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Ausgabe:

1897 Nr. 11

Spalte:

305-306

Autor/Hrsg.:

Reiche, Armin

Titel/Untertitel:

Die künstlerischen Elemente in der Welt und Lebensanschauung des Gregor von Nyssa 1897

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Seite 1

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305

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 11.

306

6ol99 das B nach feratia nicht Druckfehler flatt R, wie ihm aber als Bedingung für die innige Gottesgemeinfchaft
man nach Chatelain annehmen mufs, 6i227 ein mir im- ! die Läuterung von allem Böfen, die Reinheit des Herzens
bekanntes und räthfelhaftes nhius Druckfehler ftatt huius, (S. 1—20). Obwohl die Heraushebung der Idee des
ib. 2,„j nicht sepuluch\rt (vgl. ib. 221)? Lieft die Handfchrift Schönen im Gegenfatz zu den finnlichen Erfcheinungen
ib. „- nicht non ulterius tullit, und läfst fie nicht ib. ,„ 1 die Erfcheinungswelt zu vernichten und zu entwerthen
condignum aus? Hat Chatelain den erften Vers von c. XIX fcheint, fo fafst Gregor wie Plato das grofse All als ein
falfch abgefchrieben, wenn er in ihm si possunt wider- Kunftwerk auf, in dem uns überall fefte, unwandelbare
gibt, während nach dem Apparat Dungal fo lieft, der Ordnung und fchönfte Harmonie entgegentritt. Im An-
Ambrof. C 74 dagegen possunt si bietet? Hat er fich fchlufs an Ariftoteles und Biotin unterfcheidet er in der
geirrt, wenn er zu v. 14 die Bemerkung macht: Muratori Natur eine vom Niederen zum Höheren auffteigende
a edite jacet sans aucune autorite, während nach Stufenfolge des gefammten Dafeins. Der Menfch ift das
dem Apparate jdcet (ftatt mattet) als die Lesart des Bindeglied zwifchen der Körperwelt und der Welt der
Ambrof. erfcheint? Diele Fragen liefsen fich fortfetzen, reinen Geifter, er hat eine kosmifche Mittlerrolle, der
In manchen Fällen werden Druckfehler vorliegen, die dem die gefammte Schöpfung fchliefslich zur Theilnahme am
Herausgeber entgangen fein mögen und die man ihm Schönen und Guten erhebt. Die Apokataftafis, die er von
gerne zu Gute halten wird. Aber leider find, wie ich das Origenes hat, entfpricht ganz feiner künftlerifchen Welt-
fchon bei dem erften Bande feftftellen mulste (in diefer | anfchauung, prachtvoll fchliefst fo das grofse Schaufpiel
Zeitfchr. 1896,87fr.), die Verfehen fo zahlreich, dafs das der Welt mit dem Siege des Guten und Schönen, der
Vertrauen zu dem Apparate ftark ins Schwanken geräth. Wiederbringung aller Dinge zu Gott (S. 21—39). Von
Die von den Früheren gebotenen Vorfchläge zur der Auffaffung des fittlich Guten als etwas Schönen
Verbefferung des nicht immer rein überlieferten Textes zeigt fich auch die Sittenlehre Gregors beherrfcht. Das Böfe
hat der Herausgeber benutzt und, wo er fie nicht billigte, ; ift ihm identifch mit dem Häfslichen, dem der Ordnung
wenigftens in den Noten mitgetheilt. Nicht weniges hat und Harmonie Entbehrenden. Seine Tugendlehre ift
er aus eignem beigefteuert und manchen Schaden aufge- durchaus platonifch-ariftotelifch (S. 40—60).
deckt und zu heilen verfucht. Einzelnes wird man ab- Die Arbeit ift klar und gewandt mit gründlicher
lehnen, wie die das Metrum verletzende Finfetzung von , Kenntnifs der antiken Philofophie und feinem Urtheil
itaquc p. 209,..,, einzelnes hat der Herausgeber inzwifchen ; gefchrieben. Der Verfaffer hat den dritten der grofsen
felbft zurückgenommen, wie die Aenderung p. 26J2 (f. Kappadocier,beidemdieVerbindung vonkirchlicher Theo-
Patriftifche Studien VI S. 5). In den meiften Fällen wird logie und hellenifcher Weltauffaffung am itärkften her-
man ihm beipflichten. So darf man denn trotz der an , vortritt, nach der Seite feiner künftlerifchen Welt- und
dem Apparat zu machenden Ausftellungen dem Heraus- , Lebensauffaffung treffend charakterifirt; vielleicht wäre
geber dafür dankbar fein, dafs er einen mit den Mitteln 1 es von Werth gewefen, Parallelen aus anderen griechifchen
moderner, wiffenfchaftlicher Kritik hergeftellten Text der Kirchenvätern beizubringen, wodurch das Bild von dem
Gedichte des Paulinus geboten und damit eine einiger- Einflufs künftlerifcher Elemente auf die Gedankenwelt
mafsen zuverläffige Grundlage für die Befchäftigung mit ] der Gefammtheit der griechifchen Kirchenväter noch viel-
ihm geliefert hat. feitiger geworden wäre. Auch hätte ftärker, als es ge-

