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Ausgabe:

1897 Nr. 16

Spalte:

428

Autor/Hrsg.:

Hümpel, Ernestus

Titel/Untertitel:

De errore christologico in epistolis Joannis impugnato eiusque auctore 1897

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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427

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 16.

428

alt-teft. Dichtungen in folch weitgehender Weise anzulegen
, billigen wollte — was er ausdrücklieh ablehnt —,
fo kann er doch nicht finden, dafs \> 132 durch Z.'s Bearbeitung
fo fehr gewonnen hat. Zwar ift das Schema
fehr fchön, aber die lyrifche Einheit ift darüber in die
Brüche gegangen. Wie Rhön und erhebend fteht gerade
im überlieferten Text diefes Pfalms der flehenden Bitte
der Troft der göttlichen Zufage gegenüber, und wie
gut paffen gerade die vv. 13.14 zufammen! Dafs fich
übrigens mehrere Refponfionen finden, ift bei dem
Verhältnifs, in dem beide Theile des Pfalms als Bitte und
Zufage zu einander flehen, zu natürlich, als dafs man
hier an eine bewufste Technik denken dürfte. Kein
günftigeres Urtheil kann Ref. über die mit anderen
Pfalmen angeftellten Experimente fällen. Alphabe-
tifche Pfalmen wie Pfalm 9 fg., 145 können hier überhaupt
nicht in Betracht kommen, da die von Z. als urfprüng-
lich postulirte fchematifche Niederfchrift die alphabe-
tifche Anordnung, die der kunftfertige Dichter doch gerade
zeigen will, nicht würde hervortreten laffen. Dem-
felben Verdict verfallen fodann alle die Chorgefänge,
die Z. aus mehreren felbftftändigen Psalmen erft com-
ponirt hat, wie i/'ö-f- xp 13, $ 46 + «/> 47, xp 114 -f- ip 115,
xp 148—150, xp 19—21 ip 1—4. Aber auch bei den übrigen
Pfalmen tritt das Chorgefangsfchema nirgends mit
zwingender Evidenz hervor. Refponfionen find fo
feiten, dafs fie nicht zur charakteriftifchen Kunftform gerechnet
werden dürfen. Die gleiche Anzahl der vv. in
Strophe und Gegenftrophe ift oft genug auf recht ge-
waltfame Weife hergeftellt, cf. namentlich Pfalm 27 4C- 10,
Pfalm 39 10 u. f. w. Für die Wechfelftro phe hat Ref.
gar kein Verftändnifs entwickeln können. Unter den als
Wechfelftrophen bezeichneten Parthien finden fich fo
gleichmäfsig dahinfliefsende Aeufserungen tiefinnigften
Empfindens und fo compacte Gedankenfügungen, dafs
Ref. den Dichter nicht begreifen könnte, der das Lied,
das ihm als Ganzes aus der Seele quoll, in diefer Weife
follte zerhackt und in kleinften Portionen an verfchiedene
Chöre follte vertheilt haben. Manlefe doch nur Stellen wie
Pfalm 6 5—8 27 5—6 39 6—8 45 4—0 und ftelle fich diefelben
als von zwei Chören gefungen vor. Ja, wenn es noch
liturgifche Floskeln wären! Das Fabelhaftefte aber, das
Ref. je gelefen zu haben fich erinnert, findet fich in dem
Abfchnitt ,Dererfte Pfalm' S. 61 ff. Danach soll Palm 1—4
ein einziger einheitlicher, auf fechs verfchiedene fingende
und tanzende Chöre berechneter Chorgefang fein. Beffer
als durch die von ihm gegebenen Beifpiele hätte der
Verf. feine Theorie mit fammt der Weisheit des Kosmas
Indicopleustes nicht discreditiren können. Er hat damit,
ohne es zu ahnen, feine eigene Widerlegung gefchrieben.

Ueber die wiffenfchaftlichen Anmerkungen und die
im II. Thle. vorliegende Textbearbeitung genüge nur ein
kurzes Wort, obwohl gerade hier unzählige Ausfüllungen
zu machen wären. Zur Kennzeichnung des wiffenfchaftlichen
Standpunktes des Verf. sei nur auf die famose
Ableitung des Wortes JVS von JVBS (yh-jss), das ,Aus-
fichtsthurm, Citadelle, Feftungswerk' bedeuten foll, ver-
wiefen, cf. Thl. I S. 34. Dabei wird von der ,Affimilation
des B zu V als von etwas ganz Selbftverftändlichem geredet
. Die Textbearbeitung entfpricht keineswegs den
Anforderungen, die man heute an eine folche ftellen
darf. Zwar find Emendationen und Conjecturen nicht
gefpart, und namentlich wo Verf. Vorgängern wie
Houbigant, Olshausen, Baethgen folgt, darf man
vielfach ihm beiftimmen. Um fo gröfsere Vorficht ift
geboten, wo er felbftändig verfährt. Namentlich zu den
Conjecturen zu Pfalm 8946 u. 132 15 möchte Ref. ein Fragezeichen
fetzen. Vor Allem aber hat Ref. ein feftes
Princip, nach dem Z. bei feiner Textbearbeitung verfährt,
vermifft. Während er vielfach feine Emendationen am
Text felbft vollzieht und in der Anmerkung nur einen
Hinweis darauf oder eine Begründung beibringt, hat er
an anderen Stellen, wo er feiner Sache nicht weniger

