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Ausgabe:

1897 Nr. 10

Spalte:

274-277

Autor/Hrsg.:

Beyschlag, Willibald

Titel/Untertitel:

Neutestamentliche Theologie 1897

Rezensent:

Lobstein, Paul

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273 Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 10. 274

Die Ausgabe ift auf 250 Exemplare befchränkt. Mit
derfelben tritt Dublin an die Seite von Oxford und
Cambridge. Das ift um fo erfreulicher, als dort feit den
Tagen von Dudley Loftus (f. Th. L.-Z. 1877 Sp. 78) und
Ussher für die fyrifchen biblifchen Studien nicht eben
viel gefchehen war. Die in einer Dubliner Handfchrift
gefundene fyrifche Ueberfetzung vonKalllah undDimnah
z. B. hat W. Wright, der von 1857—61 dort Profeffor
war, erft von Cambridge aus herausgegeben, die Oxforder
Clarendon-Preffe hat fie ihm gedruckt, der Londoner
Trübner verlegt. Möge das Verfäumte um fo
energifcher hereingeholt werden. Den Lefern diefer
Zeitung ist der Name des Herausgebers fchon mehrfach
begegnet (1887,6; 1888,21: Bruchstücke der capita Hippolyte
adversus Caium; 1889,21). Ueber das Werk, das
er hier vorlegt, hat er eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht
in Bd. 30 der Transactions der R. Irish
Academy {Part. X Dec. 1893: On a Syriac MS of the
N. T. belonging to the Earl of Crawford and Balcarres,
and on an inedited version of the Apocalypse contamcd
thcrcin). Was die neue Ausgabe enthält, befagt ihr aus-
lührlicher Titel: eine bisher unbekannte fyrifche Ueberfetzung
der Apokalypfe. Das Buch gehört ja nicht zum
Kanon der fyrifchen Kirche; fo find Handfchriften der
fyrifchen Apokalyfe fehr feiten; erft 1627 wurde von de
Dieu ein fyrifcher Text diefes Buches veröffentlicht, der
feither im Apparat desN.T.'s figuriert; diefeUeberfetzung
zeigte an einzelnen Stellen merkwürdige Mifsverftändnifse;
das feltfamfte war wohl ,der Adler mit dem blutigen
Schwänze' (8,13 Iv iteani oai iJuuTi = eviieotp oipctv uiuati).
Nun fand Gwynn in einer der reichen Privatbibliotheken,
um welche wir Deutfche Grofsbritannien beneiden mögen,
eine Handfchrift, die eine andere Ueberfetzung der Apk.
enthält, und fchon in jener Abhandlung und noch genauer
in der Einleitung diefer Ausgabe zeigt er, dafs die von
ihm gefundene Ueberfetzung ein Teil der echten Philo-
xeniana ift, d. h. derjenigen Ueberfetzung, welche der
Landbifchof Polykarp im Jahr 508 für Philoxenus von
Mabug veranftaltete, die von de Dieu 1627 herausgegebene
und feither in die Ausgaben des fyrifchen N. T.'s aufgenommene
allem nach die Revifion derfelben, welche
Thomas von Heraklea im Jahr 616 vornahm, um fie
noch mehr dem griechifchen Text feiner Zeit anzunähern.
Die Handfchrift, der Gw. feinen Text entnahm, ift kurz
vor 1194 im Tur-abdin (Gebirg der Mönche) gefchrieben
worden; auf S. 1—29 ift der Text fo getreu als möglich
den Linien und Columnen der Handfchrift entfprechend
wiedergegeben. Es wäre fehr zu wünfchen, dafs derfelbe
künftig ftatt der bisherigen in diejenigen Ausgaben des
fyrifchen N. T.'s, z. B. in die New-Yorker, aufgenommen
würde, welche die deuterokanonifchen Beftandtheile nicht
meinen entbehren zu können. Ein prächtiges Fakfimile
erfreut den Philologen; dagegen kann jeder Theologe
die Einleitung ftudieren, in welcher der griechische Text
aufs genaufte unterfucht wird, der diefer Ueberfetzung
zu Grunde liegt. In mehr als 30 Spalten find die von
S. vertretenen Lesarten mit ihren wichtigften fonftigen
Zeugen und — was befonders bequem — die ,counter
readings1 mit deren Zeugen einander gegenübergeftellt,
dann 215 Lesarten, in welchen S. nicht front the MSS,
bat otüy from niss' oder dem Lateiner unterstützt wird.
Ref. weifs nicht, ob diefe bequeme Unterfcheidung
zwifchen MSS d. h. Uncialen und mss d. h. Minuskeln
allgemein bekannt ift, darum fei ausdrücklich darauf hin-
gewiefen; mit 27 (untergeordneten) Lesarten flehen die
beiden Syrer ganz allein. Mit englifcher Geduld wird
berechnet, wie fich der neue Zeuge zu den alten ftellt;
unter 518 Fällen geht er mit Q (= B) 218 mal, mit P 285,
mit A 290, mit tt 330, mit C 198, aufs Ganze berechnet
310 mal. Dann kommen die quaternary, te'rnary, binary
Uebereinftimmungen, in Singular und subsingular readings
u.s. w., U.S.W.; ebenfo das Verhältnifs zu den lateinifchen
Verfionen. Der Unterzeichnete kann diefer ganzen Methode
der Textkritik keinen grofsen W«rth beilegen.
Der neue Sirachfund zeigt unwiderleglich, dafs wenigstens
für dies Buch unfre grofsen Uncialen auf eine einzige
Unglückshandfchrift zurückgehen und dafs eine Minuskel
des 14. Jahrhunderts einen weitaus beffern Text bietet.
Natürlich hat jedes einzelne Buch und jede Gruppe von
Büchern wieder eine befondere Gefchichte; trotzdem wird
das Beifpiel des Sirach auch beim N. T. warnen auf die
Uebereinftimmung diefer oder irgendwelcher andern
Handfchriften zu viel Werth zu legen. Aber nochmals fei
anerkannt, wie bequem es der Herausgeber dem künftigen
Textkritiker der Apk. mit diefer Zufammenftellung und
damit gemacht hat, dafs er daneben noch den ganzen
von S. vorausgefetzten griechifchen Text aufs genaufte
hergeftellt und zum Abdruck gebracht hat. Welche
Freude hätte Bengel an diefem Text gehabt! Um ein
paar berühmte Stellen zu nennen: 21,e hat S. yeyovuv
mit A 38 (für yeyove ift bei Tifchendorf ,10? 17?' und
das Fragezeichen hinter 41 zu ftreichen, und 94 als Vertreter
von yeyove zu ergänzen), 22,u uoiovvreq Tag; evzoXaq
avtov mit Q g etc., 8,13 aezov, was mir, beiläufig bemerkt,
ganz falfch fcheint, trotzdem es von allen modernen
Kritikern dem ayyelov vorgezogen wird, 13,18 ihlry/.ovva
mit den meiften gegen dexa; 14,20 dtaxooicm> mit S 26
ftatt eSgay.oouov. In den Supplementary notes to Greek
text trägt der Herausgeber zu 18,17 die Conjektur tiovtov
ftatt Toaov nach, die ich ihm zu S. 417 feiner oben angeführten
Abhandlung mitgetheilt hatte und bemerkt,
dafs fie von Primafius geftützt werde 'omnis super mare
navigans); träfe fie zu, wäre fie um fo intereffanter, als
novxoq im ganzen N. T. nirgends, im A. T. nur Ex. 15.5
vorkommt, daneben novtößooyoq (3 Mc. 6,4) und novxn-
noQstv (Pr. 24,54).

