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Ausgabe:

1897 Nr. 12

Spalte:

330-331

Autor/Hrsg.:

Bornemann, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Taufe Christi durch Johannes in der dogmatischen Beurtheilung der christlichen Theologen 1897

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 12.

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ob die Apk. ein einheitliches Werk fei oder nicht, mufs
ja an einigen wenigen Punkten zum Austrag gebracht
werden. Es wird fich z. B. namentlich um das Verhält-
nifs von Cap. I—3 und 4—6 handeln, um den Zufammen-
hang von 612 ff. mit 71 ff., 71—89—17, um den eigenthüm- |
liehen Charakter der Stücke Iii—13 12. 1411—20, um das
Verhältnifs zwifchen 13 und 17 u. f. w. An allen diefen
entfeheidenden Stellen habe ich fad gar keine überzeu- 1
genden und originalen Ausführungen in dem Buche gefunden
, durch welche von neuem die Annahme der Einheitlichkeit
der Apk. wahrfcheinlicher gemacht werden
könnte. Die Dürftigkeit der Ausführungen an den entfeheidenden
Punkten wird eben nur verdeckt durch die
in alle möglichen Einzelheiten fich verlierende Manier
des Verfaffers, die es ihm ermöglicht, gegenüber Aus-
wüchfen der Kritik in vielen Einzelheiten immer wieder
die Ueberlegenheit feines Scharffinns zu zeigen.

Aber ein noch fchwererer Vorwurf mufs gegen das
Werk erhoben werden. Sehr oft hat fich H. gar nicht
einmal die Mühe gegeben, die von ihm bekämpften j
Gegner ordentlich zu lefen und zu verftehen. Ich wähle
ein Beifpiel von vielen, allerdings das ärgfte. Auf
S. 41 bekämpft H. Spitta's intereffante Deutung der 24 |
ngioßciegoi. Zunächft wird Sp. untergefchoben, dafs j
ihm die Deutung der Aelteften überhaupt unbequem fei, 1
weil er diefe nicht aus gegebenen Vorftellungen des j
Apok. ableiten könne. — Wo bleibt der Beweis für diefe
Behauptung?! — Doch H. fährt fort: Sp. meint nun die
Aelteften aus den ifraelitifchen Priederklaffen erklären
zu können'. Davon ift nur fo viel richtig, dafs Sp. die [
Zahl 24 dorther erklärt. Von der intereffanten Deutung
Sp.'s der irgeoßvttgoi auf Engel erfahren wir durch H.
nichts. Vielmehr macht nun H. Spitta den Einwand,
dafs die 7igeoßvcegoL 711 gar nicht als Priefter auftreten.
Aber, wendet er fich felbft ein, diefen Beweis werde Sp. j
nicht gelten laffen, weil jenes Stück (79 ff.) nach ihm aus |
J1 flamme. Man traut hier feinen Augen kaum. Denn
7«—17 gehört nach Sp. zu derselben Quelle wie 4 zu ,U'. 1
Auf jenen felbftgefchaffenen Popanz schlägt H. nun
wacker ein. Er behauptet, Sp. unterfcheide demgemäfs
zwifchen den ngioßviegoi in 4 und denen in 79 ff., welche |
letztere er mit den <ep£<c in 16 identificire. Thatfäch-
lich identificirt Sp. mit den 16 genannten legeig die neben
den iioeoßUtgoi flehenden Schaaren in weifsen Kleidern.
Dann "folgt bei H. nach allen diefen Mifsverftändniffen
in dem anmafsenden Ton, an den man bei ihm gewöhnt j
ift, der Vorwurf: Bei der Erklärung, wie die zwei ver-
fchiedenen Schriften fo frappant gleiches producirt haben J
follten, zieht fich Sp. in das Dunkel der apokalyptifchen
Tradition zurück. — Eür Sp. lag hier gar keine Schwierigkeit
vor, denn die verfchiedenen Schriften exifliren
diesmal nur im Kopfe H.'s; von dem glänzenden Scharf- j
blick, den Sp. gerade hier in feinen Ausführungen be-
wiefen hat, follte H. nur ruhig erft lernen. — Die zu- j
treffende Charakterifirung einer derartigen Polemik über-
laffe ich dem Lefer.

Doch feien noch tinige Einzelheiten hervorgehoben.
Die Quelle U datiert Sp. beftimmt in das Jahr 60, nach
H. S. 5 (lammt Sp.'s Quelle U aus dem Jahr 70, S. 50 |
giebt H. für das dazugehörige Stück Cap. 6 die Beftimmung
Sp.'s ,ca 68' an. Die Jahresangabe 70 hat H. vielleicht
auf S. 503, wo Sp. über die Datirung der Quelle U han- j
delt, aufgegriffen. Dort findet fie fich in einem andern j
Zufammenhang.

