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Ausgabe:

1897

Spalte:

331-335

Autor/Hrsg.:

Corssen, Peter

Titel/Untertitel:

Monarchianische Prologe zu den vier Evangelien 1897

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 12.

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noch bei Hermas (S. 33 f.) und den fich in diefer Beziehung
ihm anreihenden adoptianifchen Monarchianern (S. 37f.,
hierzu wäre noch zu vergleichen Corffen, Monarchia-
nifche Prologe S. 30L), ja felbft bei alten Kirchenlehrern
nachweifen (S. 34?.). ,Es ift überaus bemerkenswert, wie
in den angeführten Stellen von Juftin, Irenaus und Ter-
tullian die Taufgefchichte als eine grofse Schwierigkeit
der Logoschriftologie erfcheint, eine Schwierigkeit, die
die Apologeten fich nicht künftlich machen, ja, der fie
offenbar lieber aus den Wege gingen, die ihnen aber eben
allen in den Weg tritt' (S. 37), ,Die blofse Exiftenz einer
folchen alten Richtung müfste Ufener daran irre machen,
dafs der alterte Bericht dem des Markion füllte ähnlich ge-
wefen fein' (S.40). Die hieran fich fchliefsende Auseinander-
fetzung mit Ufener über die Bedeutung der Taufe in den
gnoftifchen Syftemen (S. 41 f.) räumt zwar ein, dafs fich
hier theilweife (denn nicht wenige Gnoftiker fchweigen
ganz) die fchärffte Betonung der Taufgefchichte findet,
aber nur mit dem Erfolge, dafs nunmehr auch die uralte
Schätzung der Taufgefchichte in Folge ihrer Verwerthung
im Intereffe der gnoftifchen Chriftologie vollends zur
Ketzerei wird. Ift fchon diefe Unterfuchung von nicht
wenigen Schwierigkeiten gedrückt, fo noch viel mehr die
folgende über den Urfprung und die ältefte Bedeutung
des Epiphanienfeftes (vgl. des Verfaffers eigene Worte
S. 52,87). Gewifs bleibt doch nur, wovon ja auch Ufener
ausgegangen ift, dafs wir von einer folcher Feier zuerft
bei den Bafilidianern hören und dafs der alexandrinifche
Clemens nur diefe eine Feier eines Tauftages Jefu kennt.
Ob aber auch als Geburtsfeft? Und welche von den ver-
fchiedenen Beziehungen, auf die fchon die mannigfachen
kirchlichen Feftperikopen hinweifen (S. 1 f. 54 B). erweift
fich gefchichtlich als die urfprüngliche und mafsgebende?
Auch mit dem, was unfer Verf. hierüber zu erwägen giebt
und vorzufchlagen hat, gelangt man auf keinen ficheren
Boden.

Einfacher wird alles, wo es fich um die kirchliche
Auffaffung der Taufgefchichte vom 3. Jahrhundert an
handelt. Was fchon bei Ignatius (S. 30b) und Tertullian
(S. 59 b) theilweife der Fall war, wird jetzt Regel. Ein
chriltologifches Verftändnis der Taufgefchichte ift nicht
mehr möglich; an feine Stelle tritt die Beziehung zur
Taufe der Chriften, zur kirchlichen Handlung, zum Sacra-
ment. Chriftus läfst fich taufen, bald um das menfchliche
Fleifch, bald um das Waffer zu heiligen, ihm Heilkraft zu
fpenden. Diefe und ähnliche Gedanken kehren in immer
neuen Variationen wieder. Gleichwohl giebt die ausführliche
Mufterung patriftifcher Auslegungen der Taufgefchichte
Anlafs zu manchen intereffanten Beobachtungen.
Woher z. B. kommt es doch, dafs die Taufftimme fo
oft nach der Form von Marcus und Lucas angeführt
wird, auch wo, wie z. B. bei Hilarius (S. 76), Matthäus
ausgelegt wird? Weiter verfolgt müfste die Entwickelung
auf die in meiner ,neuteftamentlichen Theologie' I,
S. 381, Note 2 berührten Dinge führen.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Corssen, Pet., Monarchianische Prologe zu den vier Evangelien
. Ein Beitrag zur Gefchichte des Kanons. (Texte
und Unterfuchungen zur Gefchichte der altchriftlichen
Literatur. XV. Bd. 1. Hft.) Leipzig, J. C. Hinrichs,
1896. (V, 138 S. gr. 8.) M. 4.50