ficher ift, den MT. intact gelaffen und die Emendation
nur in der Anmerkung gegeben, vgl.Pfalm 46 5 898.9. isa. 19.
21. 84. 51 u. ö. Anderwärts ift der Text geändert ohne jeden
Hinweis in einer Anmerkung, vgl. Pfalm 89 isb> 29. 52. 518.
Jedenfalls hat man fo weder den MT. noch den von Z.
reconftruirten Text vor fich, fondern ein mixtum compositum
aus beiden. Befonders peinlich berührt es, wenn
die von Z. im I. Thl. gegebene Ueberfetzung weder mit
MT. noch mit dem emendirten Text genau übereinftimmt
wie Pfalm 445. Auch die in den Anmerkungen beliebte
Citirungsweife des Textes ift nicht ganz confequent.
Dies zu moniren, mag kleinlich Rheinen, aber bei Textbearbeitungen
ift Akribie das Haupterfordernis. Aus
dem Mangel an Akribie erklärt fich auch die nicht geringe
Zahl von Schreib- und Druckfehlern. Allein aus Pfalm 89
feien folgende genannt: fSöi fr. fitCB (v. 15) d^iÜNI
fr. Tfilätfl, noni fr. ilDtTl (v. 25), Dl« bd fr. Ol« bd
(v. 48); auch die Hinzufügung des Suff, in iSIBin v. 52
(MT. IBin) beruht wohl auf Flüchtigkeit, da die Ueberfetzung
den MT. widergiebt. Die Zahl der Fehler liefse
fich leicht vermehren. Wie viel hätte Z. hier von den
proteftantifchen Gelehrten, die er öfter citirt, noch lernen
können.

Nach dem Gefagten kann Ref. nicht fagen, dafs das
vorliegende Buch eine Förderung unferer Kenntnifs der
hebr. Poefie bedeute. Die Chorgefänge Zenner's find ein
Gebilde lebhafter Phantafie, und was fpeciell das iibo betrifft
, fo find wir noch immer nicht fo glücklich, dem
Hygros ben Levi, der allein um feine Bedeutung gewufst
haben foll, die ewige Grabesruhe zu gönnen.

Jena. B. Baentfch.

Hümpel, Ernestus, De errore christologico in epistolis Joan-
nis impugnato eiusque auetore quaestio hiftorico-critica.
Diss. Erlangen, 1897. (78 S. gr. 8.)

Diefe fleifsige Differtation fucht zu zeigen, dafs die
in den johanneifchen Briefen bekämpfte chriftologifche
Llrrlehre' die des Gnoftikers Kerinth fei. Der Verf.
verfährt fo, dafs er zuerft die in Frage kommenden Stellen
der johanneifchen Briefe exegetifch behandelt, um
zu ermitteln, von welcher Art die hier bekämpfte Chrifto-
logie war, dann darauf hinweift, dafs Kerinth jedenfalls
fchon zur Zeit des Apoftels Johannes gelebt habe,
und dafs kein Grund vorliege, die Angabe des Irenäus
von dem Zufammentreffen beider zu bezweifeln (S. 39f.),
endlich aber zu zeigen fucht, dafs das, was wir über die
kerinthifche Chriftologie wiffen, zu den Vorausfetzungen
der johanneifchen Briefe paffe. Es hängt hier felbftver-
ftändlich alles davon ab, ob die Schriftftücke, welche die
fpätere Ueberlieferung dem Apoftel Johannes zufchreibt,
wirklich von ihm herrühren. Auf diefe Frage geht der
Verf. nicht näher ein. Wer fie verneint, für den haben
auch die Ausführungen des Verf. keine überzeugende
Kraft. Denn der Beweis, dafs die Angaben der johanneifchen
Briefe nur auf die kerinthifche Chriftologie und
nicht auf die eines anderen gnoftifchen Syftemes paffen,
ift nicht erbracht und kann nicht erbracht werden. Man
kann immer nur fagen: es wird hier die doketifche
Chriftologie bekämpft. Doketifch aber war die Chriftologie
des Gnofticismus überhaupt, nicht nur die des Kerinth
.

Göttingen. E. Schürer.

Eisenhofer, Präf. Ludw., Procopius von Gaza. Eine literar-
hiftorifche Studie. Gekrönte Preisfchrift. Freiburg i. B.,
Herder, 1897. (V, 84 S. gr. 8.) M. 2.—

Die Schrift ift eine Bearbeitung der von der theolo-
gifchen Facultät der Münchener Univerfität f. d.J. 1893/94
geftellten Preisaufgabe: ,Procopius von Gaza mit einer
Würdigung feiner exegetifchen Schriften', von der lobend