Im Anhang find vier unechte Gedichte, nach der Hand- fchehen ift, bei Gregor die peffimiftifch fchwermüthige
fchrift neu recenfirt, abgedruckt. Den Schlufs des Bandes Stimmung und die asketifche Richtung die neben der
bilden die indices zu den Briefen und Gedichten, als deren künftlerifch lebensfreudigen Weltbetrachtung und der
Verfertiger wir nach p.XXXXII wohl einen Herrn C.Weiln- optimiftifchcn Ethik hergeht und diefe kreuzt, hervor-
böck anzufehen haben. Nach welchen Prinzipien bei der , gehoben werden müffen. Der Verfaffer hat fich jeden-
Auswahl verfahren worden ift, habe ich nicht ergründen falls mit feiner Arbeit den Dank aller auf dem Gebiete
können. Vieles macht den Eindruck, als habe der der alten Kirchengefchichte Arbeitenden in hohem
Zufall über die Aufnahme entfchieden. Das würde man Maafse verdient.

noch eher hingehen laffen Aber der index uerborum et Heidelberg. Grützmacher
locutionum ift im höchften Grade lückenhaft. So fehlt —

nach einer Stichprobe, die ich angeftellt habe — unter 1
aestuans c. XXIV, 636, alumnus c. XXIV, 670, decoctus Krumbacher, Karl, Ein Dithyrambus auf den Chronisten
XXIV, 619, de/aecatus XXIV, 861, erile XXIV, 940; ; Theophanes. [Aus: Sitzungsberichte d. philof.-philol u
XXVII, 1flatusXVII, 35- 37, intonareXXIV, 904, nautta d hift a ff d> fc München'
XXIV, 346 u.a. Sorgfältiger Rheinen die Indices der Citate „ lrl t l L ^runcnen,

und der Eigennamen zu fein, obgleich es auch bei letzterem [G. Franz], 1897. (46 S. m. 1 L.chtdr.)
nicht an Verwechfelungen fehlt. Die vorftehend genannte neuefte Schrift Krum-

Darmftadt Erwin Preufchen. | mufs als ein fehr lehrreicher, weil tiefere Er-

uarmitaar. kenntnifs der Eigenart einer einft von den Byzantinern

-- eifrig gepflegten Darftellungsform, des theologifchen

Reiche, Dr. Armin, Die künstlerischen Elemente in der Welt- Enkomions, vermittelnder Beitrag bezeichnet werden,
unri LphPns-Ansrh'auuna des Greqor von Nyssa. Ein Beitrag Kaum irgend welchen religiöfen Perfönlichkeiten des
und Lebens-Anscnauung aesureyur ' » ö griechifchen Mittelalters hat fich die Theilnahme und der

zur Philosoph,e der Patnft.k. Jena, O. Raffmann^ 1897. , |jfer theologifcher Schriftfteller mit fo liebevoller Sorgl
(6b S. gr. 8.) m- I falt zugewandt, wie den Führern, Kämpfern und Märty-

Der Verfaffer verfucht unter den bedeutenden 1 rem im Bilderftreit. Das bezeugen die Lebensbefchrei-
griechifchen Einflüffen auf das Chriftentum die künftle- : bungen des grofsen Abtes Theodoros von Studium, die
rifchen Elemente der griechifchen Weltanfchauung bei von feinem Zeitgenoffen, dem Mönch Michael verfafste
dem in diefer Beziehung charakteriftifchen Gregor von ; und die wahrfcheinlich von Theodoros Daphnopates im
Nyffa aufzuzeigen. Gregor fieht wie Plato das Schöne Anfange des 10. Jahrhunderts gefchriebene; mehr aber
nicht in der äufseren finnlichen Erfcheinung, fondern in noch die des durch feine werthvolle Chronik bekannten
dem Begriff, der Idee. Echt griechifch führt er das Ur- j Theophanes Confeffor, welchem von den feine Stand-
fchöne auf das Urgute zurück und identificirt es mit der J haftigkeit und feinen Bekennermuth gegenüber dem Kaiser
Gottheit. Das höchfte Ziel des Menfchen befteht für j Leo V. dem Armenier (813—820) bewundernden Zeit-
ihn in der Wefensgemeinfchaft mit dem Einzig Schönen ; genoffen wie der dankbaren Nachwelt vielleicht das
und Guten und dies erreicht der Menfch durch die , gröfste Lob in Profa und Verfen gefpendet worden ift.
geiftige Anfchauung, das ,Gott fchauen'. Als Chrift gilt | Freilich find die lobfprudelnden Erzeugniffe diefes Schrift-