Kein gutes Vorurtheil für den Werth der Arbeit er-
weckt es auch, wenn H. in Einleitung 41 erklärt, dafs
das wichtige Werk von Weyland ihm nicht zugänglich
gewefen fei. Weshalb nicht? An Unkenntnifs des Hol-
ländifchen kann das nicht gelegen haben. Denn S. 5 j
citirt Hirfcht Theol.Tijdschr. (freilich falfch gefchrieben). —
S. VIII und XI citirt H. Baldenfprenger (!) S. 2 Har-
nak (!) S. 19 Gebhard und Harnakd), S. 5 Düflerdiek
u.f. w. Komifch wirken feine textkritifchen Bemerkungen:

zu 616 Tifch. Syr. al. lefen attüv, zu 121.3 ich ziehe darum
die Lefart iacaSt] mit Treg. Lachm. W. H. Weifs und (!)
den meiden Verfionen vor. — Auch wimmelt die Schrift
von Druckfehlern. Der Stil id fchlecht und geradezu
unfehön.

Ungern mache ich derartige Ausheilungen wie die
letzteren. Aber fie waren notwendig zur Charakterifirung
einer Schrift, in welcher der hochfahrende Ton und die
felbdbewufste Sicherheit gerade in umgekehrtem Verhältnifs
dehen zu dem wirklichen Werth der Leidung.

Göttingen. W. Bousset.

Bornemann, Päd. Johs., Die Taufe Christi durch Johannes

in der dogmatifchen Beurtheilung der chridlichen
Theologen der vier erden Jahrhunderte. Leipzig, Hin-
richs, 1896. (III, 88 S. gr. 8.) M. 2.40

Der Verfaffer, Pfarrer zu Clenze, veröffentlicht hier
eine 1880 gefchriebene Preisfchrift, welche aber erweitert
und umgearbeitet wurde mit Bezug auf Ufener's ,re-
ligionsgefchichtliche Unterfuchungen'von 1889. ImGegen-
fatze zu den überrafchenden Ergebniffen diefes Buches
(vgl. darüber Harnack in diefer Zeitfchrift 1889, S. 199!.)
legt unfer Verf. die Schwierigkeiten dar, welche fich dem
Verfucheentgegendellen,dieTaufgefchichteausderälteden
Ueberlieferung zu dreichen und daraus einen, dem Juden-
chridenthumentdämmten,erd von denGnodikern zu höherer
Bedeutung erhobenen Artikel zu machen. Die Sache liegt
vielmehr umgekehrt fo, dafs die Erinnerung an die Tauf-
gefchichte, wie fie fchon in den Glaubensregeln und Symbolen
zurückgedrängt id(S. 5 5f.), vor der orthodoxen Chrifto-
logie, zu der fie nicht pafst, je länger je mehr das Feld
räumen mufs. ,Schon mit dem Bericht von der Jungfrauengeburt
beginnt die Schwierigkeit, mit dem Prä-
exidenzgedanken wächd fie; die ausgebildete Logos-
chridologie endlich hat keinen Raum für folche Schätzung'
(S. 57). Sie dellt ein Stück Urchridentum vor, das fchon
an fich deigende Verlegenheiten bereitete, aber durch
die gnodifche Ausbeutung im Sinne einer Herabkunft
des oberen Aeon auf den Menfchen fofort leicht vollends
discreditirt werden konnte. ,Den Heidenchriden id aber
das Verdändnis für den Sinn der Taufgefchichte abhanden
gekommen, daher werfen fie die Judenchriden
und die Gnodiker zufammen. Und doch id der Abdand
fo deutlich: nach den Gnodikern käme eine neue göttliche
Perfon auf die Erde herab, die Judenchriden fprechen
nur wie die kanonifchen Schriften von der Herabkunft des
Gottesgeides'(S.24). In der That liegt hier der Sachverhalt
fo klar, wie kaum auf irgend einem andern Punkt der evan-
gelifchen Berichterdattung. Die Zurechtlegung der bezüglichen
evangelifchen Parallelen (S.6f.), verbunden mit dem
Hinweis auf die bedeutfame Stelle Act. 10, 38 (S. 18), id
durchaus ein wandfrei und des Verfaffers Verwunderung über
die Bevorzugung des johanneifchen Berichtes bei B. Weifs

5. 13, 49 f° gerechtfertigt, wie die Zurückweifung des
Verfuches vonRefch, für feine, feltfamer Weife an Phil.2,

6, 7 orientirte, Auffaffung des urevangelifchen Berichtes aus
einer fyrifchen Taufliturgie des 6. Jahrhunderts Capital
zu fchlagen (S. 141.). Ebenfo fachgemäfs id S. 25 f. der
Taufbericht des Judinus aufgefafst, nämlich als Combi-
nation zweier fich ausfchlieffender Momente, einerfeits
des Erlebniffes Jefu (daher felbd das t idc «ou el ov nach
MarcusundLucas),andrerfeitsderDarftellungJefualsMeffias
vor allem Volk (nach Matthäus und Johannes). An letztere
Dardellung fchhefsen fich dann die Väter an. ,Es mufs
bei ihnen die urfprüngliche Schätzung des Ereigniffes verloren
gehen, weil den Heidenchriden das Verdändnifs des
alttedamentlichen Meffiasgedankens abgeht. Aber Judin ift
ein claffifcher Zeuge dafür, dafs die Taufgefchichte eben
mit diefem Gedanken aufs innigde verbunden war; id ein
claffifcher Zeuge für die Nachwirkung des urfprünglichen
Berichtes und feiner Schätzung' (S.30). Aehnliches läfst fich