hatte, hat feither weiter Materialien gefammelt,
die es ihm ermöglichen, jetzt mit einer vollftändigeren
Gefchichte der evang. Kirche in Oefterr.-Schlefien feine
Studien zum Abfchlufs zu bringen. Die Gefchichte der
Evangelifchen in Oefterreich ift ja bis zum J. 1782 nach
anfänglichem fiegreichen Vordringen der reformatorifchen
Ideen eine Gefchichte der Verfolgung und des Druckes ge-
wefen. Die älteren Zeiten diefer Gefchichte darzuftellen
ift nicht leicht, da geficherte Urkunden nur fpärlich vorhanden
find; die Gegenreformation hat mit dem evang.
Kirchenthum auch die von ihm Zeugnifs gebenden Docu-
mente untergehen laffen. Für Oefterr.-Schlefien kommt
die befondre Schwierigkeit dazu, dafs diefe kleine Provinz
fich aus 4 verfchiedenen Gebietstheilen zufammenfetzt:
aus ehemals Neifsifchem, dem Breslauer Bifchof gehörigen
Lande, dem ehemals den Ansbacher Hohenzollern gehörigen
Herzogthum Jägerndorf, dem Herzogthum Tefchen
unter piaftifchen Fürften, und dem dem böhmifchen König
zufallenden Erbfürftenthum Troppau. Das giebt in jedem
diefer Theile eine befondere gefchichtliche Entwickelung.
Am gründlichften iftderProteftantismusim altenNeifsifchen
Bifchofsgebiet ausgerottet; hier gehören ihm heute nur
o,6°/0 der Einwohner an, u. das find Anfiedler aus neuerer
Zeit; im Tefchener Lande haben fich dagegen über 25%
Proteftanten erhalten. Das ift die Frucht der durch
Karl's XII. Vermittlung 1709 den Tefchnern erwirkten
evangelifchen Gnadenkirche (Jefuskirche) — mit Raum für
8000 Menfchen —, die dem evang. Bekenntnifs einen
Stützpunkt fchuf. Der Verf. hat feine Darfteilung verftändig
geordnet nach den Jahreszahlen 1620, 1709, 1782, und
ein verhältnifsmäfsig reiches Material verarbeitet, das für
das letzte Jahrhundert immer vollständiger wird und den
gegenwärtigen Status der evang.Kirche in Oefterr.-Schlefien
genau feftftellt. In zahlreichen Anmerkungen am Schlufs
wird der Kirchenhiftoriker über die Quellen für die Darfteilung
unterrichtet; einRegifter erleichtert die Benutzung.
Ich kann mir nicht anmafsen, für dieses Stück provinzieller
Kirchengefchichte als Fachmann mein Urtheil
abzugeben, will aber doch auf einige Ergänzungen hinweifen
, die ich nach meiner mehr gelegentlichen Kenntnifs
der Litteratur geben kann. Zunächft bedauere ich lebhaft,
dafs der Verf. von dem Wittenb. Ordinanden-Register,
deffen Publication ihm nach S. 184 nicht unbekannt ge>
blieben war, nicht einen vollftändigen Gebrauch gemacht
hat. Nicht allein dafs Männer wie Jakob Pelikanus (S. 10),
Jakob Unger (S. 10), Martin Zenkfrei (S. 21) dort wiederzufinden
find; auch fonft bietet es unter den Orts-Namen
Jägerndorf, Tefchen, Neiffe, Freiwaldau [hier find allerdings