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Ausgabe:

1897 Nr. 9

Spalte:

241-243

Autor/Hrsg.:

Klöpper, Alb.

Titel/Untertitel:

Der Brief des Apostels Paulus an die Philipper 1897

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 9.

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herausheben — eine Unterfuchung, welche mit der lite-
rarifchen zufammengehn und -ftimmen follte. Diefer
Arbeit ftehn allerdings Schwierigkeiten unangenehmfter
Art entgegen, da in vielen Fällen ein Entfeheid unmöglich
ift; aber doch wäre dies der einzige Weg, um in
diefer Frage zu einem Refultate zu kommen. Dafs Stücke
wie z. B. cap. 54 urfprünglich hebräifch verfafst waren,
fteht mir für meine Perfon feft.

Hr. Ch. hat diefe und andere intereffante Fragen
über die merkwürdige Apokalypfe von Neuem energifch
in Flufs gebracht, theilweife auch erftmalig angeregt;
darin beruht m. E. der Hauptwerth des Buches.

Göttingen. F. Schulthefs.

Klöpper, Prof. D. Alb., Der Brief des Apostels Paulus an
die Philipper erläutert, Gotha, F. A. Perthes, 1893.
(VIII, 256 S. gr. 8.) M. 4.50

Zu feiner Erklärung des 2. Korintherbriefes (1874),
des Kolofferbriefes (1882) und des Epheferbriefes (1891)
fügte der Verfaffer in fehr dankenswerther Weife im
Jahre 1893 (dem Referenten zugegangen im Jahre 1895)
den obengenannten Commentar zum Philipperbriefe
hinzu, deffen Abfaffung nicht blos durch das Verfprechen !
Kl.'s (1882), die kleineren Paulinen exegetifch-kritifch be- I
arbeiten zu wollen, fondern auch durch .individuelle

Neigung--gerade zu diefem Erzeugnifs der Paulin.

Theologie' (p. VII) veranlafst wurde. Diefe Vorliebe ift
auch der tüchtigen Arbeit des Verf. zu gut gekommen.

In der forgfältig gearbeiteten Einleitung (S. I—30) ;
wird nach einander von der Gemeinde zu Phil., von I
Paulus in Rom, endlich von dem Gedankengang, der
Integrität und Echtheit des Briefes gehandelt. Wir wüfsten
kaum etwas den Ausführungen zuzufügen oder ent-
gegenzufetzen und fühlen uns insbefondere, auch ohne hier j
der Ehre einer namentlichen Nennung gewürdigt worden
zu fein, mit der entfehiedenen Vertheidigung der Echtheit
des Br. ganz einverftanden. Einzelnes bezüglich
der Authentie-Frage wird noch bei Prüfung der Exegefe
des Verf. an den entfeheidenden Stellen, fo namentlich
in der berühmten chriftologifchen Ausführung im
2. Cap., zur Sprache kommen muffen.

Die .Erklärung' Kl.'s ift bekanntlich eine lexicalifch
und grammatifch gut gefchulte, gründlich eingehende
und auf die Klarltellung der paulin. Begriffe und Gedankengänge
wohl bedachte; und im Ganzen ift es ihr
auch gelungen, durch forgfältige Exegefe der umftrittenen
Stellen die daraus gegen die Echtheit des Br. erhobenen
Bedenken zum Schweigen zu bringen. Bemerkt fei noch,
dafs auch diesmal der Text des Buches fich auf eine zu-
fammenhängende Erläuterung der einzelnen Vers-
Abfchnitte befchränkt, während alles Lexicalifche,
Grammatifche und Stiliffifche fachgemäfs in die Anmerkungen
unterdemT. (denen ein etwas gröfserer Druck
zu wünfehen wäre) verwiefen ift. Doch wäre für diefe
ein weniger breites Eingehen auf zu viele, z. Th. ganz
bekannte Grammaticalia u. f. w. und vor allem der Verzicht
auf eine Anhäufung aller möglichen Parallelftellen
aus der biblifchen und der Profan-Gräcität (vgl. z. B. nur
y- 4L 5b 57, 62, 67, 75, 89 f., 100 f. u. ö.) am Platze
gewefen.

Unfer anerkennendes Urtheil über Kl.'s Auslegung
fchliefst aber nicht aus, dafs wir des Oeftern energifche
Einfprache erheben müffen. So befonders bei der chriftologifchen
Stelle 2, 5 ff., zu der des Ref. Studie v. J.
1884 doch wohl Erwähnung verdient hätte. Mit Recht weift
KL, wie fchon P. W.Schmidt und befonders auch der
Ref. (a. a. O. S. 64—79 darauf hin (S. 135—140), dafs
die Meinung (Holften, z. Th. auch Holtzmann u. a.), der
,ächte' Paulus habe fich — im Unterfchied von Phil.

