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Ausgabe:

1897 Nr. 15

Spalte:

409-411

Autor/Hrsg.:

Stapfer, Edmund

Titel/Untertitel:

Jésus-Christ, sa personne, son autorité, son oeuvre. Tome I: Jésus-Christ avant son ministère. Tome II: Jésus-Christ pendant son ministère 1897

Rezensent:

Lobstein, Paul

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409 Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 15.

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Staofer. Prof. Edm., Jesus Christ, sa personne, son autorite, für welche St. die Ueberlieferungen von der Taufe und

son oeuvre. Tomes I et II. 2e ed. Paris, Fifchbacher
(gr. 12.)

I. J£sus-Christ avant son ministere. (XIII, 209 S.) 1896. Fr. 3.—
— II. Jesus-Christ pendant son ministere. (VI, 354 S.) 1897. Fr. 3.50,

Von dem auf drei Bände angelegten Werke des

der Verfuchung Jefu in geiftvoller Weife verwerthet, auch
die vorhergehenden Ausführungen über das Verhältnifs
Jefu zu den religiöfen Richtungen des zeitgenöffifchen
Judenthums find an jenem Grundprobleme orientirt. Die
fchönen Seiten, in denen St. das Ergebnifs des erften
Bandes zieht (L' original ite de Jesus, S. 18? —1071

Vertreters der neuteftamentlichen Disciplinen an der gehen auf die Frage nach der Individualität Jefu näher

theologifchen Facultät zu Paris (Jefus Chriftus, feine
Perfon, fein Anfehn, fein Werk') liegen die zwei erften
Theile vor; der dritte Theil (.Leidensgefchichte und
Auferftehung') wird in Jahresfrift erfcheinen. Der Herr

ein, und beantworten diefe Frage in einem dem Standpunkte
von B. Weifs direct entgegengefetzten Sinn; wie
unter uns Keim, Beyfchlag und befonders Haupt, fo
ftellt St. die Forderung eines Charakterbildes Jefu, und

Vf. beabfichtigt nicht, ein vollftändiges Leben Jefu zu er erneuert hier die früher von Sabatier {Eneyclopedi e
geben; er unternimmt es, auf Grund der aus den Evan- des sciences religieuses VII, 368— 9) geltend gemachten
gelien'zu eruirenden, genau zu prüfenden Angaben, ein Inftanzen: Un personnage saus caractere ue serait
Charakterbild Jefu zu zeichnen, indem er es befonders qu'une abstraction saus int er et et saus vie . . . or
auf den Inhalt und die Eigenthümlichkeit des religiöfen Jesus est lepersonnage le plus interessant, le plus
Zeugniffes Jefu abgefehn hat. Da er nicht für die Zunft- captivant de l'histoire (192). Dafs die hier gemachten
gelehrten, fondern für die gebildeten Laien fchreibt, läfft j Anfätze erft recht das Bewufstfein der Schwierigkeit und
er fich nicht in Einzeldiscuffionen oder kritifche Er- ; der Wichtigkeit der gerteilten Aufgabe wecken, kann
örterungen ein, fondern entwickelt in rein pofitiver Dar- i dem Vf. nicht zum Vorwurf und zum Tadel gereichen,
rtellung das Refultat feiner feit langen Jahren diefem Ein Vergleich diefes errten Bandes mit dem Effay Godet's
Gegenrtand gewidmeten Forfchungen. Denn die einfache ; über denfelben Gegenrtand (zunächft bertimmt für die
und edle Popularität der Form thut der Wiffenfchaft- Zeitfchrift The Thinker, 1895, dann als S-A. in fran-
lichkeit des Inhalts keinen Eintrag. War der Vf. doch zöfifcher Sprache herausgegeben) würde einerfeits einen
durch feine früheren Arbeiten zu der hier dargebotenen ziemlich weitgehenden Confenfus unter den Theologen
Zufammenfaffung feiner Unterfuchungen vorbereitet, franzöfifcher Zunge aufweifen, andrerfeits aber auch das
Seine Schrift Jesus de Nazareth et le developpe- unbefangene und unabhängige Urtheil Stapfer's in ein
ment de sa pensee sur lui-meme' 1872; Les idees helleres Licht rtellen. — Der zweite Band des Werkes
religieuses en Palestine a Vepoque de Jesus-Christ Jesus-Christ pendant son ministere^ kommt einer
1878C, find feit längerer Zeit vergriffen; die populär ge- mit wachfender Klarheit und Stärke durch die Gegen-
haltene aber auf eingehenden Queller.ftudien beruhende [ wart gertellten Forderung entgegen, Jefus im Zufammen-
Monographie La Palestine au temps de Jesus-Christ , hang mit feiner Zeit zu verrtehen und hieraus zugleich
irt vor0 kurzem in fechrter Auflage erfchienen; Stapfer's feine einzigartige Originalität zu begreifen. Mit nicht
franzöfifche Ueberfetzung des Neuen Teftaments ftellt geringerer Entfchiedenheit als Joh. Weifs u. A. betont
den erften Verfuch dar, den nach den betten kritifchen St. den rein transcendenten und eschatologifchen Charakter
Ausgaben hergertellten Text der neuteftamentlichen des Himmelreiches in der Verkündigung Jefu; wie die
Schriften in allgemein verftändlicher Sprache weiteren 1 neueften Forfchungen in Deutfchland, verwerthet er die
Kreifen zu vermitteln; darf fich auch St.'s nicht in allen [ apocalyptifchc Literatur des zeitgenöffifchen Judenthums;
Theilen gleich gelungene Leiftung nimmer mit dem Meifter- I ja er findet gerade in der Auslage nir. >}).0-ov mnaXvoat
werk Weizfäcker's meffen, fo bewegt fie fich doch in j älla 7i?ajoiöaai den Schlüffel zum Verftändnifs der Botderfelben
Richtung und verfolgt die gleichen Ziele. (Vgl,
die Einleitung zur grofsen Ausgabe 1889; die kleine
Ausgabe von 1894 bezeichnet nicht überall einen Fort-
fchrftt.) Dafs der durch feine bisherigen Arbeiten wohl
ausserüftete Verfaffer berufen war, die ftets aufs neue