Noch eine Kleinigkeit mufs der Unterzeichnete
rühmend hervorheben, dafs die Dubliner Univerfitäts-
preffe die Mode nicht mitmacht, auf den Titeln die
Unterfcheidungszeichen wegzulaffen; hinter edited oder
hinter B th arres ift fogar eines (oder beide) zu viel. Wenn
diefe Preffe noch einen weitern Schritt thäte und alle
andern ihr folgten: nämlich mit dem Syftem der gleich
grofsen Verfalien auf den Titeln zu brechen, fo wäre
dem Bibliographen manche Ungewifsheit erfpart. Warum
foll man nicht auch auf den Titeln diejenigen Wörter,
die man fonft im Leben grofsgefchrieben wiffen will,
durch einen etwas gröfsern Anfangsbuchftaben auszeichnen
? Wie foll z. B. bei obigem Titel gefchrieben
werden: Version, Library, Earl, Critical, Notes, Text,
Rcconstruction, Introductory, Dissertation oder version,
library, earl etct — Simplex sigillum vcritatis.

Ulm. Ed. Neftle.

Beyschlag, Prof. D. Willib., Neutestamentliche Theologie

oder gefchichtliche Darftellung der Lehren Jefu und
des Urchriftenthums nach den neuteftamentlichen
Quellen. 2. Aufl. 2 Bde. Halle, E. Strien (XXIII,
426 u. VIII, 552 S. gr. 8.) M. 18.—

Der rafche Verbrauch der am Schluffe des Jahres
1891 erfchienenen erften Auflage der Neutestamentlichen
Theologie Beyfchlag's, der grofse Erfolg, den das Buch
auch in den Kreifen der franzöfifch und englifch redenden
Theologen gefunden hat, wird felbft von folchen mit
Freuden begrüfst werden, die in wefentlichen Punkten
von den Refultaten des Verf. abweichen und durch feine
glänzende Darftellungsweile und feine beftechende Dia-
lectik nicht allenthalben überzeugt worden find. Den
verzweifelten Repriftinationsverfuchen einer unlebendigen
theologjfchen Scholaftik wird diefes Werk durch feine
zugleich freie und pietätvolle Haltung kräftig und erfolg
reich Widerftand leiften, und es ift auf der andern Seite
auch treffend dazu geeignet, einem voreiligen Hypothefen-
fchwindel Einhalt zu gebieten und vor Ueberftürzung

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