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Ausgabe:

1897

Spalte:

289-295

Autor/Hrsg.:

Tiele, C. P.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Religion im Altertum bis auf Alexander den Grossen 1897

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgeben von D. Ad. Harnack, Prof. zu Berlin, und D. E. Schürer, Prof. zu Göttingen.

ö K Preis
Erfcheint . . . c Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 18 Mark,

alle 14 Tage. Leipzig.

N°= 11. 29. Mai 1897. 22. Jahrgang.

Tiele, Gefchichte der Religion im Alterthum,

l. Bd. 2. Hälfte (Baudiffln).
Brooke and McLean, The Book of Judges

in Greek according to the text of Codex Ale-

xandrinus (Neftle).
Paul, Die Vorftellungen vom Meffias und vom

Gottesreich bei den Synoptikern (Bouffet).
Weingarten, Zeittafeln und Ueberblicke zur

Kirchengefcbichte, 5. Aufl. von Arnold

(Deutfch).

Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum
vol. XXX: Paulini Nolani opera Pars II
ed. Härtel (Preufchen).
Reiche, Die künftlerifchen Elemente in der
Welt- und Lebens-Anfchauung des Gregor von
Nyfla (Grützmacher).
Krumbacher, Ein Dithyrambus auf den Chro-
niften Theophanes (Dräfeke).
ViVlet Die paläflinifchen Märtyrer des Eufe- I Corpus documentorum inquisitionis haereticae
bius 'von Caefarea [= Texte und Unter- | pravitatis Neerlandicae, 2. deel, stukken tot

fuchungen von Gebhardt und Harnack XIV, 4] aanvulling van het eerste deel 1077_1C18

(Preufchen). (Karl Müller).

Paulus, Luthers Lebensende und der Eislebener
Apotheker Johann Landau (Cohrs).

Geyer, Die Nördlinger evangelifchen Kirchenordnungen
des XVI. Jahrhunderts (Cohrs).

Hülfsmittel zum evangelifchen Religionsunterricht
herausg. von Evers und Fauth, 2., 3.
u. 8. Heft (Fay).

Koetsveld, Kinderpredigten, 2. Bd. (Bafler-
mann).

Tiele, C. P., Geschichte der Religion im Altertum bis auf für die Religionsgefchichte nicht die Bedeutung haben
Alexander den Grossen. Deutsche autoris. Ausg. von j könnten, die man ihnen oft beilegt. Bei der ,vorjahwifti-
G. Gehrich. 1. Bd. Z.Hälfte: Geschichte der Reil- | £hen RchS{°n de" Israel'ten' kommt Tiele auf diefe

gion in Vorderasien. Bibliographische Anmerkungen.
Gotha, F.A.Perthes, 1896. (XX,S.2I7—446 gr. 8.) M.4.-

Fragen zurück und verhält fich hier weniger ablehnend.
Was S. 295 f. über das Verhältnifs ,animiftifcher' Religion
zu polytheiftifcher gefagt wird, dafs nämlich ,animiftifche

Die erfte Hälfte des Bandes ift in diefer Zeitung | Religionen thatfächlich polytheiftifch find', und dafs
von einem andern Referenten befprochen worden (1896, ! dles von der Religion der vormofaifchen Hebräer gelten
C. 65 ff). Ohne dafs ich mir ein Urtheil über die Einzel- 1 wird, fcheint mir, wenn man nun einmal die althebräifche
heiten jener Hälfte erlauben könnte, glaube ich doch j Religion Animismus nennen will, nicht unrichtig. Das
ausfprechen zu dürfen, dafs die in der zweiten gegebene i S. 297 Ausgeführte ift damit nur auf den erften Blick
Darfteilung der Religion in Vorderafien entfchiedene j "icnt ganz übereinftimmend. Mit dem .Polytheismus,
Vorzüge befitzt von derjenigen der babylonifch-affyri- < welcher bei den Israeliten, wie jeder fieht, wirklich be-
fchen Religion dort. Es ift das bedingt durch die Be- fanden hat' und den ,(ie von Anderen übernommen
fchaffenheit des Materials, fo wie es uns heute noch : haben', meint der Vf. den der hiftorifchen Zeit und lieht
vorliegt und durch die Art der Vorarbeiten auf beiden ' darin einen nothwendigen Uebergang von althebräifchem
Gebieten Allerdings wird bei dem alljährlich fich j .Animismus' zum Monotheismus. Uebrigens ift fehr fchwer
mehrenden Reichthum der Funde für die Kenntnifs der z" entfcheiden, inwieweit die Israeliten jenen ,Polytheis-
babylonifchen und affyrifchen Religion der Zeitpunkt ' nius' nur von Andern übernommen oder darin die Er-
wohl nicht allzu fern liegen, wo es leichter fein wird, j mnerungen einer eigenen polytheiftifchen Vorzeit bewahrt
eine Darfteilung diefer zu geben als der Religion in , haben. Der Vf. würde, wie mir fcheint, nach S. 296 in
Vorderafien, und da die Documente, welche dort zu be- | feinem eigenen Sinne richtiger und deutlicher lediglich
nützen find, weit auseinander liegenden Zeiten angehören, von verschiedenen Entw.ckelungsphafen des Polytheis-
fo mag es doch vielleicht noch einmal ausführbar werden, 1 mus; reden. Mit Polytheismus' im fpec.fifchen Sinne
eine Gefchichte der babylonifch-affyrifchen Religion zu meint: er, wenn ich recht verliehe, die Vorftellung einer
fchreiben Mehrheit menfehenartig gedachter Götter. Gewifs ift

