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Ausgabe:

1897 Nr. 8

Spalte:

211-215

Autor/Hrsg.:

Cohn, Leopoldus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Vol. I 1897

Rezensent:

Heinrici, Carl Friedrich Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1897. Nr. 8.

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Die nicht aus den Jemenifchen Handfchriften flammenden
Stücke hat der Verfaffer durchweg felbft vokalifirt
und zwar die alten Dokumente und die jerufalemifchen
Targume im Anfchlufs an die Vokalifation der Jemenifchen
Handfchriften. Nur in den Proben des Galiläifchen
Dialektes find gewiffe Formen (fo Jlbüp?, tlbfip, r^bup
ftatt «ibfip, fiböp, nbüp) dem Konfonantentext entfpre-
chend anders vokalifirt. In allen diefen Fällen war natürlich
die Verwendung der tiberienfifchen Punktation
wohlberechtigt. Nur hätte ich gewünfcht, dafs fie nicht
bis zuletzt abfolut vollftändig beigefügt worden wäre.
Wenigflens bei den Midrafchproben hätte — etwa von
S. 21 ab — die Anleitung zum Lefen eines nur theil-
weife und fchliefslich ganz unvokalifirten Textes ein-
fetzen können.

Den Druck habe ich bei verfchiedenen Stichproben
ebenfo korrekt erfunden, wie den der Grammatik (S. 6,

z. 15 1. yrvp* oder jr^Jp für pm?.1; S. 17, Z. 16 1. anii

für affi); im Wörterbüch vermifst der Anfänger 2!"P,
auf welches doch unter ai verwiefen ift.

Halle a. S. E. Kautzfeh.

Philonis Alexandrini opera quae supersunt. Ediderunt
Leop. Cohn et Paulus Wendland. Vol. I. Berlin,
G. Reimer, 1896. (CXIV, 298 S. m. 1 Lichtdr.-Taf.
gr. 8.) M. 9.-

Neben die grofse textkritifche Ausgabe des Jofephus
von Niefe tritt jetzt ebenbürtig in würdigfter Ausftattung
die Ausgabe des Philo. Auch bei ihr hat die berliner
Akademie der Wiffenfchaften das Verdienft der Anregung
und Heranziehung der rechten Kräfte. Die von
ihr 1887 ausgefchriebene Preisarbeit, die eine kritifche
Herausgabe des Buchs von der Weltfchöpfung forderte,
fand in Leopold Cohn und Paul Wendland Bearbeiter,
die fich der fchwierigen Aufgabe gewachfen zeigten.
Beide Männer haben fodann in fteter Fühlung die in
Betracht kommenden Stoffe gefammelt und die Probleme
erwogen. Zahlreiche Veröffentlichungen, namentlich
Wendlands, gaben von den Fortfehritten Nachricht, bereicherten
das Material und nahmen Stellung zu einer
Reihe von kritifchen Fragen (vgl. Th. Ltztg. 1891 Nr.
19, 1892 Nr. 25. Philologus LI. 266 f. Phil. Abhandlungen,
Martin Hertz dargebracht 137 h Hermes 1896 S. 435—
457 u. a.). Jetzt liegt als ausgereifte Frucht der erfte
Band der Ausgabe felbft vor, der die ausführlichen, in
gutem Latein abgefafsten Prolegomena und, nach der aus
praktifchen Rückfichten beibehaltenen Folge der Mangey-
fchen Ausgabe, die Bücher von der Weltschöpfung, Legum
allegoriae III, De Cherubim, De sacrifieiis Abelis et Caini,
Quod deterius potiori insidiari soleat enthält. Zum
erften Male ift darin der Text in methodifcher Durcharbeitung
gerichtet und gefäubert, die kritifchen Belege
find beigegeben, die Parallelftellen aus der literarifchen
Ausnutzung des Philo find in noch nie erreichter Voll-
ftändigkeit vermerkt. So ift eine dem Forfchungsftande
entfprechende Grundlage für das Studium des jüdifch-
alexandrinifchen ,Kirchenvaters' gefchaffen, welche die
Theologie mit Freude und Dankbarkeit begrüfsen darf.

Eine folche fehlte bisher. Mangey(i742) war der erfte,
der fich um Handfchriften in weiterem Umfange und um
umfaffendere Sammlung der Fragmente bemühte. In
das Verwandtfchaftsverhältnifs der Handfchriften ift er
nicht eingedrungen. Dem vielfach verderbten Text, über
deffen Zuftand fchon Hieronymusklagt, wird ohne feften Plan
durch Conjecturen aufgeholfen, die zum gröfseren Theile
zweifelhaften Werthes find. Seitdem haben Aucher,
A. Mai, Tifchendorf, Pitra neue Philofchriften veröffentlicht
. Wie verwachfen und verfchwommen aber die
kritifchen Probleme blieben, beweift der Verfuch J. G.
Müller's, der in feiner commentirten Ausgabe des Buches
von der Weltfchöpfung (1841), vor den Thüren der gedruckten
Ausgaben flehen bleibend, fich um Grundfätze
für die Textbehandlung bemüht. Er hätte beffer gethan,
| fich nach Hieronymus zu richten: Verum tarn dissona
inter se exemplaria repperi et sie confusum ordinem, ut
tacere. melius judieaverim, quam reprehensione quid
dignum scribere.