cp. 2 — den vorzeitlichen Chriftus---als von Gott

gefchaffenen himmlifchen Idealmenfchen vorgeftellt, unhaltbar
, die Anfchauung vom präexiftenten Chriftus als
einem übermenfehlichen Himmelswefen die durchgängig
paulinifche, ein chriftologifcher Unterfchied zwifchen Rom.,
Gab, I. und II. Korinther einer-, Phil. Br. andererfeits nicht
vorhanden, und alfo der Stelle Phil. 2 kein Bedenkens-
Moment gegen die Echtheit unferes Br. zu entnehmen fei.
Aber, abgefehen von diefer richtigen Einficht, ftellt fich
die Kl.'fche Exegefe der Stelle als u. E. gänzlich verfehlt
dar. Er erneuert nämlich die fprachlich unhaltbare
, gedankenmäfsig unvollziehbare, ja gnofticierende
Erklärung, dass .Chriftus, da er in Gottes-Er-
fcheinungsform exiftirte, nicht dafür gehalten habe,
fich die gottgleiche Exiftenz auf dem Wege eines
Raubens (?!) anzueignen' (S. 123). Diefe Auslegung
fcheitert, von allem Anderen abgefehen, fchon an der Unmöglichkeit
, einen inhaltlich fafsbaren Unterfchied zwifchen
,iv fioQcpfj &e°v vtcuqxiov' und ,xö elvai l'aa Oxw'
und das ,'hlöhere' des letzteren terminus nachzuweifen.
Denn, wenn gefagt wird, der iv it. r>. präexiftirende
,Chriftus Jefus' habe noch nicht ,zur Rechten Gottes ge-
feffen' und fei auch für die fämmtlichen Lebewefen
noch .verborgen und unbekannt' gewefen (S. 124), fo ift
das Erftere eine willkürliche Behauptung, während das
Zweite nur einen modalen, aber keinen inhaltlichen
Unterfchied ergiebt. Auch ift es — wenn man nicht die
Pfade des Gnofticismus wandeln will — u. E. finnlos, dem
präexiftenten Chriftus ein auch nur mögliches cpQort'iv
,des unvermittelten Anfichreifsens eines ihn Gott gleicn
Hellenden Namens und göttl. Verehrung' (S. 124), wodurch
er ,Gott etwas von feiner Fülle entzogen hätte'
fS. 125), zuzufchreiben; denn diefes opgoveTv hätte ihn ja gar
nicht aus feiner Verborgenheit herausgeführt, noch ihm
etwas bei den Lebewefen eingetragen. Und für einen folchen
Verzicht auf einen gottwidrigen Gewaltakt (liguayfing)
des Präexiftenten nun gar noch eine — vnsgvxpwaiq des
Poftexiftenten! Aus allen diefen Schwierigkeiten führt
nur eine Erklärung heraus, wie wir fie a. a. O. S. 16 ff.
vorgetragen und bis jetzt nirgends widerlegt gefunden
haben. [Das einheitliche meffianifche Heilswefen Chr.
Jef. exiftirte z u e r ft im habitus divinus (ev fin. &. = l'aa t.
und nahm dann, beim Uebergang in die irdifche VVelt,
den habitus humanus an. Bei diefem Uebergang
(aor. rjyrjaaxo) gedachte Chr. J. nicht, feine Stellung ,Yoa
reo ,'}£<[)' unter den Gefichtspunkt des Raubens zu ftellen,
d. i. fich dadurch Königswürde und Machtftellung ä la
Mtth. 4, 8 f. gewaltfam anzueignen, fondern gab er im
Gegentheil feine bisherige bevorzugte, himml. Stellung
sv fi. = l'aa r. ft. felbftverleugnend auf.]

Auch nicht einverftanden ift Ref. mit Kl.'s Erläuterung
von 3, Ii (sintoq v.axavxrfito slq xiv sSaväcitaaiv
zrtv ix vixgon). Wenn PI. dort auf Grund der Glaubensgerechtigkeit
Chriftum und die Kraft feiner Auferftehung
u. f. w. erkennen möchte (mit der Abzielung darauf),
,ob ich (fo) etwa gelange zur Auferftehung v. d. T', fo
kann er unmöglich (gegen Kl. S. 20off.) die Antheil-
gewinnung an der (inhaltlich indifferenten und allen
Menfchen an fich vorbehaltenen) allgemeinen T. A.
gemeint haben. Vielmehr mufs das Wort (vgl. unfere
Ausführung a. a. O. S. 54 ff.) iq~araaxa6tq hier, was fich
auch durch Phil. 1, 23 (vgl. Kl. S. 84 f.) und 1. Kor. 15,
23 nahelegt, in dem fpeeififchen Sinne der f. g. (erften)
Auferftehung der Gerechten oder der um des Wortes
Chrifti Willen in den Tod gegangenen und zu ihrem Herrn
in den Himmel entrückten ,Heiligen' verftanden werden.
Noch einige andere Stellen, an denen dem Ref. der exe-
getifche Thatbeftand nicht richtig oder doch nicht genau
genug erhoben zu fein fcheint, müffen des gefleckten Raums
wegen unberückfichtigt bleiben. Von kleineren Ver-
ftöfsen ift Ref. die Behauptung (S. 88) aufgefallen, v.av-
ytptq bezeichne im N. T. ftets den Gegenftand,
y.avyijua den Akt des Rühmens. Das Umgekehrte ift
richtig. Nicht paulinifch, fondern Gnofticismus ift die
Thefe (S. 137), dafs ,dervom Himmel flammende Menfclv

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