Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1897 Nr. 9

Spalte:

238-241

Autor/Hrsg.:

Charles, R. H.

Titel/Untertitel:

The apocalypse of Baruch, translated from the Syriac, chapters I. - LXXVII. from the sixth cent. ms. in the Ambrosian library of Milan and chapters LXXVIII. - LXXXVII. - the epistle of Baruch from

Rezensent:

Schulthess, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

237

Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 9.

238

bekehrte [tiano 11)101), weshalb auch bemerkt wird, dafs
fie (ich an einen oder mehrere 7igtaßvitgoi anfchliefsen
[irygäxpavTig taviwv xa ovniiaxu mgl 7rgioßvxegov u. f. w),
augenfcheinlich zum Zweck der tieferen Unterweifung.
Die Formel oeßbitevoi Irebv iipiaxov hat aber in der
Sprache der griechifchen Cultvereine keine Parallele
und erinnert uns in der auffälligften Weife an die osßo-
fiivot Irtöv der Apoftelgefchichte und des Jofephus. Nach
alledem wird die Annahme berechtigt fein, dafs wir es
hier mit einer Frucht der jüdifchen Propaganda zu thun
haben. Diefe Verehrer des höchften Gottes in Tanais
find zwar keineswegs identifch mit den asßöftevoi der
Apoftelgefchichte, denn fie bildeten nicht einen Anhang
zur jüdifchen Gemeinde, fondern felbftändige griechifche
Cultvereine. Aber fie haben von ihren jüdifchen Lehr-
meiftern die Verehrung des einen höchften Gottes gelernt,
den fie freilich ihrerseits wieder mit dem griechifchen
Zeus identificirten. Hier wie anderwärts laufen in der
Religionsgefchichte jener Zeit verfchiedene Linien zu-
fammen. Die Nationen des römifchen Weltreiches taufch-
ten nicht nur ihre Götter gegen einander aus, fondern
diefe verfchmolzen auch miteinander, indem unter dem
Einflufs der griechifchen Philofophie und der orientalifchen
Religionen der monotheiftifche Zug erftarkte. Den kräf-
tigften Einfchlag hierbei hat aber das Judenthum geliefert.

Eine wichtige Parallele zu den Cultvereinen von
Tanais aus fpäterer Zeit find die Hypfiftarier der Kirchenväter
in ihren verfchiedenen Schattirungen. Der
Vater des Gregor von Nazianz gehörte vor feiner Bekehrung
zum Chriftenthum einer religiöfen Gemeinfchaft
an, welche ' Yipiaxägioi genannt wurden. Es find gewifs
diefelben, welche Gregor von Nyffa ^Yxpiaxiavnl nennt.
Verwandte Erfcheinungen waren höchft wahrscheinlich die
Evqrqftttai oder Maaaahtarol des Epiphanius und die
Oeooeßslg des Cyrillus von Alexandria. Alle diefe
Bildungen waren Mischungen von Jüdifchem und Heid-
nifchem mit ftarker Verblaffung von Beidem.

Indem ich hiermit über den Inhalt meines Auffatzes
kurz referirt habe, darf ich die Gelegenheit benützen,
um einige Nachträge mitzutheilen, welche ich der Güte
hervorragender Fachmänner verdanke.

Ed. Zeller fchreibt mir: "Ytpioxog ohne weiteren Bei-
fatz findet fich als Bezeichnung des höchften Gottes in
der profanen Gräcität (beffere Belehrung vorbehalten)
zuerft in dem Auszug aus einer in die Anfänge der neu-
pythagoreifchen Schule hinaufreichenden Schrift, welchen
Diogenes Laert. VIII, 24 fr. aus Alexander Polyhiftor mittheilt
, g. 31 Möglich allerdings (wie ich fchon Phil. d.
Gr. III b, 91, 1 vgl. S. 76 bemerkt habe), dafs der Neu-
pythagoreer Alexanders diefe Bezeichnung von jüdifch-
helleniftifchen Schriften oder überhaupt dem jüdifch-helle-
niftifchen Sprachgebrauch entlehnt hat'.

Durch M. Fränkel, den Herausgeber der Infchriften
von Pergamon, bin ich theils direct, theils indirect (durch
Verweifung auf den von mir überfehenen Artikel,Hypfiftos'
in Rofcher's Lexikon der gr. und röm. Mythologie) auf
folgende YVeihe-Infchriften für den Ztvg viptaxog und
!>£og iunoxnq aufmerkfam gemacht worden, (wonach die
von mir S. 209—213 gegebenen Verzeichniffe zu ergänzen
find): t Zeig vxliiatog, zu Anchialos in Thracien
(Archäol.-epigr. Mittheilungen aus Oefterreich X, 1886,
S. 1731, Infel Thafos (Conze, Reife auf den Infein des
thrakifchen Meeres 186b, S. 90), Tempel des Zeus Pana-
maros bei Stratonicea in Karien [Bulletin de corresp.
hell. XII, 1888, p. 271). II. Gtbs vrpioxoq, zu Athen

1) Diog. Laert. VIII, 24: <l>nol 6' b kh'^avdgoq iv Tal? xwv
<fü.oo6<po)v öiadoyalq xal xavxa tvgnxtvai iv IIvSayoQixolq vno-
ij.vr)gaOLV. — Ibid. VIII, 31: ^ xbv d" ''Egßijv xafitav tiva xöjv tpvyu-v
xal 61a xovxo nounalov ?JysoS-at xal nvkalov xal y&övcov, Inn-
Srpttg oixoq iioniunsi anb xwv owudxwv xaq xpvydq dnö xs yrjq
xal ix &akäzxr)q- xal ayeofai xaq giv xa&agdq inl xov vy>ioxov,
xaq 6' dxa&dgxovq gt)x' Jxervatq Tiikdqeiv /j.-r}x' dkktjkaiq, deiofrai
b' iv dggijxxoiq beauolq in 'Egtviwv.