Der Umficht der beiden zufammenarbeitenden Ge-
| lehrten ift es gelungen, diefes Dickicht zu lichten.

Cohn, der Herausgeber des erften Bandes, giebt über
! die Wege zu diefem Ziele lichtvoll und feffelnd Rechen-
| fchaft. Man folgt ihm mit um fo lebhafterer Theilnahmc,
| als er zugleich das urkundliche Material, foweit erforderlich
, zugänglich macht, das durch Ausnutzung bisher
überfehener Handfchriften und durch neue Funde bereichert
ift. Unter diefen dürfte die Papyrushandfchrift von
Quis rerum div. haer. und De sacrif. Abel, (fpäteftens
6. Jahrh.) der wichtigfte fein. Dazu find zum erften Male
i die Ueberfetzungen fowie die indirekte Ueberlieferung
j der Catenen und der Florilegien, befonders der jetzt in
| den Vordergrund des Intereffes gerückten Sacra par-
allela, herangezogen.

Die Durchmufterung der Handfchriften führt zu der
Annahme, dafs fie alle auf das Exemplar zurückgehen,
aus dem Origenes, der, wie Harnack mit Recht fagt,
den Philo zum Kirchenvater machte, den Alexandriner
ftudirt hat, auf die Papyrusrollen in der Bibliothek des
Pamphilos zu Caefarea, die dann, weil fie zerlefen waren,
auf Veranlaffung der Bifchöfe Acacius und Euzoius auf
Pergament umgefchrieben wurden. Diefe Notiz des
Hieronymus hat jetzt auch im Cod. Vindob. (V) ihre
handfchriftliche ßeftätigung gefunden. So find die
I Herausgeber, obwohl die älteften Texte, abgefehen
I von den ägyptifchen Papyri nicht über das 10. Jahrhundert
| hinausgehen, in die feiten günftige Lage verfetzt, von
einem Archetypus aus die Verwandfchaftsverhältniffe
und die Abweichungen der Manufkripte zu erklären;
I diefelben tragen die Spuren ihrer gemeinfamen Her-
; kunft in übereinftimmenden Auslaffungen, Blattver-
! fetzungen und Textverderbniffen. Andrerfeits fondern
fich beftimmte Gruppen ab, die namentlich in der gleichen
oder doch verwandten Anordnung der Bücher kenntlich
I find. Die einzelnen Handfchriften find übrigens von fehr
j verfchiedenem Umfange. Der Cod. V enthält jetzt nur
i noch einen Theil des Buches von der Welt Schöpfung,
der Cod. H dagegen 46 Schriften Philos.

Auf Grund diefer Ermittelungen werden die Hand-
| fchriften, deren Varianten Berückfichtigung fordern, in
j zwei Gruppen von minderwerthigen (AHL), in denen auch
die Anordnungder Bücher eine wirreift, und in eine Gruppe
zuverläffigerer (UF) getheilt. An diefe fchliefsen fich als
wichtige Zeugen in relativer Selbftändigkeit drei einzelne
Handfchriften (MGV.), die neu entdeckten Papyri und
die durch fklavifche Wörtlichkeit der Wiedergabe werth-
I volle armenifche Ueberfetzung. Von den Handfchriften
I find manche verfchiedentlich durchgearbeitet, eine ift auch
| mit Scholien ausgeftattet. Eine erweiterte Controle
fowohl für Textüberlieferung als auch für die Anordnung
der Bücher geftatten die Excerpta Philonea (RN), fowie
die Citate der Catenen und Kirchenväter. Clemens
Alexandrinus und namentlich Ambrofius haben von den
letzteren den Philo fchweigend, aber fehr ausgiebig
benutzt.

Aus diefem mit Scharfunn und Umficht gefichteten Ma-
teriale ergeben fich die Grundfätze für die Texther-
J ftellung, die mit Rückficht auf Ueberfichtlichkeit und
j handliche Benutzung durchgeführt find. Wie in Niefes
Jofephusausgabe werden am Rande kurze Abfchnitte gezählt
, aufserdem die Mangeyfchen Seitenzahlen und die
! Richterfchen Paragraphen beibehalten. Dem Texte liegt
! in erfter Linie die handfchriftliche Ueberlieferung zu
Grunde, die in Anbetracht des fehr verfchiedenen Um-
fangs' der Quellen für die einzelnen Bücher mehr oder
! weniger reichlich fliefst. Wo der Text hoffnungslos ver-