Eine neuteftamentliche Studie von der Hand diefes
Verf. berechtigt immer zu ungewöhnlichen Erwartungen.
An folchen hat es auch vorliegender Veröffentlichung
gegenüber nicht gefehlt und fie find auf keinen Fall
enttäufcht worden. Allerdings follte das Buch nicht
benutzt werden, ohne Beizug und Prüfung der Nacharbeit
, welche Jülicher in den .Göttingifchen Gelehrten
Anzeigen' (1896, Nr. II, S. 841—851) geliefert hat. Dies
gilt gleich bezüglich der Herfiellung des fo fehr verdorbenen
Textes der vier kleinen Tractate, welche bis
zum Ausgang des Mittelalters und fo auch noch in den
alterten Drucken der Vulgata als rtändige Begleiter der
Evangelien erfcheinen, wie fie denn auch älter als Hieronymus
find (vgl. den Nachweis S. 17 b) und fich diefem
gleichkam zum Trotz durchgefetzt haben. Der monarchi-
anifche Urfprung der Prologe erhellt aus ihrem Inhalt,
j der auf die Behauptung hinausläuft, die Summe der
evangelifchen Verkündigung fei die Identität Chrirti und
J Gottes (S. 24b, 29): was als bewiefen gelten darf, auch
wenn die fcharffinnige, aber auch überaus kühne Zurecht-
| legung der Angaben über die matthäifche und die luca
! nifche Genealogie und der Nachweis einer im Prolog zu
Marcus vorliegenden älteren, noch dem Gnofticismus
näher flehenden, Form des Monarchianismus (Chriftus
wird Gott erft durch die Taufe) Bedenken erregen füllten
(S. 30 f.). Auf einem etwas geficherteren Boden fühlt man
fich bei dem Nachweis, dafs derfelbe Marcus-Prolog
| offen gegen die Logoslehre (S. 34 f.) und verdeckt gegen
I das Johannes-Evangelium polemifire (S. 37 b), fofern nach
! Marcus der Herr nicht als himmlifcher Logos auf die
Erde herabgekommen fei, fondern feinen Anfang im
Fleifch genommen habe und in der Taufe befeelt worden
fei (S. 37 b). Da aber das johanneifche Evangelium doch
nicht blofs anerkannt, fondern fchon an zweiter Stelle
angereiht wird, fcheinen unferm Verf. die Prologe ,nur
zu beftätigen, was an und für fich wahrfcheinlich war:
die urfprüngliche Feindfchaft der Monarchianer gegen das
Evangelium Johannis, feine allmähliche Anerkennung,
die doch von irgend welchem Enthufiasmus immer
weit entfernt war' (S. 39). Letzteres darum, weil im
Johannes-Prolog nicht etwa die befondere Bedeutung
diefes Evangeliums, fondern fart nur die Jungfräulichkeit
feines Verfaffers hervorgehoben werde (hierzu vgl. jedoch
Jülicher S. 851). Da nun die Monarchianer, wie wir fie
aus Tertullian und Hippolyt kennen, die Logoslehre an
fich nicht verworfen, fondern nur ähnlich der ,Kraft des
Höchrten' Luc. 1, 35 in eine Wefensbezeichhüng Gottes
ungedeutet zu haben fcheinen, erfchliefst unfer Verb aus
! dem Marcus-Prolog eine Vorflufe des Monarchianismus,
1 darauf diefer von dem vierten Evangelium noch nichts
wiffen mochte (S. 43) — trotz Joh. 8, 40. 10, 30, womit
I die uns gefchichtlich bekannten Monarchianer ihre Sache
zum Sieg hinauszuführen gedachten (vgl. S. 71). Errt,
,als fie fich des Evangeliums nicht länger erwehren konnten,
l erkannten fie ihm um der jungfräulichen Reinheit feines
I Verfaffers willen eine bevorzugte Stellung zu' (S. 132).

Der Monarchianismus felbft ift eigentlich älter als das
1 Johannes-Evangelium, fofern derfelbe,als eineCombination
j der heidnifch-polytheiftifchen und jüdifch-monotheiftifchen
I Denkungsweife' vielleicht fchon im Briefe des Plinius
{Christo quasi deo) vorausgefetzt erfcheinen foll (S. 44 t. 1.
I Zu Gunften einer folchen Auffaffung liefsen fich ja noch
manche Formeln des zweiten Jahrhunderts, zumal igna-
tianifche, möglicher Weife auch das Verhältnifs verwenden,
in welches bezüglich der Logoslehre der erfte Johannesbrief
zum Evangelium tritt. Vgl. hierüber des Recenfenten
Neuteftamentliche Theologie II, S. 396. Darauf reflectirt
unfer Verf. übrigens bei den verfchiedenen Betrachtungen,
welche er diefem Briefe widmet (S. 50 b 124. 130 b), nicht,
und wir begnügen uns hier, auf die von ihm berührte
Frage hinzuweifen, ob und inwieweit der naive Modalismus
einer frühern Zeit fchon mit einer Lehrbildung
in directen Zufammenhang gebracht werden könne,
welche dem Tertullian doch als eine Neuigkeit erfcheint.
Ebenfo fei nur im Vorübergehen auf die intereffante
Erörterung über die Aloger erinnert, die aufser Aus-
I einanderfetzungen mit Zahn und Harnack (dahin gehört
noch S. 70 b die Verhandlung über die Stellung des
Theodot und Artemon zu Johannes) eine überrafchende
! Deutung der bekannten Ausfage über Thyatira bringt.

Nicht, dafs es zur Zeit der Apokalypfe keine Gemeinde
; dafelbft gegeben habe, foll S. 52 f. die Thefe der Aloger