In der zweiten Hälfte des Bandes hat der Vf. wohl- Jefe da Uebergangsftadium von jener Auffaffung, welche
berechtigt auf eine gefchichtliche Darfteilung verzichtet, , Go"er als lhAere> auch als andere belebte oder be-
abgefehen von den im Lichte der hiftorifchen Zeit fich | feehe: Eaturgegenftande oder als von folchen Objecten
vollziehenden Berührungen der aufserifraelitifchen Reil- ! unabhängige Geifter denkt, zum Monotheismus,
gionen mit der altteftamentlichen. Im allgemeinen giebt i Wer fich mit den Quellen für den hier bearbeiteten
er nur einen Durchfchnitt des uns vorliegenden Materials i I heil der alten Religionen befchäftigt hat, weifs, wie
(S 223 f) Mit energifcher Zurückhaltung verzichtet er, ; fchwierig es ift, aus dem Gewirre ihrer Menge und ihrer
ab.'efehen von wenigen zum Verftändnifs feiner Meinung zugleich beftehenden Dürftigkeit heraus ein anfehauliches

unerläfslich gefundenen Andeutungen, auf jeden Verfuch,
durch Hypothefen die Entftehung der für uns allein
erkennbaren Entwickelungsfchicht zu erklaren. Wie
über den Totemismus als Grundlage der phonicilchen
und kanaanäifchen Götter, fo auch über die Anfchauung

Bild deffen, worüber fie berichten, zu geftalten. Ueber die
Auswahl aus dem weiten Stoff kann man abweichender
Anfchauung fein; aber was der Vf. in diefem Theile
feines Werkes zu geben für gut fand, wüfste ich in über-
fichtheher Form kaum anderswo fo treffend gefagt und

von ihrer Entftehung aus Ahnencultus erklärt er (S. 284) Halte die von ihm einem weitern Leferkreis gebotene
mit Recht dafs .überzeugende hiftorifche Beweife' dafür | Unentirung für fehr nützlich und dankenswerth. Er be-
nicht geliefert werden können. Er weifs fehr wohl, dafs | fitzt die fchon längft, namentlich in feinem vortrefflichen
diefe Hypothefen immerhin ihren Ausgangspunkt in ge- Compendium der Religionsgefchichte, bekundete Gabe,
fchichtlich Wirklichem haben. Aber es handelt fich da- aus dem bunten Mancherlei einiges als das den Mittel-
bei, wenn ich recht fehe, hier und anderswo um eine punkt Bildende herauszuheben und in wohlgeglätteter
Form des Glaubens oder der Weltanfchauung, von I Form zum Ausdruck zu bringen. Ebenfo findet fein
welcher das eigentliche religiöfe Leben mehr oder minder j hebenswürdiges, leife ablehnendes, häufiger verfchweigen-
zu allen Zeiten verfchieden gewefen fein wird, fo dafs | des Verfahren eine Bahn durch das zuweilen noch gröfsere
dann jene Conftructionen, auch wenn fie ficher wären, Durcheinander der Meinungen auf Seiten der Religions-

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