[Ancient gr. inscr. in the Brit. Mus. I. n. LXX, in das
Corp. Inscr. Att. nicht aufgenommen), Sinope [Bulletin
de corresp. hell. XIII, 1889, p. 304), Pergamon (Fränkel,
Infchr. von Pergamon n. 330, dafelbft n. 331 auch eine
beffere Copie der von mir mitgetheilten Infchr. aus Pergamon
), Sari-Tfam zwifchen Thyatira und Magnelia
(Bulletin XI, 1887, p. 84), Kos [Paton and Hicks, The
inscriptions of Cos 1891 n. 63), Nakoleia in Phrygien
[Journal of Hcllenic Studies V, 1884, p. 258), Golgos auf
Cypern, zwei Infchriften, (Bulletin XX, 1896, p. 361, 362),
Sammlung des Kanzlers Peketie in Beiruth, zwei Infchriften
(Bulletin III, 1879, p. 265 n. 20 u. 21).

Auf das chriftliche Material habe ich mit Abficht
verzichtet. Dagegen hätte wohl Hesychius (Lex. s. v.
gaiiug b vipioxog hrsög, vgl. Baudifiin, Studien zur femit.
Religionsgefch. I, 307) und Origenes contra Cels. V, 41
noch erwähnt werden können.

Göttingen. E. Schürer.

Charles, R. H., M. A., The apocalypse of Baruch, trans-
lated from the Syriac, chapters I.—LXXVII. from the
sixth cent. ms. in the Ambrosian library of Milan and
chapters LXXVI1I.—LXXXVII. — the epistle of Baruch
from a new and critical text based on ten mss.
and published herewith. Edited, with introduction,
notes, and indices by Ch. London, Adam and Charles
Black, 1896. (LXXXIV, 176 S. 8.) Geb. 7 s. 9 d.

Die Apokalypfe des Baruch, bis auf einige kleine
Fragmente (in der jüd. Literatur, den Paralip. Jerem. und
der griech.-flav. Baruchapok.) nur fyrifch erhalten, ift ur-
fprünglich hebräifch gefchrieben, früh ins Griechifche,
und von da ins Syrifche überfetzt. Mindeftens fünf oder
fechs felbftändige Verfaffer find in ihr nachzuweifen,
fämmtlich zwifchen c. 50 und 90 fchreibend, alfo Zeitge-
noffen der N.T1. Schriftfteller; darin beruht der Hauptwerth
der Schrift. — So der orientirende § 1, der alfo
bereits einige der Hauptrefultate der Unterfuchung mittheilt
. Die ff. §§ der Einleitung handeln von den übrigen
Baruchfchriften (§2), den fyr. Mff. (§3), der Literatur
§4), der griech. und hebr. Vorlage (§§ 5.6), der Com-
pofition des Buches (§ 7), dem verlorenen Brief an die
i2'/2 Stäm me (§ 8), dem Verhältnis zu 4> Efra (§ 9) und
zum N.T. (§ 10), endlich von der Bezeugung der Apok.
bei Juden und Chriften in der Zeit von 50 bis IOO. Die
folgende engl. Ueberfetzung ist von ausgiebigen Anmerkungen
begleitet, welche zum grofsen Theil das Material
zu den Einleitungs-§§ liefern, theilweife die dort aufge-
ftellten Thefen erläutern. Den Schlufs des Buches, capp.
78—87 (fchon in der Parifer Polyglotte und feither öfters
gedruckt) gibt uns der Verf. in einem auf Grund mehrerer
bisher noch nicht benutzten Hff. recenfirten Texte,
fyrifch und englifch.

Dafs unfer fyr. Text aus dem Griechifchen überfetzt
ift, gilt allgemein als ausgemacht. Nach Hr. Ch. läfst
fich aber auch für die ganze Schrift ein hebr. Urtext
erweifen; darüber gibt er in § 6 ausführlich Rechenfchaft.
Die Sicherheit, mit welcher er diefe Annahme vertheidigt,
ift verblüffend. Sehen wir zu. Zunächft verwerthet Verf.
einige Citate aus dem A.T., welche feiner Anficht nach
bis auf ein einziges mit dem Maforatext ftimmen, gegen
LXX. Dafs aber 6, 8 wirklich Jer. 22, 29, und 38, 2 wirklich
Qoh. 10, 10 citirt fei, wird bei genauerer Prüfung
ganz unwahrfcheinlich.1) 41, 4 foll die Phrafe ,fich unter
Gottes Flügel flüchten' aus dem mafor. Texte tp 36, 8
ur|d 57, 1 flammen, weil LXX hier abweichend ihni&tv
haben: Aber ,fliehen' ift einmal nicht das Aequiva-

lent für MOn (vgl. gerade diefe Stellen in der Pes.), und

l) Diefelbe Ungeniertheit in der Herbeifchaffung A.T1. Citate, wie
fie uns fchon in des Verfaffers äthiopifcher Ausgabe des B. der Jubiläen
begegnet ift.