fchaft und des Verhaltens Jefu. Jesus conserve tont
le passe; sur Dieu, sur le peche, sur l'homme,
sur le regne de Dieu, il reproduit ee que disen't
ses contemporains. II puise tont dans VAncien
Testament, et il repete puremant et simpletnent

lockende, niemals völlig gelöfte Aufgabe in Angriff zu ! les doctrines juives; mai's il les repete autrement
nehmen,'erhellt auch aus der näheren Prüfung der bereits qu'on ne Tavait /alt avant lui, parce qu'il les a
vorliegenden Bände. Zur Schilderung der Wirkfamkeit [ renouvelees dans sa conscience (S. 82. cf. S. V und
Jefu, zur Wiedergabe und zur Charakteriftik feiner Ver- j öfters). Zu diefem letzten Satze liefert St. in feiner
kündigung, verwerthet St. die Synoptiker, indem er dem ganzen Schrift einen ausführlichen und werthvollen
Marcus den Vorzug giebt (inwiefern er fich zur Marcus- Commentar, welcher allerdings, wenn ich recht fehe,
hypothefe bekennt, deutet er an, Bd. II, S. XVII—XX); das prinzipiell Neue und religiös Schöpferifche in der
das vierte Evangelium ift ihm zwar kein hiftorifches Perfon Jefu nicht hinreichend zu feinem Rechte kommen
Werk es hat aber doch theilweife auch eine valeur läfft. Könnten wir auf Einzelheiten näher eingehen, fo
documentaire da es höchft wahrfcheinlich über ein- würde es auch fonft an Einwendungen und Ausheilungen

zelne wichtige Punkte noch eine johanneifche Tradition
bietet, die mitunter zurCorrectur der fynoptifchen Ueber-
lieferung dienen mufs (II, S. XXVI—XXX). — In feinem
erften Bande war der Vf. von den unmittelbaren Quellen
beinahe völlig verlaffen. Der erfteSatz feinerDarftellung
Jesus a ete elcve a Nazareth (I, 17) deutet an, dafs er

nicht fehlen. Nur einige Punkte mögen hervorgehoben
werden. Wenn St. auch keine Biographie Jefu im eigentlichen
Sinne geben will, wenn er darauf verzichtet,0 alle
einzelnen Worte und Erzählungen der Evangelien an
einem Faden zu einem grofsen hiftorifchen Gemälde aufzureihen
, fo hat er doch an manchen Stellen eine chrono-

die Kindheitsberichte des Matthäus- und des Lucasevan- j logifche Fixirung der einzelnen Thatfachen und eine
geliums nicht als Gefchichte fafst, wenn er auch der Gruppirung der Auslagen Jefu verfucht, die durch unfere
poesie intense, qui se degagc de ces tnerve illeuses Quellen entweder nicht angezeigt oder durch diefelben
histoires feine volle Bewunderung zollt. Es liegt in geradezu ausgefchloffen ift. Unfere Urkunden berechtigen
der Natur der Sache, dafs der erfte Theil der St.'fchen den Hiftoriker nicht, die Institution de l'apostolat
Schrift, bei der pfychologifchen und hiftorifchen Anaiyfe , als ein Schisma darzuftellen, welches auf den bereits
die er verfucht, nicht ohne Conjecturen und Hypothefen vollzogenen Bruch mit den Pharifäern folgte und in
operiren konnte; es zeugt aber für den gefchichtlichen erfter Linie durch diefen Bruch hervorgerufen wurde
Sinn des Vf.'s, dafs feine Entwickelung durch die Haupt- ; (vgl. Cap. 9—10). Ebenfo wenig ift es ftatthaft, felbft
frage behörfcht ift; ,Commcnt Jesus a-t-il puse crotr« unter Heranziehung und Verwerthung des vierten Evan-
et se dire le Messier' Nicht nur die drei letzten Capitel, geliums, aus den Reifen Jefu nach Jerufalem Schlüffe zu

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